Spektakel, Tempo und enge Spiele – es ist ein würdiger Playoff-Final, den uns die ZSC Lions und der Lausanne HC bislang bieten. Kein Wunder, treffen doch auch zwei absolute Spitzenteams der Liga aufeinander. Nach drei Heimsiegen in der Serie steht es 2:1 für die Zürcher Löwen.
Lausanne ist also heute Abend gefordert und muss die Serie wieder ausgleichen, um dem Gegner nicht schon Meisterpucks zu bescheren. Wenn die Waadtländer ähnlich auftreten wie in den ersten drei Spielen, ist eine noch lange dauernde Finalserie durchaus realistisch.
Auch die Spiele der Zürcher gegen Biel im Viertelfinal und Zug im Halbfinal waren vom Resultat her teilweise knapp. Aber die Lions waren stets die bessere Mannschaft und hatten meistens alles unter Kontrolle. Lausanne ist nun die erste Mannschaft, die es schafft, den ZSC an seine Grenzen zu bringen. Das sind die Gründe.
Ein grosser Teil der Chancen in einem Eishockeyspiel wird mit sogenannten «Off-the-Rush-Angriffen» kreiert. Heisst: Der Abschluss erfolgt spätestens fünf Sekunden, nachdem die offensive blaue Linie überquert wurde. Will man eine realistische Chance haben, ein Spiel zu gewinnen, sollte man also mehr und bessere Rush-Chancen kreieren, als man selbst zulässt – das Rush-Duell gewinnen.
In ihren acht Spielen im Viertel- und Halbfinal gegen Biel und den EV Zug haben die ZSC Lions das Rush-Duell jedes einzelne Mal gewonnen. Knapp wurde es einzig in Spiel 3 des Viertelfinals gegen Biel und prompt zwangen die Seeländer die Zürcher dort bis in die Verlängerung.
Im Final gegen Lausanne ist das nun anders. In den ersten beiden Partien entschied Lausanne das Rush-Duell relativ klar für sich. In Spiel 1 brachten sie den ZSC so ins Wanken, in Spiel 2 zwangen sie ihn in die Knie. Während Spiel 3 hat sich der Spiess dann gedreht: Es war das beste Spiel der Lions im Final und der bisher schwächste Auftritt der Waadtländer.
Jetzt stellt sich also die Frage: Wie hat es Lausanne geschafft, die Zürcher Rush-Angriffe auszubremsen? Die Antwort ist beileibe nicht revolutionär. Sie sorgten einfach sehr konsequent dafür, dass die Lions nach dem Übertreten der offensiven blauen Linie auf die Aussenbahnen gedrängt wurden, wo weniger Torgefahr herrscht.
Im Idealfall funktioniert das so: Einer der Stürmer von Lausanne macht Druck auf den scheibenführenden Spieler im Spielaufbau der ZSC Lions und drängt diesen auf die Aussenbahnen.
An der blauen Linie übernimmt der Verteidiger und sorgt weiterhin dafür, dass der ZSC-Stürmer (hier Reto Schäppi) ganz der Bande entlang gehen muss und keinen Platz hat. Die anderen Lausanne-Spieler in der Rückwärtsbewegung sorgen dafür, dass die Passoptionen (in blau) blockiert sind. Wenn Schäppi den Pass durch die Mitte versucht, laufen die Zürcher höchstwahrscheinlich in einen brandgefährlichen Konter.
So geht dem ZSC-Stürmer am Ende der Platz aus. Weil die Passlinien immer noch blockiert sind, bleibt Schäppi nichts anders übrig, als den Puck via Bande hinters Tor zu spielen und ihm nachzujagen. Torgefahr kommt so keine auf.
