Der Fussball entwickelt langsam aber sicher ein Bewusstsein für den Missbrauch von Schmerzmitteln sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich. In der amerikanischen NFL ist dieses Problem schon seit einiger Zeit bekannt, wird aber selten als solches angeprangert.
Im American Football – einem Vollkontakt-Sport – geht es darum, den balltragenden Spieler von den Beinen zu holen. Oft geht das allerdings gerade für den angreifenden Spieler sehr schmerzhaft aus. Daher neigen die Teamärzte dazu, angeschlagene Spieler vor dem Spiel mit Medikamenten zu versorgen. Dadurch werden sie von alten Verletzungen nicht behindert und spüren die neu hinzugekommenen Verletzungen erst im Nachhinein.
Ein Fehler, wie der 30-jährige Byron Jones am Wochenende verriet. In einem Appell auf Twitter richtete er sich an all seine Kollegen in der NFL. «Nehmt nicht die Pillen, die sie euch geben», warnt Byron Jones seine Mit- und Gegenspieler. «Nehmt nicht die Injektionen, die sie euch geben. Wenn es sein muss, konsultiert einen externen Arzt, um euch über die Langzeitfolgen zu informieren», rät der Cornerback allen Football-Spielern.
Mit einem Meme über sich selbst, auf dem er aus dem Stand über gleich zwei Autos springt, erinnert er an den bis heute währenden Weitsprungrekord, den er beim NFL Combine 2015 aufstellte. «Viel hat sich in acht Jahren verändert», zieht Jones den Vergleich. «Heute kann ich weder rennen noch springen aufgrund der Verletzungen, die ich mir bei diesem Sport zugezogen habe.»
Much has changed in 8 years. Today I can’t run or jump because of my injuries sustained playing this game. DO NOT take the pills they give you. DO NOT take the injections they give you. If you absolutely must, consult an outside doctor to learn the long-term implications. https://t.co/g5TTHDQGSY
— Byron Jones (@TheByronJones) February 25, 2023
Infolge seines Posts erhielt Jones auf Twitter reichlich Beileids-Bekundungen. Gleichzeitig lobten zahlreiche Footballspieler und Sportjournalisten die offene Kritik. Welche Medikamente bei ihm für welche Schäden gesorgt haben könnten, verriet Jones nicht. Allerdings verpasste Jones bereits die komplette Saison 2022, nachdem er an der Achillessehne operiert worden war.
Die häufigsten Spätfolgen von Medikamentenmissbrauch sind Leber- und Nierenschäden sowie Abhängigkeit – gerade in den USA, wo Opioide jahrzehntelang viel zu freizügig verschrieben worden sind. Doch auch eine Anfälligkeit für Sehnenverletzungen wird im Beipackzettel verschiedener Medikamente als mögliche Nebenwirkung aufgeführt.
Jones hatte nach seinem Draft 2015 fünf Jahre lang für die Dallas Cowboys gespielt, seit 2020 war er für die Miami Dolphins am Start. Infolge seines Tweets war spekuliert worden, dass der 30-Jährige nun seine Karriere beenden müsse.
Insbesondere da Jones in einem zweiten Post nachlegte: «Es war mir eine Ehre und ein Privileg in der NFL zu spielen. Aber es hatte einen bedauerlichen Preis, den ich nicht habe kommen sehen.»
It was an honor and privilege to play in the NFL but it came at a regrettable cost I did not foresee. In my opinion, no amount of professional success or financial gain is worth avoidable chronic pain and disabilities. Godspeed to the draft class of 2023.
— Byron Jones (@TheByronJones) February 25, 2023
Wie ESPN berichtet, hegt Jones aktuell jedoch keinerlei Pläne, die Football-Schuhe an den Nagel zu hängen. Klar: Wenn er jetzt zurücktritt, müsste er einen Teil des Handgelds zurückzahlen, das er bei Vertragsunterschrift von den Dolphins erhalten hatte – das wären Unkosten in Höhe von umgerechnet knapp 4 Millionen Euro.
Nach seinem Geständnis, dass er weder rennen noch springen kann, ist es wahrscheinlicher, dass die Dolphins ihrerseits die Reissleine ziehen: Wenn sie Jones nach dem 1. Juni aus dem Kader streichen, würden sie dadurch mehr als 13 Millionen Dollar für den Salary Cap gewinnen.