Am Freitag steht für die Schweiz in der WM-Quali das wahrscheinlich entscheidende Spiel um den Gruppensieg an. In Rom misst sich die Nati mit Europameister Italien. Die Ausgangslage ist klar: Will das Team von Murat Yakin die direkte WM-Qualifikation schaffen, muss wohl ein Sieg her.
Dabei sind die Vorzeichen allerdings nicht besonders gut – so hat die Nati mit grossem Verletzungspech zu kämpfen. Bereits im Vorfeld war klar, dass Granit Xhaka und Haris Seferovic nicht mittun können, zuletzt mussten aber auch Breel Embolo, Nico Elvedi, Steven Zuber und Christian Fassnacht verletzt absagen. Mit Mario Gavranovic ist zudem ein weiterer Stürmer angeschlagen.
Dennoch wartet auf die Nati im Rom wohl kaum eine «Mission Impossible». Italien ist zwar amtierender Europameister, aber im Moment auch nicht ohne Sorgen. So dürften diese drei Problemstellen bei den Italienern den Schweizern Hoffnung geben, dass ein überraschender Auswärtssieg trotz der bekannten Probleme möglich ist.
Nicht nur die Schweiz hat derzeit viele verletzungsbedingte Ausfälle zu beklagen – auch bei Italien scheint es derzeit so, als müsse man im schlechtesten Fall im Spitzenkampf auf die Hälfte der nominellen Stammelf verzichten.
Dass Leonardo Spinazzola nach seinem Achillessehnen-Riss noch nicht rechtzeitig fit sein wird, war schon lange klar, auch Marco Verratti gab schon vor mehreren Wochen Forfait. Wie bei der Schweiz mussten aber auch nach der Bekanntgabe des Aufgebots mehrere Spieler verletzt passen. Ciro Immobile, Nicolo Zaniolo und Lorenzo Pellegrini sind bereits wieder abgereist, bei den angeschlagenen Giorgio Chiellini, Leonardo Bonucci und Nicolo Barella ist ein Einsatz gegen die Schweiz unsicher. Womöglich muss Trainer Roberto Mancini also ungewollt auf sechs Spieler verzichten, welche normalerweise in der Startformation stehen würden.
Aufgrund der Personalnot mussten deshalb Roberto Mancini wie auch Murat Yakin einige überraschende Nachnominationen vollziehen. So wurden Danilo Cataldi von Lazio Rom und Tommaso Pobega vom FC Turin erstmals überhaupt für die «Squadra Azzurra» aufgeboten.
Besonders bitter dürfte für Italien der Ausfall von Stürmer Ciro Immobile sein. Der 31-Jährige ist in der Nationalmannschaft zwar nicht so torgefährlich wie mit Lazio, mit seinen 15 Nati-Treffern aber dennoch der beste Torschütze aller noch aktiven Spieler. Und auch im Verein zeigte sich Immobile zuletzt schon wieder in guter Verfassung, mit zehn Toren in elf Spielen führt er die Torschützenliste der Serie A an.
Nun muss sich Roberto Mancini die schwierige Frage stellen, wer Immobile ersetzen soll – denn im Sturm sind die Italiener nicht besonders breit aufgestellt. Andrea Belotti ist auf dem Papier die Nummer zwei, allerdings hat der Torino-Captain einen schwierigen Saisonstart mit einer langen Verletzungspause und erst zwei Toren hinter sich.
Und da mit Moise Kean von Juventus eine weitere Option verletzt passen musste, wird das Team vom Sassuolo-Duo Giacomo Raspadori und Gianluca Scamacca komplettiert, welche in dieser Saison aber beide noch nicht zu ihrer Topform fanden. In den bisherigen zwölf Saisonspielen von Sassuolo kamen die beiden Stürmer insgesamt nur auf drei Tore.
Damit wird bei Italien im Offensivspiel wohl viel von den beiden Flügelstürmern abhängen. Lorenzo Insigne und Federico Chiesa haben einen starken Saisonstart hinter sich und überzeugten mit neun Torbeteiligungen in 14 Spielen (Insigne) und fünf Torbeteiligungen in 13 Spielen (Chiesa).
Italien scheint sich in seiner Rolle als Europameister noch nicht so richtig zurechtgefunden zu haben. In den fünf Spielen seit dem Titelgewinn holte die Squadra Azzurra nur noch zwei Siege, einen gegen Litauen und einen im wenig prestigeträchtigen Spiel um Platz drei in der Nations League.
Daneben musste Italien drei Rückschläge einstecken. In der WM-Quali gab es neben dem 0:0 gegen die Schweiz auch nur ein 1:1 zuhause gegen Bulgarien, im heimischen San Siro endete im Nations-League-Halbfinal gegen Spanien zudem die Rekord-Serie der Ungeschlagenheit nach 37 Partien.
So kamen im Laufe des Jahres erstmals seit dem Beginn der Ära Mancini wieder etwas kritische Stimmen auf. Vor allem die beiden Unentschieden gegen Bulgarien und die Schweiz und die etwas ideenlose Offensive passten vielen nicht. «Die Fans haben das Recht, sich aufzuregen», sagte Mancini im September vor dem Litauen-Spiel, «aber wir dürfen das nicht tun. Und ich denke, das wird kein grosses Problem sein.»
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Paul Badman
Licorne