Jetzt stellt sich noch die Frage: Was war in Spiel 3 anders, dass die ZSC Lions plötzlich das Rush-Duell auf die eigene Seite drehen konnten? Auch hier ist die Antwort wenig spektakulär, denn die Änderungen waren minim. Die Zürcher setzten etwas mehr auf lange Pässe, anstatt die Scheibe stets in die Zone zu tragen. Sie wechselten im Spielaufbau teilweise die Seite.
Es gelang aber auch Lausanne etwas weniger gut, den ZSC-Spielern den Platz wegzunehmen. Die Lions hielten körperlich dagegen und manchmal wurden die Waadtländer im Forecheck überlaufen. Und mit auch nur ein paar Zentimetern mehr Platz können Stürmer wie Denis Malgin, Sven Andrighetto, Derek Grant oder Jesper Frödén sofort für Gefahr sorgen.
Hier sehen wir ein Beispiel aus Spiel 3. Der Lausanne-Stürmer ist etwas zu weit weg von ZSC-Verteidiger Christian Marti.
Das gibt Marti die Möglichkeit, mit einem Pass die Seite zu wechseln. Tatsächlich hat der Zürcher drei Optionen, um abzuspielen, am meisten Gefahr bringt aber der Seitenwechsel mit sich.
Denn auf der anderen Seite hat Vinzenz Roher nun viel Platz und drei Optionen: Er kann selbst den direkten Weg aufs Tor wählen (rot), er kann zurücklegen auf Juho Lammikko in der Mitte (blau) oder er kann Nicolas Baechler suchen, der auf der linken Seite aufs Tor zustürmt.
Drei Optionen, aber immer Torgefahr. Und alles nur, weil die Distanz im Forecheck zum Verteidiger nicht ganz stimmte. Das meinen die Spieler wohl, wenn sie in Interviews die Phrase «die kleinen Dinge richtig machen» rauslassen.
Das Schussverhältnis wird gerne als Ansatz genommen, ob der Sieg einer Mannschaft verdient war oder nicht. Besonders aussagekräftig ist das nicht, da eine Mannschaft im Rückstand öfter und verzweifelter den Abschluss sucht, je länger das Spiel dauert. Viel entscheidender ist, aus welchen Positionen die Mannschaften zum Abschluss kommen. Und auch da sind zwischen den ersten beiden Finalpartien und Spiel 3 Unterschiede zu erkennen.
In den ersten zwei Spielen des Finals kam Lausanne viel häufiger aus dem Slot zum Abschluss als die ZSC Lions. Besonders krass war der Unterschied in der Partie vor eigenem Publikum. Das Team von Geoff Ward schoss drei Tore mit Abschlüssen direkt vor Simon Hrubec, während Zürich kaum Abschlüsse im Slot zu verzeichnen hatte. In den bisherigen Serien der Lions gegen Zug und Biel sah das meistens umgekehrt aus.
Der Wind hat aber in Spiel 3 schon wieder gedreht. Am vergangenen Samstag waren es die ZSC Lions, die auf beiden Seiten die Slots kontrollierten. Mit grösserer physischen Intensität schafften es die Zürcher zu verhindern, dass Lausanne gleich häufig direkt vor dem Tor zum Abschluss kam. Gut möglich, dass das heute Abend in Lausanne mit dem Heimpublikum im Rücken schon wieder anders aussieht.
Es gibt natürlich auch noch andere Faktoren, die eine Rolle spielen. Lausannes Powerplay ist gefährlicher, als was Zug und Biel den Lions in den vorherigen Serien vorgesetzt haben. Dazu kommen die sogenannten «weichen Faktoren» wie die Einstellung des Trainers oder die mentale Verfassung und physische Müdigkeit der Spieler.
Die bisherigen drei Finalspiele zwischen den Lions und Lausanne haben aber gezeigt, dass es sehr wenig braucht, damit ein Spiel kippt. Die Chancen stehen gut, dass Lausanne das Momentum heute zuhause wieder auf die eigene Seite zieht. Dann steht uns hoffentlich noch eine lange und genauso spannende Finalserie bevor.
Weiter so!