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In den meisten europäischen Ländern sind Tabakwerbung, -verkaufsförderung und -sponsoring nicht erlaubt. Anders in der Schweiz: Hier sind nur Radio- und Fernsehwerbung verboten. Deswegen haben die Tabakgiganten bevorzugt ihren Hauptsitz hierzulande.
Da der Milliardenindustrie Kunden abhanden kommen – etwa weil sie sterben oder aufhören –, muss sie trotzdem mächtig die Werbetrommel rühren.
Eine 2014 in der Westschweiz durchgeführte Studie zeigt, dass die von der Tabakindustrie eingesetzten Werbetechniken zu den kreativsten und raffiniertesten überhaupt gehören. Die Werbekampagnen zielen hauptsächlich auf Jugendliche ab. Hier sind die trickreichsten:
Philip Morris – einer der weltweit grössten privatwirtschaftlichen Hersteller von Tabakprodukten – verpflichtet seit neustem sogenannte «Community Activators». Diese kassieren bis zu 5000 Franken pro Monat, wenn sie innerhalb vier Wochen mindestens 20 ihrer Freunde von der neuen «Dampf»-Zigarette von Philip Morris überzeugen. Um die Bekannten zu überzeugen, können sie sie auf Drinks, in den Club oder zum Essen einladen. Dafür zahlt ihnen Philip Morris pro Monat 1500 Franken Spesen.
Begleitet werden die Activators von von Philip Morris eingestellten Teamleadern, die die Aktivitäten ihrer Schützlinge genau überwachen. Sie dokumentieren die Daten und Abhängigkeit der Neukunden vom neuen Gerät.
Da im Laufe der letzten Jahrzehnte etliche Studien den Zusammenhang von Rauchen und Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Lungenerkrankungen nachweisen konnten, ist die Zigarette in Verruf geraten. Jetzt versucht die Tabakindustrie, sich durch neue Produkte einen «gesünderen» Anstrich zu verpassen.
Das letzte Mal wandte die Tabakindustrie diese Strategie in den 80er Jahren an, als sie begann, die «Light»-Zigaretten zu vermarkten. Der Name verrät's – sie sollten «leichter», also weniger schädlich sein. Studien bewiesen Jahre später das Gegenteil.
Dasselbe versuchen die Tabakfirmen jetzt mit der Technologie des «Dampfens», bei welcher der Tabak nur erhitzt, nicht verbrannt wird. Keine Studie belegt, dass «Dampfen» weniger schädlich ist als Rauchen. Dank geschickter Werbung und Bildsprache machen die Produkte dennoch diesen Eindruck.
Die Tabakindustrie beobachtet ihre Klientel genau und richtet ihre Aktivitäten gezielt nach Jugendlichen aus, die süchtig und zu langjährigen Kunden werden sollen.
In den grossen Schweizer Städten werden regelmässig Parties durchgeführt, an denen junge, hippe Menschen – sogenannte Opinion Leaders – zu Gratis-Essen und Drinks und die neuesten Produkte ausprobieren. Da minderjährige Jugendliche sich in ihrer Entwicklung an älteren Jugendlichen orientieren, werden so zwei Fliegen auf mit einer Klappe geschlagen.
Die Tabakindustrie sponsert aber auch Privat-Parties für glückliche Gewinner und ihre Freunde. Junge Menschen werden etwa zu einer Modenschau, einer Luxuskreuzfahrt oder einem Exklusivkonzert eingeladen. Ziel ist es, bei jungen Menschen eine tolle Erfahrung mit einer Zigarettenmarke zu verknüpfen.
Im Jahr 2013 schrieb beispielsweise Winston einen internationalen Wettbewerb aus. Ein Aufenthalt in einem Viersternehotel in Zermatt war zu gewinnen, dazu Spezial-Aktivitäten wie Helikopterflug, Ausflug mit Schlittenhunden, Skitag, Ballonfahrt und Schneemobilparcours. Schliesslich gab es eine tolle Party in einem Club im Wintersportort mit Räumen, die extra für die Gewinner dekoriert wurden und nur ihnen zugänglich waren. Vor Ort erhielt jeder der 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer 200 Franken Taschengeld sowie eine Stange Zigaretten.
