Fast die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer sind kritisch gegenüber dem Klima-Anliegen des Bundes: Nur 54 Prozent sprechen sich laut der ersten Tamedia-Umfrage für das neue CO2-Gesetz aus. Noch braucht es also viel Überzeugungsarbeit von Umweltministerin Simonetta Sommaruga & Co., damit die Schweiz die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen kann.
Nun wird der Ton im Abstimmungskampf schärfer. «Irreführend, pseudowissenschaftliche Propaganda, ungenügend, voller Fehler»: ETH-Klimaforscher Reto Knutti schiesst auf Twitter scharf gegen die Öl-Lobby. Was ist passiert?
Die SVP und die Mineralölfirmen bekämpfen das CO2-Gesetz vehement. Und nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau, wie Knutti kritisiert. Avenergy Suisse – so nennt sich die Erdölvereinigung seit 2019 – hat unter dem Titel «Kohlendioxid – Fakten zum Klimagas» die neuste Ausgabe des Magazins «Avenue» mit einer Auflage von 35'000 Exemplaren veröffentlicht.
Als «unsichtbar, farblos, geruchslos, ungiftig – und lebensnotwendig», beschreiben die Autoren das Treibhausgas CO2. Und verdrehen die Fakten: «Zwischen 1982 und 2009 haben die Grünflächen auf der Erde um 25 bis 50 Prozent zugenommen. Der Hauptgrund für die Begrünung der Erde ist die Zunahme des CO2-Gehalts in der Luft», steht in Grossbuchstaben. Dank CO2 werde die Erde also grüner, heisst es weiter. Die Autoren zitieren eine Studie des Wissenschaftsmagazins «Nature». Dumm nur: In der Studie heisst es, dass es auf der bewachsenen Fläche der Erde um 25–50 Prozent grüner wurde.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen: Klimaforscher Knutti – der sich zusammen mit vielen anderen Wissenschaftlern für ein Ja zum Klima-Gesetz engagiert – zerpflückt das Heft in einem 16-teiligen Twitter-Thread:
2/ Kategorie CO2 ist gut
— Reto Knutti (@Knutti_ETH) April 30, 2021
Behauptung: "haben Grünflächen auf der Erde um 25 bis 50% zugenommen".
Falsch: Auf 25-50% der Fläche wurde es grüner.
Wenn alle Mitarb. 1% mehr Lohn bekommen, dann hat der Lohn bei 100% der M. zugenommen.
Nicht 100% mehr Lohn. Nicht 100% mehr M.! pic.twitter.com/F8vzr9Fpi4
Der 47-jährige Physiker zieht ein vernichtendes Fazit: Unter dem Deckmantel «Nachschlagewerk» wolle die Avenergy CO2 aus Brenn- und Treibstoff schönreden. «Wissenschaftlich ungenügend, voller Fehler, irreführend, und im Vorfeld der Abstimmung zum CO2-Gesetz höchst problematisch», bilanziert Knutti.
Was sagt Avenergy Suisse zu den Vorwürfen? Geschäftsführer Roland Bilang schreibt auf watson-Anfrage: «Wir nehmen die Einwände von Herrn Knutti zur Kenntnis. Diese ändern aber nichts an unserer übergeordneten Botschaft.» Man wolle die Leserinnen und Leser im Heft auf Beiträge der Wirtschaft in der Schweiz zur Senkung der CO2-Emissionen aufmerksam machen.
Knutti lässt das nicht auf sich sitzen. Die fossile Industrie habe ein Problem. «Sie weiss das, und versucht seit Jahrzehnten es zu verheimlichen, wissenschaftliche Fakten zu verzerren, zu beschönigen, zu täuschen, und zu lobbyieren.» Man könne über das CO2-Gesetz unterschiedliche Meinungen haben; «aber die Physik kann man nicht neu erfinden», so Knutti weiter zu watson.
Diese Vergleiche sind reine Kindergartenrethorik, um CO2 emotional eine positive Konotierung zu verpassen. Das dabei , wie vielerorts, mehr denn je, die Menge macht das Gift gilt, scheint man wissentlich oder durch schlichte Verdrägung zu ignorieren.
Was würden wir als Gefährlicher einschätzen? CO2 oder Wasser? Wenn man 8 Liter Wasser am Tag trinkt stirbt man auch an einem Hirnödem...