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Standesbeamtin verhindert Zwangsheirat in Dietikon im letzten Moment

Ein Model traegt einen Brautstrauss waehrend einer Modeschau bei der Hochzeitsmesse in Thun, am Sonntag, 7. Januar 2024. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Im Dezember 2022 sollte in Dietikon eine Frau zur Heirat gezwungen werden. (Symbolbild)Bild: KEYSTONE

Standesbeamtin verhindert Zwangsheirat in Dietikon im letzten Moment

10.10.2025, 12:4610.10.2025, 16:20

Ende September musste sich ein Mann vor dem Bezirksgericht Dietikon verantworten – wegen häuslicher Gewalt gegen seine damalige Verlobte und versuchter Zwangsheirat. Im Jahr 2022 erschien er mit seiner Verlobten auf dem Standesamt in Dietikon, um zu heiraten. Die Standesbeamtin wurde misstrauisch, weil die Frau verängstigt wirkte. In einem Einzelgespräch vertraute sich die Braut ihr an: Sie wolle nicht heiraten und habe Angst vor dem Bräutigam. Die Beamtin zögerte daraufhin die Trauung heraus und informierte die Polizei. Ein halbes Jahr später wurde der Mann festgenommen, wie die NZZ berichtet.

«Wehe, du sagst etwas»

Als die Standesbeamtin bemerkte, dass hier etwas nicht stimmen konnte, bat sie die Braut um ein Gespräch unter vier Augen. Daraufhin sagte der Bräutigam auf Albanisch noch zu ihr: «Wehe, du sagst etwas» – und lächelte. Dies geht aus einer Anklage der Staatsanwaltschaft I für Gewaltdelikte hervor.

Im Einzelgespräch mit der Beamtin offenbarte sich die Braut und sagte, dass sie nicht heiraten wolle. Sie werde unter Druck gesetzt und habe Angst vor dem Bräutigam, der ihr auch schon einmal einen Finger gebrochen habe.

Aus den Akten erfuhr die Standesbeamtin, dass die Braut kürzlich im Spital war – und dabei vom Bräutigam abgeschirmt wurde. Sie sprach daraufhin auch mit ihm und zögerte die Hochzeit heraus. Am nächsten Morgen meldete sie ihren Verdacht auf Zwangsheirat der Polizei. Kurz darauf erklärte auch der Bräutigam, dass er die Hochzeit nicht mehr wolle.

Im Juli 2023, rund ein halbes Jahr später, wurde der heute 43-jährige französisch-kosovarische Doppelbürger wegen häuslicher Gewalt an seiner Partnerin verhaftet. Laut Anklageschrift werden ihm Taten zwischen dem Frühjahr 2021 und Juli 2023 vorgeworfen – darunter Vergewaltigung, mehrfache Körperverletzung, Drohung, ein grobes Verkehrsdelikt sowie der Versuch einer Zwangsheirat.

Mann weint vor Gericht und spricht von Lügen

Im Prozess vor dem Bezirksgericht Dietikon hat sich der Beschuldigte für unschuldig erklärt und zu jedem der elf Ereignisse ausführlich einzeln Stellung bezogen.

Er behauptet, die Frau versuche, ihn mit gefälschten Aussagen und gefälschten Fotos als böse hinzustellen. Er bestreitet Todesdrohungen mit einem Messer, Schläge mit einem Gürtel gegen die schwangere Partnerin, Ohrfeigen, Würgen, sexuelle Übergriffe. Eine ärztlich dokumentierte Rippenprellung habe sich die Privatklägerin bei einem Treppensturz zugezogen.

Einmal bekam er ein Kontaktverbot für drei Monate. Vor Gericht sagt er, die Frau sei trotzdem oft freiwillig zu ihm nach Hause gekommen. Er behauptet ausserdem, die Frau sei sexsüchtig gewesen. Die Vorwürfe habe sie nur aus Eifersucht erhoben, weil er inzwischen eine andere Frau geheiratet habe. Sie wolle ihm mit den Anschuldigungen das Leben zerstören.

Auch den Vorwurf der versuchten Zwangsheirat weist der Angeklagte zurück. In Wahrheit, so sagt er, hätten die Frau und ihre Mutter ihn zur Heirat gedrängt. Während seiner Aussagen wird der Beschuldigte mehrmals emotional und beginnt zu weinen.

Frau hat dreimal abgetrieben

Der Staatsanwalt erklärt zu Beginn seines Plädoyers, die «Show» des Beschuldigten sei schwer zu ertragen gewesen. Die Frau sei in einer Zwickmühle gewesen. Sie habe Todesangst gehabt, den Beschuldigten zu verlassen. Weil sie keine Kinder mit ihm haben wollte, habe sie in dieser Zeit insgesamt dreimal abgetrieben.

Der Angeklagte wurde in allen Punkten schuldig gesprochen – darunter Vergewaltigung und versuchte Zwangsheirat. Das Bezirksgericht verurteilte ihn zu sechs Jahren Haft, einer bedingten Geldstrafe sowie zu einer zehnjährigen Landesverweisung. Zudem erhält das Opfer 15'000 Franken Genugtuung und rund 2100 Franken Schadenersatz. Ein Kontakt- und Rayonverbot gilt für fünf Jahre. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (fak)

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107 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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haraS
10.10.2025 13:06registriert Januar 2023
Grossartig, dass die Standesbeamtin geistesgegenwärtig gehandelt hat und er für seine Verbrechen bestraft wird! Niemand sollte so etwas erleiden müssen.
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Oigen aka Trudi aka Kevin
10.10.2025 13:14registriert August 2018
Zwangsheirat, Häusliche Gewalt, Standesbeamtin wird aktiv und meldet der Polizei...

...und die brauchen ein HALBES JAHR um aktiv zu werden?
da hat die gute Fraue Glück gehabt ist in dieser Zeit nichts passiert

Ps. Super Dank an die Standesbeamtin!
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Der Micha
10.10.2025 13:05registriert Februar 2021
"Eine ärztlich dokumentierte Rippenprellung habe sich die Privatklägerin bei einem Treppensturz zugezogen."

Der obligatorische Treppensturz darf bei den Ausreden nie fehlen. Ein klassisches Beispiel von Opfer/Täter Umkehr. Zum Glück ist niemand darauf reingefallen.
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