Liebe Frau Keller-Sutter
Es gibt ja dieses berühmte Zitat von Benjamin Franklin, Sie kennen es sicher: «Diejenigen, die grundlegende Freiheitsrechte für ein bisschen zeitweilige Sicherheit aufgeben, die verdienen weder das eine noch das andere. »
Aktuell sind Sie als Justizministerin Zielscheibe der Kritik am Polizeigesetz zur Terrorismusbekämpfung (PMT). Da passt Franklins Zitat ja wie die Faust aufs Auge.
Vielleicht kann man mit dem PMT die geringen Chancen marginal erhöhen, einen professionell geplanten Terroranschlag in der Tradition des frühen 21. Jahrhunderts zu verhindern. Dafür aber wird die Bundespolizei künftig dauerhaft ohne richterlichen Beschluss, auf Grund vager «Anhaltspunkte», Grundrechte wie Bewegungs- und Versammlungsfreiheit von Individuen aufheben können – auf blossen Verdacht hin.
Wir wissen alle, dass man auch mit diesem Gesetz die Anis Amris dieser Welt nicht vom Morden abhält. Es ist vielmehr dazu entworfen, Halbwüchsiger habhaft zu werden, bevor es irgendein Fundi-Prediger in Winterthur oder anderswer anderswo tut.
Das ist ein löblicher Beweggrund, aber es gäbe wohl Wege, das zu erreichen, ohne fundamentale aufklärerische Errungenschaften wie die Unschuldsvermutung und die Beweislast der Anklage schnöde über Bord zu werfen.
Zu allem Unvermögen dieses Gesetzesentwurfes, den Sie nicht erfunden haben, kommt nun auch noch Pech hinzu.
Die Gegnerschaft moniert mit Blick auf Frankreich schon lange, dass das PMT gegen Klima-Aktivistinnen und -aktivisten eingesetzt werden könnte, die mitunter eine radikale Umwälzung der wirtschaftlichen Ordnung fordern und auch mal zum Schrecken der Bevölkerung in Schalterhallen der Credit Suisse Tennis spielen. Und was passiert?
Just zwei Wochen vor der Abstimmung wird bekannt, dass die Bundesanwaltschaft mit Ihrer Ermächtigung bei ebendieser Klientel Hausdurchsuchungen, Festplattenbeschlagnahmungen und Einvernahmen durchgeführt hat. Weil sie dazu aufgerufen hatte, den emissionsintensiven Militärdienst zu schwänzen.
Diese jüngste Meldung von unverhältnismässiger Reaktion auf eine schlichte Meinungsäusserung steht leider nicht isoliert da.
Sie reiht sich ein in solche von juristischen oder polizeilichen Repressionen gegen Medienschaffende an Hausbesetzungen und Demonstrationen. Und in all die Meldungen im Zusammenhang mit den angeblich durch die Covid-Verordnungen gedeckten, aber verfassungswidrigen Zürcher Kundgebungsverbote, die der Kanton mit aller Härte durchsetzte.
Gleichzeitig, und das müsste Ihnen genau so viel Sorge bereiten, stehen die ehernen Grundsätze des modernen demokratischen Rechtsstaates nicht nur auf den Strassen zur Disposition, sondern auch im Parlament.
Im Rahmen einer geplanten Revision des Sexualstrafrechtes steht der Grundsatz der Unschuldsvermutung zur Debatte. Und im Ständerat ist versucht worden, die Zivilprozessordnung so ergänzen, dass unliebsame Medienberichterstattung leichter zu unterdrücken ist.
Ich würde mir von Ihnen wünschen, dass Sie einmal in sich gehen und sich überlegen, ob diese Tendenzen und Ihre Funktion allenfalls kommunikativen Handlungsbedarf erfordern.
Als Vorsteherin des Justiz-Departementes sind Sie nach Benjamin Franklin eben nicht nur für die innere Sicherheit des Landes verantwortlich, sondern letztlich auch für die Freiheit.
Die wir schneller nicht mehr haben, als uns lieb ist, wenn die Grundrechte erst einmal zur Disposition stehen.
Vielleicht wollen Sie hin und wieder mal darauf hinweisen?
Hochachtungsvoll
Ihr Maurice Thiriet
Ihre Partei, die FDP, ist heute nur noch eine Schande. Einst staatstragend und vorausdenkend sind sie heute der Inbegriff von kurzfristigen Lobbyismus.
Vorstösse, wie der Maulkorb für die Wissenschaft zeigen, dass der FDP die Meinungsfreiheit nicht mehr so am Herzen liegt. Von ihrem Liberalismus sind nur noch Steuersenkungen übrig geblieben.
Dass unser Rechtstaat sich nicht mehr gut entwickelt, liegt auch daran, dass der Freisinn die Freiheit vergessen hat und stattdessen eine Art wohlformulierende Tea Party geworden ist.