Wie war das nochmals mit der feinen englischen Art?
Ach, wenn ich mir's so überlege, war das schon immer eher eine ausländische Projektion. Denn eigentlich gibt es kaum etwas Britischeres, als jemanden, der es verdient, nach allen Regeln der Kunst zur Schnecke zu machen – durch Hohn, Spott und Humor.
Und aktuell hat London Elon Musk den totalen Guerillakrieg erklärt. Und es ist grossartig.
Da gibt es meterhohe Plakatwerbungen für den (fiktiven) Actionfilm «The Fast and the Führer». Und an Bushaltestellen in ganz London werden Tesla-Werbungen aktuell, sagen wir mal, «sanft verändert». Hier etwa:
«Beschleunigt von 0 auf 1939 in 3 Sekunden». Und, ja, Teslas heissen per sofort swasticars (von Englisch swastica = «Hakenkreuz»).
Hinter der Bushaltestellen-Plakataktion steckt die Polit-Kollektive Everyone Hates Elon. Deren Argumentation ist einfach nachvollziehbar, wie die Aktionsgruppe in einem Interview kürzlich ausführte: Elon Musk hat gerade den Rechtsextremen in Deutschland zu ihrem besten Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg verholfen und ihnen danach noch während einer AfD-Veranstaltung über eine riesige Videoleinwand gratuliert ... – «so don't buy his bloody cars».
Checkt mal dieses Meisterwerk, das kürzlich in der Londoner U-Bahn auftauchte:
«Elons Moschus» – «Parfum de 1939 – pour wankers» (wanker – ach, so ein schönes Kraftwort!).
Offenbar sind da gewiefte Grafiker am Werk, denn hier wurde die minimalistische Ästhetik von Luxusparfümwerbung auf den Punkt gebracht.
Weitere U-Bahn-Werbungen sehen wie folgt aus:
Bekanntlich haben Tesla-Aktien seit dem Amtsantritt von Trump krass an Wert verloren – auf ein Jahr gerechnet sind es 30 Prozent, was sie zum zweitschlechtesten Wert im gesamten S&P 500-Index machen. Und während der Absatz von Elektrofahrzeugen in Europa um 37 Prozent gestiegen ist, ist der Tesla-Anteil davon im Keller.
In Deutschland sind die Verkäufe im Vergleich zu 2024 um 70,6 Prozent zurückgegangen. In Frankreich brachen die Neuzulassungen um 63,4 Prozent ein. In Schweden um 42 Prozent, in Norwegen und Dänemark um 48 Prozent, in Portugal um 53 Prozent und in Spanien um 75 Prozent ... der Trend ist eindeutig. Klar, für diesen krassen Rückgang ist letztlich Herr Musk mit seinem Verhalten selbst verantwortlich. Doch der Einfluss der Guerilla-Promo von Gruppen wie Everyone Hates Elon ist nicht zu unterschätzen. Es ist just diese spezielle Form von Soft Power, welche die Briten wie keine anderen beherrschen: Popkultur, Subkultur, Hochkultur – und stets mit Humor ... so etwas ist oft mächtiger als das Schwert. Und so veranstalten die Briten keine Protestmärsche, sondern zerreissen Musk einfach auf die kreativste und verheerendste Weise, die nur möglich ist.
Und manchmal auch gar nicht so kreativ, sondern direkt und auf den Punkt:
Kein Schnickschnack, einfach nur: «Elon Musk ist ein ...» ... okay, es hilft, dass bellend ein schlicht grossartiges Fluchwort ist. Nicht zuletzt deswegen, weil die Amis es nicht kennen und daher nicht verstehen (wörtlich: «Glocken-Ende», was die Eichel des menschlichen Penis bezeichnet). Tja, manchmal muss man einfach das Offensichtliche klar und deutlich aussprechen.
Die Installationen an Bushaltestellen und in der Londoner U-Bahn gehen aktuell via TikTok und Co. viral. Und so haben weit, weit mehr Menschen die Anzeigen gesehen, als an einem Tag etwa die Londoner U-Bahn benutzen (und das sind eine Menge Menschen – 3,2 Millionen täglich, um genau zu sein). Die Plakatkampagne ist online inzwischen so erfolgreich, dass die Organisatoren eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen haben. Eine Trolling-Operation geht ins Franchising, gewissermassen. Dies ist einer der effektivsten Aktivismus-Ansätze seit Jahrzehnten.
Musk selbst moniert, der «Jeder ist Hitler»-Ansatz sei «sowas von gestern». Aber richtig klargestellt, was da nun genau war mit seinem Hitlergruss, hat er wiederum nicht. Auch scheint er kein Problem damit zu haben, dass Bannon und andere MAGA-Hetzer sich nun ermächtigt fühlen, es ihm gleichzutun. Und dann noch irgendwelche antisemitische Hirngespinste retweeten und mit «you have said the actual truth» kommentieren ...? Uff.
Aber der aktuelle Tesla-Absturz – der schmerzt Musk. Und die Kampagne von Everyone Hates Elon wurde als eine der Schuldigen genannt. Aber da wäre ein weiterer Aspekt des typisch britischen Spotts: Es ist völlig egal, ob die Zielperson es lustig findet. Im Gegenteil: Sie zu verärgern, ist der eigentliche Sinn der Sache. Job well done.
Und wie hat das Establishment auf all das reagiert? Nun, die Londoner Verkehrsbetriebe TFL, veröffentlichten eine Pressemitteilung, in der sie die Plakate als «unauthorized fly tipping» bezeichnen, was die technische und juristische Bezeichnung für «unbefugtes Abladen von Müll» ist – womit das Statement eine grossartig subversive Note enthält: Musk und seine Autos sind Müll.
Aber letztendlich ist die Tatsache, dass es sich bei der Guerilla-Plakataktion eben nicht um eine genehmigte Werbeaktion handelt, genau das, was ihr Macht verleiht. Es handelt sich um unverfälschte Äusserungen der öffentlichen Meinung, die gerade deshalb viral gehen, weil sie die Gefühle von Millionen von Menschen widerspiegeln. Wann hat sich das letzte Mal eine «offizielle» Werbekampagne derart mega-viral verbreitet? Eben.
Langer Rede kurzer Sinn? Wenn man es mit Milliardären zu tun hat, die sich für unantastbar halten, die mehr Geld als Verstand und mehr Macht haben, als sie verdienen, dann ist manchmal die wirksamste Reaktion, sie auf die kreativste Art und Weise absolut zu verarschen. Und niemand macht das besser als die Briten. Ein Hoch auf Everyone Hates Elon und ihre Guerillakampagne! Das ist eine klare Botschaft an Elon: Du kannst Twitter kaufen, du kannst Einfluss kaufen, du kannst dir sogar den Weg ins Oval Office kaufen, ... aber du kannst keine Immunität vor britischem Spott kaufen.
Diesen Vogel nicht füttern! Der ist invasiv.