Bayern München gewinnt den deutschen Klassiker gegen Dortmund knapp mit 3:2. Damit steht der Serienmeister bereits wieder mit einem kleinen Polster an der Tabellenspitze der Bundesliga.
Der Klassiker war absolut hochstehend. Dortmund konnte, nicht wie in anderen Duellen der jüngeren Vergangenheit, mithalten und war ein Gegner auf Augenhöhe. Am Ende gingen die Punkte aber doch nach München – und dies, obwohl es eine Phase gab, in der alles gegen den FC Bayern lief. Die Mannschaft von Hansi Flick war zu Beginn des Spiels überlegen, musste dann jedoch einen Rückschlag nach dem anderen hinnehmen.
Serge Gnabry lässt seinen Gegenspieler Thomas Meunier – einzig in diesem Duell sah man den Klassenunterschied regelmässig deutlich – mit einem schnellen Antritt stehen. In der Mitte vollendet Robert Lewandowski. Doch der Treffer zählt nicht, weil der Pole hauchdünn im Abseits steht. Der Entscheid ist ebenso korrekt wie bitter.
Rund zehn Minuten später liegt Joshua Kimmich mit Tränen in den Augen am Boden. Der Antreiber im Mittelfeld, der für den Spielaufbau der Bayern so eminent wichtig ist, hat sich bei einem Foul selbst verletzt. Als er den losstürmenden Erling Haaland mit einer Grätsche niederstrecken will, verdreht er sein Knie und bleibt verletzt liegen. Der bullige Haaland gerät hingegen nur etwas aus dem Gleichgewicht, läuft aber weiter.
Kimmich läuft in der Folge überhaupt nicht mehr von alleine. Er muss gestützt vom Feld geführt werden, was die weitaus höhere Bestrafung ist als die gelbe Karte, die er noch gezeigt bekommt. Schon im Moment der Auswechslung kann davon ausgegangen werden, dass Kimmichs Verletzung schwerwiegend ist. Am Sonntag gibt Bayern München dann bekannt, dass der Aussenmeniskus im rechten Knie beschädigt ist und bereits operiert wurde. Kimmich wird bis im Januar fehlen.
ℹ Joshua #Kimmich wurde am Sonntagabend erfolgreich am rechten Außenmeniskus operiert. Die medizinische Abteilung des #FCBayern geht davon aus, dass der Mittelfeldspieler im Januar wieder zur Verfügung stehen wird.
— FC Bayern München (@FCBayern) November 8, 2020
🔗 https://t.co/6gi09vukbx
Es geht keine zehn Minuten, da kommt es noch dicker für die Bayern: Nach schöner Vorarbeit von Raphael Guerreiro trifft Marco Reus zur Führung für Borussia Dortmund.
Bei so vielen Rückschlägen hat man die Rechtfertigung für eine allfällige Niederlage schon bereit: Abseits- und Verletzungspech, das Gegentor im dümmsten Moment. Damit könnten Spieler und Klub-Funktionäre nach Spielende minutenlang vor den TV-Mikrofonen lamentieren und mit dem Schicksal hadern. Könnten sie.
Doch die Bayern sind eben die Bayern und die gehen nicht mit diesen drei Tiefschlägen in die Pause. In den wenigen Minuten, die bis dahin noch zu spielen sind, bekommen sie nochmals einen Freistoss aus bester Position zugesprochen. Und es geschieht das, was in der Folge sämtlichen Sportjournalisten Nahrung für eine «Ausgerechnet-Story» gibt. AUSGERECHNET David Alaba trifft zum 1:1. Dieser Alaba, welcher der Führungsetage zuletzt einige schlaflose Nächte bereitet hatte, weil es Ärger gibt um zu hohe Gehaltsforderungen bei einer allfälligen Vertragsverlängerung. Ausgerechnet dieser David Alaba übernimmt jetzt Verantwortung und schiesst ein so wichtiges Tor.
Die Bayern sind mental so stark, da kann selbst die Zeit nicht mithalten. Es kommt nämlich zum Kuriosum, dass die Bayern nach dem 1:1 in der 49. Minute den 2:1-Führungstreffer in der 48. Minute erzielen. Nach dem Ausgleich in der vierten Minute der Nachspielzeit der ersten Hälfte (offiziell in Minute 45+4) trifft der FC Bayern in der zweiten Halbzeit kurz nach Anpfiff durch Superstürmer Robert Lewandowski.
Seit dem aberkannten Führungstreffer in der 27. Spielminute liegen 25 gespielte Minuten. Die Bayern müssen in dieser Zeit gleich drei Rückschläge hinnehmen und schaffen es dennoch, mit einer vorentscheidenden Führung aus dieser Phase zu kommen. Die weiteren späten Tore durch Sané und Haaland verkommen genau so zu Randnotizen wie ein weiteres aberkanntes Tor Lewandowskis.
Die Bayern haben ihre wohl grösste Stärke einmal mehr eindrücklich dargelegt. Der ausgelutschte und inflationär verwendete Ausdruck «Mentalität» passt einmal mehr wie die Faust aufs BVB-Auge. Neben ihren spielerischen Vorteilen haben die Münchner eben auch eine wahnsinnige Moral, einen unbändigen Siegeswillen und das Selbstverständnis, wichtige Spiele für sich entscheiden zu können – selbst wenn mit Joshua Kimmich einer ausfällt, der diese Einstellung verkörpert wie kein Zweiter.
Und so bleibt am Ende für Dortmund nichts anders übrig, als mit einigen vergebenen Chancen zu hadern und der Erkenntnis, ein gutes Spiel gemacht zu haben. Gegen Bayern München reicht das aber (noch) nicht.
Ausserdem können sie einen Tolisso, Sané und Martinez einwechseln