Ich stehe vor einem riesigen Bagger. Seine Schaufel ist gefüllt mit Abfall. Es ist Abfall aus meinem Quartier – und es ist ziemlich genau die Menge, die ich pro Jahr produziere.
Siedlungsabfall heisst das, was wir in den Müll werfen. 700 Kilogramm pro Kopf und Jahr produzieren wir in der Schweiz. Damit landen wir auf Platz 3 – weltweit. Nur die Menschen in den USA und in Dänemark leben noch verschwenderischer als wir.
Und wir verbessern uns nicht. Im Gegenteil. Die Abfallmenge steigt stetig. Seit 1990 hat sie um 30 Prozent zugenommen. Allerdings recyceln wir auch laufend mehr. Über die Hälfte unseres gesamten Siedlungsabfalls beträgt der Anteil an Glas, Alu, Pet, Altpapier und organischen Abfällen – all das gehört zu den rezyklierbaren Stoffen. Haben wir 1989 noch 433 Kilogramm Abfall pro Person im Jahr nicht verwertet, sind es heute noch 344 Kilogramm.
So weit, so gut. Nur ist es immer noch so, dass ein Fünftel, der in unseren Abfällen landet, wiederverwertbar wäre. Das sagt das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Grosses Potenzial haben die Schweizer weiterhin bei den organischen Abfällen (Rüeblischale, Kartoffelschale etwa), die noch immer viel zu wenig getrennt entsorgt werden.
Doch nicht nur. Abfall reduzieren beginnt bereits beim Einkaufen. Hier ist die Schweiz noch ein Entwicklungsland. Doch es tut sich etwas. Die sogenannte Zero Waste-Bewegung fasst Fuss.
Unter der Organisation Zero Waste Switzerland haben sich Menschen zusammengeschlossen, die intelligent einkaufen. In der Westschweiz, zum Beispiel in Sion, Lausanne oder Biel gibt es bereits Unverpackt-Läden. Solche machen es leichter, nachhaltig zu leben. Im Februar eröffnen nun in Zürich mit dem «Chez Mamie» und dem «Foifi» die ersten Zero Waste-Läden der Deutschschweiz. In Luzern soll bald einer folgen. Wofür stehen diese Läden. Worin unterscheidet sich ihr Angebot?
Die Idee hinter den Läden ist die Kreislaufwirtschaft, das Gegenmodell zur Wegwerfgesellschaft. Die Kunden bringen eigene Behälter mit und dosieren ihre Einkäufe. So gibt es möglichst wenig Überschuss.
Die Meisterin darin heisst Bea Johnson. Sie machte Zero Waste weltweit bekannt und sie schafft es mittlerweile so zu leben, dass fast kein Abfall anfällt. Was ihre vierköpfige Familie an Abfall produziert in einem Jahr passt in ein Konfi-Glas.
Die in Kalifornien lebende Französin reist heute mit ihrem Glas durch die halbe Welt und zeigt auf, was es braucht, ihre Vision umzusetzen: So kauft sie etwa dort ein, wo die Esswaren nicht verpackt sind – auf dem Markt. Und sie sagt oft Nein. Im Flugzeug zum Beispiel. Dort lehnt sie alle in Plastik verpackten Fertiggerichte ab. Auch im Restaurant gibt sie Tischset und Serviette zurück. Johnson stellt ihr Shampoo und ihre Schminke selber her und sie kauft beinahe keine Kleider mehr. 15 Kleidungsstücke besitzt sie – Unterwäsche ausgenommen.
Angenehmer Nebeneffekt: Johnson spart durch ihren Lebensstil viel Geld.
Die Zürcherin Tara Welschinger sagt, in der Deutschschweiz sei ein Konfi-Glas Abfall pro Jahr nicht möglich – noch nicht. Grund: Es fehlen Unverpackt-Läden. Deshalb hat sie ihren Job aufgegeben und eröffnet nächsten Monat im Zürich-West den Zero-Waste-Laden «Foifi». Dass Raschelsäckli bei Migros und Coop nicht mehr gratis sind und die Migros seit Neuestem bei ihren Take-Aways Mehrweg-Schalen anbietet, zeigt jedoch, dass auch die Schweizer mehr und mehr sensibilisiert sind auf das Thema. Welschingers Abfallbilanz ist heute schon beeindruckend. In einem Monat füllt sie gerade einmal die Hälfte eines 17-Liter-Abfallsacks.