Kinder, die sich mit dem Coronavirus anstecken, können eine Entzündungsreaktion entwickeln: das Pädiatrische Multisystemische Inflammatorische Syndrom (PIMS). Meistens macht es sich mehrere Wochen nach einer Infektion mit SARS-Cov-2 bemerkbar. Anzeichen dafür sind Bauchschmerzen oder Hautausschläge.
Das Phänomen ist neu. Die ersten Fälle wurden in der Schweiz im Mai 2020 beobachtet, heisst es in der Mitteilung des Kinderspitals Zürich. Bisher wurden mehr als 60 Kinder in der Schweiz wegen PIMS behandelt. Die meisten in den letzten Wochen.
Die Entzündungsreaktion PIMS ist somit eher selten. Allgemein gelten Kinder bis heute als wenig gefährdet durch das Coronavirus. Sie können sich zwar anstecken, zeigen aber selten Symptome. «Eines von acht Kindern, das Covid-19 hat, wird überhaupt erkannt», sagt der Infektiologe Christoph Berger gegenüber SRF.
Da PIMS nun während der zweiten Welle häufiger auftritt, bemüht sich eine Arbeitsgruppe darum, Spitäler, Kinderärzte und -ärztinnen nun aufzuklären. «Wir haben innert kürzester Zeit eine Guideline zusammengestellt», sagt Luregn Schlapbach, Co-Leiter der Arbeitsgruppe. Er ist Arzt am Kinderspital Zürich. Sein Rat: Bei Verdacht auf PIMS sollen Kinder unbedingt zum Arzt.
Hier eine Übersicht zum PIM-Syndrom.
PIMS ist eine Überreaktion der körpereigenen Abwehrkräfte auf ein eigentlich bereits besiegtes Virus. Diverse Organe können davon betroffen sein: vom Herz über die Haut, selten auch andere Organe.
Die Symptome variieren und müssen nicht unbedingt gemeinsam auftreten. Typisch sind:
«Wenn das Kind über mehrere Tage hohes Fieber hat oder sich sein Allgemeinzustand verschlechtert, soll man mit ihm zum Arzt», sagt Luregn Schlapbach vom Kinderspital Zürich. «Das ist nicht anders als bei anderen Krankheiten.»
Hier stelle sich die Schwierigkeit: Die Symptome für PIMS sind die gleichen wie für viele andere, weitaus häufigere Krankheiten. «Es ist wichtig, dass sich Eltern bewusst sind, dass PIMS sehr selten vorkommt», so Schlapbach. Die allermeisten Kinder, die sich mit dem Coronavirus angesteckt hätten, entwickeln nie das PIM-Syndrom.
Die Kinder, bei denen PIMS bis jetzt festgestellt wurde, seien im Schulalter, sagt Schlapbach. «Bis jetzt wurden am häufigsten Kindern diagnostiziert, die bereits in der Primar- oder Oberstufe sind.» Säuglinge oder junge Erwachsene seien kaum betroffen.
Bei dem Geschlecht habe man ebenfalls einen Unterschied festgestellt, sagt Schlapbach. «Knaben sind häufiger betroffen als Mädchen.»
Alter und Geschlecht dienen jedoch mehr der Einschätzung und seien kein Ausschlusskriterium, so der Arzt.
Hat ein Kind PIMS, wird es im Spital behandelt. «Bei schweren Fällen benötigen Kinder eine intensivmedizinische Therapie der betroffenen Organe», sagt der Arzt Luregn Schlapbach. Ausserdem versuche man mit einer immunsuppressiven Therapie die übertriebene Reaktion des Immunsystems zu unterdrücken.
«Die Therapien haben bis jetzt gefruchtet und die Kinder haben sich gut erholt», sagt Schlapbach. Ein Fazit will er jedoch nicht ziehen. Bis jetzt gebe es nur erste Nachfolgeuntersuchungen. «Es ist zu früh, um langfristige Folgen festzustellen», so der Kinderarzt. Anzeichen, dass solche drohen, gebe es keine.
Covid-Schutzmassnahmen für Kinder gibt es nur wenige. Dazu zählen etwa Abstand halten in der Schule oder Maskenpflicht für über 12-Jährige in öffentlichen Verkehrsmitteln und im Unterricht.
Die Erkenntnisse zu PIMS würden dies auch nicht ändern, wie das Kinderspital Zürich schreibt. «Aus Sicht der Kinderärzte genügen die bestehenden Schutzmassnahmen für Kinder», sagt Schlapbach. Er gehe davon aus, dass durch die hohen Corona-Zahlen PIMS auch Anfang 2021 weiterhin ein Thema sein wird.
Hohe Fallzahlen und geöffnete Schulen bedeutet leider unweigerlich, dass auch viele Kinder zu Schaden kommen. Ja, der Krankheitsverlauf ist selten tödlich, aber das ist ein schwacher Trost mit Blick auf die Krankheitsfolgen bis hin zu «Long Covid».
Ich bin bestürzt und traurig, wie unser Land die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft – Kinder und Alte – unter dem Motto «Leben mit dem Virus» im Stich lässt.