Lieber Herr Berset
Als Musikliebhaber kennen Sie bestimmt die Eagles und deren «Hotel California». Es geht in diesem Song um eine auf den ersten Blick ansprechend wirkende, aber doch ziemlich bedrohliche Absteige, in der man eigentlich nicht sein will, aus der es aber nur kurzzeitiges Entrinnen gibt.
«You can check out anytime, but you can never leave», sagt der Rezeptionist am Schluss des Songs zum Protagonisten, der endlich ausbrechen will.
Der Rezeptionist erinnert mich ein wenig an Sie.
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Die Lage erscheint an der Oberfläche harmlos, die Zahlen sind im Vergleich zum Höhepunkt der zweiten Welle eher tief und der Frühling steht vor der Tür. Doch die Pandemie wabert in ihrer englisch-explosiven Variante durchs Land, die Massnahmen können deshalb vernünftigerweise nicht gelockert werden.
Gleichzeitig nehmen Coronamüdigkeit und Grad des Verdrusses ob der Einschränkungen in der Bevölkerung zu, es bilden sich mehr politische Protestbewegungen, die lauter werden und deren Einfluss wächst. Die Massen drängen derweil auf die Promenaden und in die Pärke, zurück ins gesellschaftliche Leben, wo auch immer es irgendwie möglich ist.
Und Sie müssen sich nach der Bundesratssitzung alleine vor die Medien stellen und sagen, man darf rasch auschecken, zu zehnt statt nur zu fünft Ostern feiern. Aber ein Entrinnen aus der Umklammerung des Virus und der Massnahmen zu seiner Eindämmung gibt es mindestens weitere vier Wochen nicht.
Das ist angesichts des kollektiven Verdrusses eine lange Zeit. Aber wohl auch die entscheidende Phase für den weiteren Verlauf dieses zweiten Pandemie-Jahres. Es muss gelingen, hoffentlich mit Hilfe des Wetters, vielen Tests und einer disziplinierten Bevölkerung, die dritte Welle flach zu halten. Und es muss gleichzeitig gelingen, den Impfplan einzuhalten. Nur dann besteht die Chance auf ein zweites Halbjahr mit mehr und nachhaltiger zurückgewonnenen Freiheitsgraden.
Gelingt das nicht, dann verpufft der Effekt der Impfkampagne, weitere Massnahmen werden zunehmend schlechter eingehalten werden und es wird je länger, desto schwieriger, den Kollaps des Gesundheitswesens zu verhindern. Wenn es überhaupt noch ein drittes Mal gelingt.
Es ist ein bisschen befremdlich, dass Sie in dieser entscheidenden und dilemmatischen Phase ganz alleine an der Rezeption stehen. Sie sollten Ihren Bundesratskolleginnen und -kollegen nahelegen, nach der nächsten Bundesratssitzung gemeinsam mit Ihnen aufzutreten, um die Durchhalte-Parolen breiter abzustützen und noch einmal zu signalisieren: «Jetzt geht es um alles und alle.»
Damit wir es hoffentlich, anders als der Gast im Eagles-Song, bald schaffen, endgültig aus unserem «Hotel California» rauszukommen.
Hochachtungsvoll
Ihr Maurice Thiriet
Warum nicht einmal ein paar dankende Worte an die grosse Mehrheit der Bevölkerung die das alles erträgt damit die Pandemie nicht noch weiter Ausufert?
Die Medien und Politiker dürfen ruhig auch mal die erwähnen (und das ist die grosse Mehrheit), die sich zurücknehmen und halt schweigen statt rumbrüllen.
Dieser Beitrag hier ist doch schon mal ein Anfang.
Danke.
Dann heisst es dann ganz nach AC/DC, Hell ain't a bad place to be.