Susanne Wille verteidigt die SRG in einer Beiz in Kriegstetten
Susanne Wille hat die Aufgabe, die SRG zu retten. Nach ihrem Auftritt im Säli des Hotels Sternen in Kriegstetten bleibt der Eindruck: Es ist nicht sicher, dass ihr das gelingen wird.
Kriegstetten liegt im Süden des Kantons Solothurn. Die Autobahn 1 zieht sich nur wenige Hundert Meter entfernt durchs Wasseramt. Rund 60 Personen sind im Saal – an den grossen runden Tischen bleiben viele Plätze leer. Interessierte mussten sich online anmelden. Einige taten das, erschienen dann aber nicht.
Susanne Wille betont, dass die SRG mit dieser Veranstaltung den Dialog mit dem Publikum pflegen wolle. Im Vordergrund stehe nicht die Halbierungsinitiative. Dennoch ist klar: Die Generaldirektorin des Rundfunks will die Besucherinnen und Besucher davon überzeugen, einer massiven Kürzung der Mittel nicht zuzustimmen.
Tessiner «Tagesschau» in Zürich produziert – will man das?
Sinkt die Medienabgabe von 335 auf 200 Franken, was wären die Folgen? Die SRG müsste ihr Engagement für kulturelle Veranstaltungen und für den Sport stark reduzieren, sagt Wille. Mindestens so schlimm: Die Berichterstattung aus den Schweizer Regionen würde eingeschränkt. Die Journalisten, die über die Arbeit sämtlicher kantonaler Parlamente informieren – wie könnte man sie noch bezahlen?
«Es gab eine Zeit, da wurde die ‹Tagesschau› in italienischer Sprache in Zürich aufgenommen», warnt Wille. Ihre Botschaft ist klar: Eine solche Zentralisierung – die kann in einem föderal aufgebauten Land niemand ernsthaft wollen.
Gleich zu Beginn zeigt sich, wieso die SRG-Chefin als effiziente Kommunikatorin gilt. Wille schaut ins Publikum, spricht in kurzen Sätzen, verteilt Komplimente. Ihr Schwiegervater sei im Saal, bemerkt sie, er wohne in Etziken, einem Dorf in der Nähe. Die Generaldirektorin kennt die Gegend, und sie schätzt sie.
Die Fragen der Gäste mögen noch so nebensächlich sein – Wille betont, dass da ein interessanter Punkt aufgegriffen werde. Man habe ihn gerade an einer internen Sitzung besprochen.
Kritik an der SRG wiederholt sich – Wille schweigt
An Willes Seite ist SRF-Journalist Fredy Gsteiger. Er erzählt, dass die Beiträge der Radio- und Fernsehjournalisten vor Wahlen und Abstimmungen nicht von einem, sondern von zwei Kollegen auf inhaltliche Korrektheit und hohe Verständlichkeit überprüft würden. Vor der Ausstrahlung gelte das Sechs-Augen-Prinzip.
An einem Tisch regt sich Widerspruch. Ein Mann sagt, es spiele keine Rolle, ob bei der Qualitätskontrolle sechs oder zwölf Augen über einen Beitrag blickten – seien sie doch alle rot-grün eingefärbt. Der Service public erscheine politisch einseitig und habe seine Glaubwürdigkeit verloren.
Den Vorwurf bringen Besucher im Verlauf der Diskussion mehrmals an: Die Sender der SRG hätten politische Schlagseite. Ein Gast sagt, was der Moderator Arthur Honegger in der Sendung «10 vor 10» zeige, trage nicht zur Meinungsbildung sei – man müsse es als Meinungsmache bezeichnen.
Wille rät dem Besucher, eine Veranstaltung zu besuchen, die in der kommenden Woche von Honegger moderiert wird. Da könne man die Sache besprechen. Inhaltlich geht sie auf die Vorhaltung nicht ein.
Will Susanne Wille die Kritik entkräften, indem sie sie ignoriert? Oder ist die SRG-Chefin überrumpelt von den Einwänden? Hatte sie sich darauf vorbereitet, dass sich die Gäste über den aufgehobenen UKW-Radioempfang beschweren? Das tut niemand. Die Einwände konzentrieren sich auf die angebliche Linkstendenz der SRG-Sender.
Fredy Gsteiger macht es vor, wie man als SRG-Mitarbeiter argumentativ kontert. Ein Besucher bemängelt, dass die Berichterstattung des Schweizer Fernsehens in der Pandemie einseitig gewesen sei. Wissenschafter, die den behördlichen Restriktionen kritisch gegenübergestanden, hätten kein Gehör gefunden.
Gsteiger entgegnet: Rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung habe den Kurs des Bundesrates unterstützt. Ein weiteres Drittel habe die Massnahmen als übertrieben eingestuft. Dem letzten Drittel seien die Einschränkungen zum Schutz älterer Menschen zu wenig weit gegangen. Diese Gruppe sei weniger laut aufgetreten als die Massnahmen-Gegner.
Junge Besucher kennen die SRF-Sendungen nicht
Der Journalist wird konkret, während sich die Chefin mit Gemeinplätzen begnügt. Ob das ausreicht in der Abwehr der 200-Franken-Initiative? Die Kritiker im Saal sprechen es zwar nicht offen aus, aber ihre Botschaft ist unmissverständlich: Politisch einseitigen Fernseh- und Radiosendern darf man die Gebühren ohne Bedenken kürzen.
Ein weiteres Problem wird im hinteren Teil des Saales sichtbar. Dort sitzen rund 20 junge Frauen, die eine Ausbildung zur Pflegefachkraft absolvieren. Der Schulleiter in Olten hatte sie zum Besuch des Anlasses eingeladen. Die Frauen schauen sich ratlos an. Sie kennen die Sendungen nicht, die in der Fragerunde erwähnt werden. «Rendez-vous?» «Mona mittendrin?» Noch nie gehört.
Zwar sagen einige von ihnen, dass professioneller Journalismus wichtig sei in Zeiten, in denen sich gerade in den sozialen Medien fake News ausbreiteten. Doch eine junge Frau meint, dass sie jetzt zum ersten Mal einen eigenen Haushalt führe. 335 Franken sei viel Geld. «Wenn ich vor der Wahl stehe, ob die Medienabgabe gesenkt wird oder nicht – aber sicher bin ich dafür.»
Noch viereinhalb Monate bleiben bis zur Abstimmung über die Halbierungsinitiative; der Bundesrat legt den Termin voraussichtlich auf Anfang März 2026 fest. Susanne Wille muss die Zeit nutzen, um ihre Argumente zu konkretisieren. Die Veranstaltung in Kriegstetten verlief ordentlich – doch die Generaldirektorin unternahm zu wenig, um Kritiker der SRG von der Notwendigkeit der höheren Gebühr zu überzeugen.
(aargauerzeitung.ch)