Zürcher Schüler sollen künftig wieder erst ab der Sek oder dem Gymi Französisch lernen. Das Kantonsparlament hat am Montag eine Motion von Mitte, EVP, SVP und GLP mit 108 zu 64 Stimmen an die Regierung überwiesen.
Damit beauftragte der Kantonsrat die Zürcher Regierung, innert zwei Jahren die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit Französisch erst ab der Oberstufe unterrichtet wird – und nicht wie heute bereits ab der 5. Klasse. Die Regierung lehnte die Motion ab.
Wenig erfreut über diese Absicht war die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner am Montag im Rat. Einerseits sei im Kanton Zürich viel ins Frühfranzösisch investiert worden - auch auf Wunsch des Kantonsrats. «Mit dieser Motion werden all diese Bemühungen rückgängig gemacht», so Steiner.
Laut der Regierungsrätin hat die Motion eine Bedeutung, die weit über den Kanton Zürich hinausreicht. «Französisch ist nicht einfach eine Fremdsprache, sondern eine Landessprache», so Steiner. Diese müsse gepflegt werden. Als grösster Deutschschweizer Kanton stehe Zürich «unter erhöhter Beobachtung.»
Mit der Verschiebung des Französisch auf die Oberstufe müsse Zürich aus dem Harmos-Konkordat austreten. Sie habe im Vorfeld der Debatte bereits Rückmeldungen erhalten, dass man in Bern «gar nicht erfreut sei» über die Absichten des Kantons Zürich.
Die Zürcher Bildungsdirektorin räumte aber ein, dass beim Französischunterricht auf der Primarstufe Handlungsbedarf bestehe: «Die Erwartungen konnten nicht erfüllt werden.» Doch das sei kein Grund aufzugeben. «Wenn Sie nicht gut laufen können, hören Sie ja auch nicht einfach damit auf.»
Regierungsrätin Steiners mahnenden Worte fanden im Rat jedoch kein Gehör. Die grosse Mehrheit folgte den Motionärinnen und Motionären, dagegen stimmten Grüne, AL und SP. «Der frühe Einstieg in die zweite Landessprache hat das Ziel nicht erreicht», sagte Motionärin Kathrin Wydler (Mitte). Der Lehrplan sei überladen. Viele Kinder beherrschten dadurch Basiskompetenzen nicht mehr ausreichend.
Es brauche eine gezielte Entschlackung mit dem Fokus auf das Wesentliche, sagte Wydler. Das spätere Einsetzen des Französischunterrichts solle die Lernergebnisse verbessern, die Motivation fördern und Überforderung vermeiden.
Seit längerer Zeit würden Lehrpersonen der Primarstufe und der Sekundarstufe I die bescheidenen Französischkenntnisse der Schülerinnen und Schüler am Ende der Primarschulzeit beklagen, lautete der Tenor.
Dass Französisch eine schöne und wichtige Sprache sei, betonten zahlreiche Ratsmitglieder - auch die Gegnerinnen und Gegner des Frühfranzösischs. Viele nutzten die Gelegenheit, ihre Sprachkenntnisse zu demonstrieren und eröffneten ihre Voten auf Französisch. David John Galeuchet (Grüne, Bülach) ging dabei einiges über das «Monsieur le Président du Conseil...» hinaus, so dass ihn Ratspräsident Beat Habegger (FDP) ermahnen musste, das Votum auf Deutsch zu halten.
So fuhr Galeuchet fort: «Wenn wir Französisch aus der Primarschule streichen, senden wir ein fatales Signal.» Die Grünen lehnten die Abschaffung des Frühfranzösisch mehrheitlich ab. «Wir wollen an der Schweizer Kultur und der Mehrsprachigkeit festhalten», sagte Galeuchet.
Die AL sprach sich wegen der Bildungs- und Chancengleichheit und wegen des nationalen Zusammenhalts für die Beibehaltung des Frühfranzösisch aus. «Ein Alleingang Zürichs würde die nationale Harmonisierung untergraben», sagte Lisa Letnansky (AL, Zürich). Auch die SP betonte, dass das Harmos-Konkordat unbedingt beibehalten werden müsse.
«Harmos ist kein Naturgesetz», sagte Nadia Koch (GLP, Rümlang) . Eine Anpassung müsse möglich sein. Wenn der helvetische Zusammenhalt tatsächlich vom Frühfranzösisch abhänge, stehe es um die Einheit des Landes wahrlich schlecht, sagte sie.
In 12 von 19 Deutschschweizer Kantonen gebe es Vorstösse gegen das Frühfranzösisch, sagte Marc Bourgeois (FDP, Zürich). «Es kann ja nicht sein, dass wir wegen des Harmos-Konkordats komplett reformunfähig sind», so Bourgeois. Die FDP-Fraktion habe «intensiv gerungen», sei aber schliesslich zur Einsicht gelangt, die Motion zu unterstützen. «Ein Ja zur Motion ist keine Absage an das Französisch», betonte Bourgeois.
Die SVP habe nichts gegen Französisch, sagte Sprecherin Ursula Junker (Mettmenstetten). Aber eine Fremdsprache in der Primarschule sei genug. Seit längerem beklagten die Lehrpersonen die bescheidenen Französischkenntnisse. «Als 2004 zwei Fremdsprachen auf Primarstufe eingeführt wurden, war die Schweiz noch eine andere», sagte Junker. (nib/sda)
Aber wir können wohl froh sein, planen sie stattdessen kein früh-russisch einzuführen.