Vertreter der Tabakindustrie statten den Zigaretten-Verkaufsstellen regelmässig Besuche ab. Dank Anreizen in Form von Geld oder Geschenken an die Betreiber erreichen sie, dass ihre Produkte und Werbung an den strategisch günstigsten Orten der Verkaufsstelle platziert werden.
Dabei gilt: Eye-Level is Buy-Level. Die Tabakprodukte sollten auf Augenhöhe der Kinder, im Idealfall neben harmlosen Produkten wie Süssigkeiten präsentiert werden. So erwecken Tabakfirmen den Eindruck, es handle sich um ein ähnlich harmloses Produkt und nicht um ein süchtig machendes. Wie die Westschweizer Studie zeigte, erhalten Kioske (88 Prozent) und Tankstellenshops (71 Prozent) öfter Vertreterbesuch als die Lebensmittelläden (23 Prozent).
Sponsoring machen viele Firmen, die Tabakindustrie sponsert aber bevorzugt Sportanlässe, um sich mit Gesundheit und Aktivität in Verbindung zu bringen. Auch bei Festivals, wo sie vor allem Jugendliche und Kinder antreffen, erkaufen sie sich bevorzugt Präsenz und tauchen mit hübschen Hostessen auf, die gratis Zigarettenpäckchen, Popcorn oder Sonnenbrillen verteilen.
An einschlägigen Ständen und auf Plattformen kann man sich kostenlos die Haare schneiden lassen, auf einem Trainingsrad mit Ausblick strampeln, Tischfussball spielen, sich fotografieren lassen, in einem Schwimmbecken baden oder ein T-Shirt individuell gestalten.
In Lausanne hat Philipp Morris vor kurzem die Eröffnung eines Flagship-Stores mitten in der Stadt angekündigt. Darin soll man essen, trinken und natürlich rauchen dürfen – zumindest die Dampfzigaretten. Auf drei Stockwerken soll es zudem Raum für Kunstausstellungen, Konferenzen, Seminare und Coworking-Spaces geben.
Gratis Wi-Fi und ein Café, das bis Mitternacht geöffnet sein darf, rundet das Angebot ab. Am Wochenende ist Musik in einer Lautstärke von bis zu 93 Dezibel – wie in Discos – bis zwei Uhr möglich. Sechs Jahre nach der Durchsetzung des Bundesgesetzes zum Schutz vor Passivrauchen wird es also wieder einen Rauch-Club geben.
Die Tabakindustrie wirbt bevorzugt in Gratismedien, da diese häufig von Jugendlichen und Kindern konsumiert werden. Dafür gibt sie auch am meisten Geld aus. 2013 waren es 20,8 Millionen Franken. 57 Prozent davon gab sie für Printmedien aus, 30 Prozent für Plakate, 9 Prozent für Kinospots und 4 Prozent für digitale Werbeträger.
Zum Vergleich: Für ihre grosse und schweizweit sehr präsente Werbekampagne zur Masseneinwanderungsinitaitive hat die SVP gerade mal 5,6 Millionen ausgeben.
Ob an Verkaufsstellen, bei Anlässen, auf dem Klo beim Zigarettenautomaten, auf Aschenbechern, in Clubs, bei Freunden, in Youtube-Reviews, auf Festivals, im Kino, auf Facebook, in Bars – die Tabakindustrie ist omnipräsent.
Die Forscher der Westschweizer Studie stellten fest, dass ein Jugendlicher während eines Tages und eines Abends am Wochenende im Durchschnitt 68 Anreize zum Rauchen antrifft.
Was so in unseren Alltag integriert ist, kann doch nicht tödlich sein.