Stefan Thalmann, Wirt des Berghotels Langis OW, ist zufrieden. Seit zweieinhalb Monaten kocht sein Team zweimal täglich für die rund 400 Asylsuchenden, die auf dem Glaubenberg in einem Armee-Truppenlager untergebracht sind. Als der Grossauftrag für den Cateringservice öffentlich ausgeschrieben wurde, schloss er sich mit zwei anderen Wirten aus der Region zusammen und gründete eine GmbH. Bezahlt wird Thalmann vom Staatssekretariat für Migration (SEM). Für ihn ein willkommener Auftraggeber. «Schliesslich denken wir unternehmerisch», sagt er.
Im letzten Jahr stellten fast 40'000 Personen in der Schweiz ein Asylgesuch. Das ist für Bund, Kantone und Gemeinden eine logistische Herausforderung und ein Kostenfaktor. Für andere ist es ein Millionengeschäft. Ein Asylsuchender, der in die Schweiz kommt, braucht Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung und Betreuung. Jede neu eröffnete Asylunterkunft schafft Stellen für Betreuer, Sicherheitsleute, und wenn die Unterkunft nicht über Kochnischen verfügt oder abgelegen ist, auch Köche und Buschauffeure.
Bei den Schreinern der Moser Holzbau AG klingelte das Telefon kurz vor Weihnachten. Die Stadt Zürich war in Not. Die Ikea-Häuslein, in denen Flüchtlinge hätten untergebracht werden sollen, brannten beim Feuertest lichterloh. Also musste Ersatz her. Für die Moser Holzbau AG bedeutete dies einen Auftrag von rund 230'000 Franken. Für Co-Geschäftsleiter Michael Widmer ein gutes, aber kein zwingendes Geschäft. Übers Jahr betrachtet, falle dieser Auftrag wenig ins Gewicht.
Anderen wiederum rettet die Flüchtlingskrise die Bilanz. Die Schweizer Jugendherbergen konnten dank Flüchtlingsunterbringung ihre Auslastung im Winter um rund 10 Prozent steigern – trotz Tourismuskrise. Die Flüchtlinge wirken zunächst wie ein kleines Konjunkturprogramm. «Kurzfristig ist mit kleineren positiven Impulsen für das Gesamt-BIP zu rechnen», sagt Martin Eichler, Chefökonom des Forschungsinstituts BAK Basel.
Der Berghotel-Wirt Thalmann, die Moser Holzbau AG und die Jugendherbergen sind nur kleine Fische im Meer von Akteuren, die vom Flüchtlingszustrom profitieren. Eine der grössten Firmen im Asylbereich ist die ORS Service AG. Das Unternehmen hat sich auf die Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden spezialisiert. Die Firma betreut für den Bund drei Empfangszentren. Ausserdem betreibt sie rund vierzig Durchgangs- und Nothilfezentren für verschiedene Kantone. Auch immer mehr Gemeinden übergeben der ORS die Betreuung von Asylsuchenden.
Ein Beispiel dafür ist die kleine Gemeinde Uetikon am See ZH, wo bisher Mitarbeiter des Sozialdienstes für Asylsuchende zuständig waren. Der Gemeindepräsident, Urs Mettler, sagt: «Wir standen vor der Alternative, entweder die Stellenprozente in der Verwaltung zu erhöhen oder die Betreuung auszulagern.»
Dank Gemeinden wie Uetikon expandiert die ORS. Der Umsatz vom vergangenen Jahr beläuft sich auf 85 Millionen Franken, wie die ORS auf Anfrage der «Schweiz am Sonntag» bekannt gibt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung um rund 30 Prozent. Rechnet man den Umsatz der ORS-Tochterfirma ABS Betreuungsservice AG hinzu, die in vier Kantonen rund 40 Mandate hat, kommt man auf einen Umsatz von 100 Millionen Franken.
Ebenfalls im Asyl-Business vorne mit dabei ist die Asylorganisation Zürich (AOZ). Sie ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt und gehört der Stadt Zürich. Sie ist nicht gewinnorientiert, was aber nicht heisst, dass sie in den letzten Jahren nicht gewachsen ist. Innerhalb von fünf Jahren konnte die AOZ ihre Mitarbeiterzahl auf rund 840 verdoppeln. Heute betreut sie Asylsuchende in fünf Bundeszentren und führt das Testzentrum Juch in Zürich Altstetten. Auf kantonaler Ebene ist die AOZ für sieben Durchgangszentren zuständig. Daneben betreut sie für die Stadt Zürich und weitere Gemeinden über 4000 Asylsuchende. Von der Stadt Zürich erhielt die AOZ im letzten Jahr 68 Millionen Franken für ihre Dienstleistungen.
Neben kommerziellen Organisationen oder staatlichen Betrieben sind auch gemeinnützige Organisationen in der Flüchtlingsbetreuung aktiv. Doch sie sind auf dem Rückzug. So das katholische Hilfswerk Caritas. Ende 2016 verliert sie nach 30 Jahren das Mandat für die Betreuung von Flüchtlingen in Luzern. Auch im Kanton Obwalden muss sie ihr Mandat abgeben. In beiden Fällen wurde den Kantonen die Caritas-Betreuung zu teuer. Caritas-Sprecher Stefan Gribi kritisiert, dass Bund und Kantone zunehmend auf kommerzielle Firmen setzen: «Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen besser einbezogen werden.»
An den Asylsuchenden wird auch dann noch verdient, wenn ihr Asylgesuch abgelehnt ist und sie in ihr Herkunftsland zurück müssen. Wie «20 Minuten» berichtete, verdienen Airlines bei Ausschaffungsflügen rund 10 000 Franken pro Person.