Schweiz
Zürich

«Haussklavinnen»-Prozess: Ehemann zu 36 Monaten teilbedingt verurteilt

Ehepaar im «Haussklavinnen»-Prozess verurteilt – teilbedingte Haftstrafe für Ehemann

26.09.2024, 15:5826.09.2024, 17:21
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Das Bezirksgericht Andelfingen ZH hat am Donnerstag einen 46-jährigen Schweizer wegen Menschenhandels und Freiheitsberaubung schuldig gesprochen. Auch seine Ehefrau wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das Ehepaar hatte Hausangestellte in Käfigen gehalten und diese gefesselt.

Neben der teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten, von der er neun absitzen muss, wird der 46-Jährige zu einer ambulanten Behandlung verpflichtet, wie der Richter am Donnerstag sagte.

Die Ehefrau, die aus den Philippinen stammt, wurde unter anderem wegen mehrfacher Gehilfenschaft zur Freiheitsberaubung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Dafür gilt eine Probezeit von zwei Jahren. Das Gericht sprach eine Landesverweisung von 5 Jahren aus. Diese gilt auch für den Schengenraum.

Die Frau habe die Opfer überwacht und teilweise gefesselt oder in einen Käfig geschlossen, sagte der Richter. Die Aussagen der Opfer, welche die Frau belasteten, seien glaubhaft gewesen. Dass sie meinte, die Frauen hätten freiwillig mitgemacht, sei eine Schutzbehauptung, hielt der Richter fest. Aufgrund der Aussagen könnte man sie gar fast als Mittäterin betrachten.

«Die Opfer gaben ihr gegenüber Signale ab, dass sie nicht einverstanden waren», sagte der Richter weiter. Ahnungslos sei sie nicht gewesen. Sie habe auch selber Zweifel geäussert, ob das Einsperren legal war. Auch sei eine totale Abhängigkeit vom Ehemann nicht belegbar.

Höhere Strafe als gefordert

Das Gericht ging bei der Strafe für die Ehefrau höher als die Staatsanwaltschaft. Das Verschulden sei nicht mehr leicht. Schliesslich dauerte in einem Fall die Freiheitsberaubung mehrere Monate. «Es sind weder Bedauern noch ein echtes Geständnis erkennbar», sagte der Richter.

Einen Härtefall, der eine Landesverweisung verhindern würde, konnte das Gericht nicht erkennen. Die Frau ist nicht in der Schweiz aufgewachsen und hat keine Kinder. Das Verhältnis zum Ehemann soll zerrüttet sein.

Beim geständigen Ehemann war der Fall klar. Das Gericht akzeptierte den Urteilsvorschlag. Das Strafmass sei unter Berücksichtigung des umfassenden Geständnisses angemessen. Bei einem ordentlichen Verfahren hätte das Strafmass aber höher liegen können, sagte der Richter.

Das Schlusswort des Beschuldigten empfand das Gericht aber als «irritierend». Er sagte damals, dass es nicht verboten sei, jemanden einzusperren oder zu fesseln. «Wir bezweifeln, ob ihm bewusst ist, warum er verurteilt wurde», sagte der Richter. Es sei schwerer Missbrauch gewesen, er sei nicht einfach nur zu weit gegangen.

Bis zu 17 Stunden in Käfig gesperrt

Der Ehemann war angeklagt, zwei junge Ausländerinnen mit falschen Versprechungen als «Haussklavinnen» rekrutiert und ausgebeutet zu haben. Dabei soll er sie täglich für bis zu 17 Stunden in einen Käfig gesperrt haben. Den Rest der Zeit mussten sie in Dienstmädchenuniform putzen, für 800 Franken im Monat.

Machten sie einen Fehler, wurden sie vom «Dom», also dem dominanten Mann, bestraft. Eine mögliche Strafe war etwa, dass die Hände auf den Rücken gefesselt wurden oder sie enge Handschuhe tragen mussten.

Die Polizei beendete das «Setting»

Das erste Opfer musste bis zu seiner Flucht 10 Monate unter diesen Bedingungen leben, das zweite vier Wochen lang. Dann wurde das «vertraglich vereinbarte Setting», wie es der Beschuldigte nannte, von der Polizei beendet. Das erste Opfer hatte Anzeige erstattet.

Der Mann war unter anderem wegen Menschenhandels und Freiheitsberaubung angeklagt. Weil er geständig war, wurde das Verfahren abgekürzt geführt. Das heisst, dass sich der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft auf einen Urteilsvorschlag einigten.

Die beschuldigte Ehefrau beteuerte während dem Prozess, dass ihr Mann – gemäss Gutachten ein Narzisst – sie manipuliert habe. Sie habe wirklich geglaubt, dass der Käfig zur Ausbildung der Angestellten gehöre. Laut ihrem Verteidiger habe sie gedacht, die Opfer hätten in die Behandlung eingewilligt.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger der Ehefrau kündigte sogleich Berufung an. Der Anwalt des 46-Jährigen betonte aber noch im Gerichtssaal, dass dieser das Urteil akzeptiere. (sda)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Glücklich
26.09.2024 17:44registriert August 2022
‚Der Ehemann war angeklagt, zwei junge Ausländerinnen mit falschen Versprechungen als «Haussklavinnen» rekrutiert und ausgebeutet zu haben. Dabei soll er sie täglich für bis zu 17 Std. in einen Käfig gesperrt haben. Den Rest der Zeit mussten sie in Dienstmädchenuniform putzen, für 800 Fr. im Monat.‘ - ‚er wurde wegen Menschenhandels und Freiheitsberaubung schuldig gesprochen‘

Und dafür kriegt er

‚Eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Mte., von der er 9 absitzen muss‘

Ich kann nicht glauben, was ich hier gelesen habe.

Solche Urteile lassen mich an unseren Gerichten zweifeln, 😡!
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De Domi
26.09.2024 17:08registriert September 2015
Er sperrte eine ihm ausgelieferte Person 10 Monate lang in einen 2qm kleinen, fensterlosen Raum. Und muss dafür 9 Monate absitzen. Für mich ein völlig unverständliches Urteil.
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slnstrm
26.09.2024 16:34registriert August 2023
Also... Wenn ich Haussklavinnen halte, dann bekomme ich teilbedingt? Scheint eine interessante Sache zu sein, wenn ich denn so wäre...
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