Die fünf sind zwar langjährige loyale, gut vernetzte und in ihren Bereichen hoch kompetente Mitarbeitende der Geschäftsleitung von Economiesuisse. Doch vor kurzem standen sie unvermittelt vor einer schwierigen Wahl: Entweder sie akzeptieren eine Änderungskündigung – und gehören damit ab 1. September nicht mehr zur neu aufgestellten Geschäftsleitung. Oder sie müssen gehen.
Vier Personen akzeptierten die Änderungskündigungen – und behalten damit ihre Jobs. Drei davon bekommen – als Zückerchen – immerhin Einsitz in der erweiterten Geschäftsleitung.
Eine Person akzeptiert die Änderungskündigung aber nicht: Jan Atteslander, Leiter der Aussenwirtschaft. Auch ihm war angeboten worden, nach dem Rückzug in der erweiterten Geschäftsleitung Einsitz nehmen zu können. Doch Atteslander entschied sich, Economiesuisse zu verlassen.
Die Reorganisation der Geschäftsleitung, die Präsident Christoph Mäder und Direktorin Monika Rühl anpackten, fordert damit ein prominentes Opfer. Als Leiter Aussenwirtschaft war Jan Atteslander unter anderem für das EU-Dossier verantwortlich. Zuletzt hat er etwa die ungewöhnlich umfangreiche Vernehmlassung des Wirtschaftsdachverbandes zum Abkommen mit der EU orchestriert. Dies tat er mithilfe diverser Workshops. Sie führten zu insgesamt 42 Anträgen innenpolitischer Natur auf 50 Seiten. Mit Atteslander verliert Economiesuisse ihren strategischen Kopf im Europa-Dossier – und das ausgerechnet etwa zwei Jahre vor der Abstimmung.
«Ich bedaure den Entscheid von Jan Atteslander und danke ihm für sein langjähriges Engagement für den Standort Schweiz», sagt Direktorin Monika Rühl. Atteslander habe in den letzten Jahren die Schweizer Europa- und Freihandelspolitik «massgeblich und erfolgreich» mitgestaltet. Dafür danke sie ihm «herzlich».
Economiesuisse soll mit einer verkleinerten Geschäftsleitung effizienter, schlagkräftiger und damit sichtbarer werden. Zudem soll der Teamgedanke künftig stärker im Zentrum stehen als reines Fachwissen. Das ist das Ziel der Reorganisation von Mäder und Rühl.
Damit Economiesuisse die beste Interessenvertretung für den Standort Schweiz sicherstellen könne, habe der Verband die Geschäftsstelle neu ausgerichtet, sagt Direktorin Rühl. «Zentrale Massnahmen sind ein Bündeln der Fachbereiche und die Ausrichtung der Struktur auf ein optimales Zusammenspiel von Fachbereichen mit Inhalten, Public Affairs mit Lobbying und Kommunikation mit Medien- und Öffentlichkeitsarbeit.»
Die Geschäftsleitung umfasst nur noch fünf statt wie bisher zehn Mitglieder und soll «künftig noch strategischer, agiler und dynamischer» agieren, sagt Rühl. Sie selbst gehört ihr an, gemeinsam mit Chefökonom Rudolf Minsch, Alexander Keberle (Standortpolitik), Norina Frey (Public Affairs) und Silvan Lipp (Bereich Kommunikation).
Insider erzählen, die Reorganisation sei ein altes Anliegen von Christoph Mäder. Er habe es in seinen fünf Präsidialjahren stets mit sich herumgetragen. Mäder wollte grössere Beweglichkeit und engere Zusammenarbeit in der Geschäftsleitung. Dass er die Reorganisation erst kurz vor seinem Abgang als Präsident 2026 durchzieht, kam allerdings überraschend. Und gefällt laut Insidern nicht allen. Sie kritisieren, Mäder stelle seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin vor vollendete Tatsachen.
Reformen drängen sich für Economiesuisse auf, da der Wirtschaftsdachverband in den letzten Jahren einen erheblichen Machtverlust hinnehmen musste. So kam es 2024 bei der Abstimmung über die 13. AHV-Rente zu einer historischen Niederlage der Wirtschaft: Erstmals nahmen die Stimmberechtigten eine linke Initiative an, die den Ausbau des Sozialstaats forderte. Und nur zwei Monate später versenkten die Stimmberechtigten auch die Reform der beruflichen Vorsorge.
Economiesuisse, Arbeitgeberverband und Gewerbeverband wollen deshalb auch ihre Zusammenarbeit verbessern. Severin Moser, der Präsident des Arbeitgeberverbands, sitzt bereits im Vorstandsausschuss von Economiesuisse. Das soll bald auch Fabio Regazzi tun, der Präsident des Gewerbeverbands, sagen Insider.
Über die Reform der Geschäftsleitung war der 70-köpfige Vorstand von Economiesuisse am Freitag summarisch informiert worden, ohne Details zu Personen. Der Vorstandsausschuss als höchstes Gremium war nicht direkt in die Reorganisation involviert.
Mitglieder des Ausschusses begrüssen die Reform aber, wenn auch mit Vorbehalten. «Gemäss Statuten fällt der Umbau der Geschäftsleitung in die Kompetenz des Präsidenten und der Vorsitzenden der Geschäftsleitung», sagt FDP-Nationalrat Simon Michel, auch CEO von Ypsomed. «Vom Vorstandsausschuss her empfinde ich die Verschlankung der Geschäftsleitung grundsätzlich als sinnvoll.»
Dennoch macht Michel eine Anregung. Man müsse die Frage, welche Kompetenzen im obersten operativen Gremium vorhanden sein sollten, «breiter diskutieren», schlägt er vor. «Es geht um die Schlagkraft des Verbandes.» Deshalb macht er sich stark dafür, dass ein Strategieausschuss der Geschäftsleitung mit dem Vorstandsausschuss «Varianten erarbeitet und diese zur Diskussion stellt». Denn eines sei klar, betont Michel: «Die Fachkompetenz gehört nahe an die Verbandsspitze. Gerade Economiesuisse lebt vom Fachwissen.»
Mehr PR und Lobbying anstatt Wissenschaft und Know-how Transfer.