Sollen die Verträge mit den Impfstoffherstellern für alle einsehbar sein? Oder würde das die wirtschaftspolitischen Interessen der Schweiz tangieren und die Verhandlungsposition des Bundes bei künftigen Impfstoffbeschaffungen schwächen?
Fragen, die sich lange nicht so einfach beantworten liessen. Anfang Dezember forderte eine Mehrheit des Nationalrats, dass der Bundesrat die Impfstoffverträge mit Pfizer, Moderna und Co. veröffentlichen soll. Vor allem Grüne, SP- und SVP-Vertreter setzten sich dafür ein. Doch der bürgerlich dominierte Ständerat schob dem Ansinnen den Riegel: Er hat den umstrittenen Passus wieder aus dem Gesetz gestrichen.
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Auf privater Basis kämpft auch Rémy Wyssmann seit vergangenem August für eine Veröffentlichung der Verträge mit den Impfstoffherstellern. Der Rechtsanwalt und SVP-Kantonsrat aus dem Kanton Solothurn hat vor bald einem halben Jahr gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) um den Zugang zu den Verträgen gebeten.
Das BAG verweigerte ihm diesen und schrieb in seiner Stellungnahme, dass die Beschaffung des Bundes von Covid-Impfstoffen noch nicht abgeschlossen sei und «mit der geforderten Offenlegung von Verträgen die wirtschaftspolitischen Interessen der Schweiz in den laufenden und zukünftigen Verhandlungen geschwächt» würden. Dies könne finanzielle Nachteile bei der Impfstoffbeschaffung zur Folge haben.
Das liess Wyssmann nicht gelten. In einem Schlichtungsverfahren Mitte November hätte die Sache ein für alle Mal geklärt werden sollen. Doch ein Vergleich lag weit entfernt, der Zugang zu den Verträgen mit den Covid-Impfstoffherstellern wurde Wyssmann verwehrt. «Als kleines ‹Zückerli› bot das BAG an, mir die teils seit Jahren publiken Verträge mit den Herstellern der Impfstoffe gegen die Schweine- und die Vogelgrippe zukommen zu lassen», erzählt Wyssmann.
Dieses «minimale Entgegenkommen» bestärkte den Anwalt in seinem Entschluss, am Schlichtungsverfahren festzuhalten. Mit Erfolg: In seinen Ausführungen, die CH Media vorliegen, kommt der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB), Adrian Lobsiger, zum Schluss, dass das BAG die betroffenen Unternehmen – also die Impfstoffhersteller – anhören und den «Zugang zu den Verträgen unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips» gewährleisten muss.
Heisst konkret: Der Öffentlichkeitsbeauftragte sieht das BAG in der Pflicht, die Verträge auf Anfrage transparent zu machen. Zudem ist das Bundesamt angehalten, beim Schwärzen von Textstellen in den Verträgen verhältnismässig vorzugehen. Was darunter genau zu verstehen ist, bleibt Sache des juristischen Ermessens.
Bevor es allerdings dazu kommt, steht dem BAG die Möglichkeit offen, eine Verfügung gegen die Empfehlung zu erlassen. Die Medienstelle konnte bis dato noch nicht beantworten, ob das geschehen wird oder nicht.
Für Wyssmann ist klar: «Erlässt das BAG eine Verfügung, werde ich den Fall ans Bundesverwaltungsgericht weiterziehen.» Dort dürfte der Anwalt gute Chancen haben. In den meisten Fällen stützt das Gericht die Empfehlung des EDÖB.
Interpharma, der Verband der forschenden Pharmaunternehmen in der Schweiz, befürchtet schwerwiegende Konsequenzen. Der Bund und die entsprechenden Pharmaunternehmen hätten im Rahmen der Verhandlungen Vertraulichkeit vereinbart. «Wir sind der Ansicht, dass Verträge von beiden Seiten eingehalten werden sollten», schreibt der Verband auf Anfrage.
Und weiter: «Bei einer Offenlegung würde die Schweiz unter Umständen vertragsbrüchig werden, was der Vertrauenswürdigkeit unseres Landes als Vertragspartner schadet und langfristig Folgen für uns alle haben könnte.» So könne es sein, dass die Schweiz beispielsweise bei zukünftigen Beschaffungen von Medikamenten und Impfstoffen hintenanstehen müsse. Das hätte laut Interpharma zur Folge, dass «Patientinnen und Patienten länger auf unter Umständen lebensrettende Innovationen warten müssen».
Kein Vertrag steht über dem Gesetz. Grundsätzlich gilt das Öffentlichkeitsprinzip und soll/muss gerade bei heiklen Verträgen durchgesetzt werden.
Die Geheimnistuerei mit öffentlichen Geldern ist nicht angebracht. Da könnte auch der Pharma Verband selber drauf kommen statt sich im Nachhinein zu beschweren wenn die Gerichte korrigieren müssen.