Die Glasgow Rangers sind ein Klub mit einem Namen und einer Geschichte, aber auch ein Klub mit Problemen. Mit einem – inoffiziellen – Budget von 55 Millionen Euro und einer klassischen Aktionärsstruktur verfügen sie über Mittel, die Servette nicht hat. Der Gesamtmarktwert der Mannschaft wird von Transfermarkt.ch auf rund 124 Millionen Euro geschätzt und ist damit fast fünfmal so hoch wie derjenige von Servette (26 Millionen). Doch nicht alles ist so einfach.
Die Rangers mussten zum Auftakt der Meisterschaft am vergangenen Samstag eine peinliche 0:1-Niederlage gegen das bescheidene Kilmarnock hinnehmen. Vor allem die Neuzugänge der «Light Blues» wirkten in einem Spiel, das wie eine «Einführung in den schottischen Fussball» anmutete, gegen tief stehende Gegner hilflos, so ein Bericht.
Der Verein sagt, er verstehe die Wut der Fans, von denen einige forderten, dass jetzt Köpfe rollen müssten. Die Lokalpresse ist nicht minder nervös und berichtet von einer «miesen Vorbereitung», «einer Reihe von verheerenden Transfers» und einem «ziemlichen Chaos in Kilmarnock», in dem «Michael Beale sein arrogantes Lachen vergangen sei».
Keith Jackson, Rangers-Experte beim «Daily Record», berichtet von «einem leichten Anflug der Panik», die sich langsam in den Herzen der Fans ausbreitet. Das ist natürlich eine Überreaktion, aber Beale musste damit rechnen. Er lebt schon lange genug an diesem Ort, um zu wissen, dass ruhiges und vernünftiges Denken rar ist, umso mehr, wenn viel auf dem Spiel steht. Der Verein verspricht eine Reaktion in der Champions League.
Das Kernteam besteht hauptsächlich aus englischen Spielern, von denen viele in der Premier League als Talente (Todd Cantwell, ehemals Norwich) oder Abenteurer (John Lundstram, ehemals Sheffield, Jack Butland, ehemals Crystal Palace) bekannt waren.
Die Rangers machen es wie alle anderen Ligen abseits der grossen Fussballbühne von Schottland bis zur Schweiz: Sie spekulieren. In diesem Fall wetten sie auf gescheiterte Spieler der Premier League. Ein typisches Beispiel ist der Kauf des 22-jährigen Rechtsaussen Abdallah Sima – für eine einzige Saison. Der senegalesische Nationalspieler, der Brighton gehörte, war in den letzten zwei Spielzeiten immer wieder ausgeliehen worden.
Ein weiterer ungewöhnlicher Neuzugang ist Ianis Hagi, der Sohn des legendären Gheorghe Hagi.
Andere Entscheidungen erscheinen impulsiver oder gar inkonsequent. Aufgrund defensiver Schwäche haben die Rangers Leon Balogun (35) zurückgeholt, den sie im letzten Sommer aus dem Team gedrängt hatten. Vor allem aber haben sie ein kleines Vermögen für drei Mittelstürmer ausgegeben: Danilo (Feyenoord, 6,3 Mio. Euro), Sam Lammers (Atalanta, 3,5 Mio. Euro) und Cyriel Dessers (Cremonese, 5 Mio. Euro). Die beiden Letztgenannten haben ihr Debüt in der Liga völlig verpatzt.
Die Glasgow Rangers entliessen im November letzten Jahres ihren Trainer Giovanni Van Bronckhorst, nachdem sie in der Champions League mit 1:7 gegen Liverpool verloren hatten und im Kampf um den Titel sieben Punkte auf ihren Erzrivalen Celtic einbüssten.
Michael Beale übernahm das Amt. Laut Keith Jackson vom «Daily Record» bleibt der Führungsstil des Managers «unklar». In der Theorie funktioniert alles perfekt. Was Beale zu etablieren versuche, sei ein flinker Angriff mit austauschbaren Positionen, der unberechenbar sei und die gegnerischen Linien aus jedem erdenklichen Winkel durchbrechen kann. Jürgen Klopp nennt dies «Heavy-Metal-Fussball» und das ist die Art von Musik, die Beale von seiner Mannschaft hören will, nachdem er viel Geld ausgegeben hat, um sie nach seiner Vorstellung aufzubauen.
Das Problem: Die Rangers sind vor allem in der Defensive unberechenbar (offenbar schon seit einigen Jahren) und ihre Offensive hat bisher kaum zusammengespielt, viel zu wenig, um guten Heavy Metal zu spielen.
«Was Beale im Moment mehr als alles andere braucht», folgert Jackson, «ist das, was er nicht hat: Ein wenig Zeit und Geduld. Wenn eine Qualifikation für die Champions League die Investitionen dieses Sommers nicht rechtfertigt, wenn das Spiel gegen Servette ein Misserfolg wird, wird das Drama zu einer ausgewachsenen Krise.»
Historisch gesehen vertritt der Verein das Fairplay und verlangt von seinen Spielern dieselben Werte. So liessen die Rangers im schottischen Pokal gegen einen Zweitligisten ihren Gegner nach einem Tor, dem eine unsportliche Handlung vorangegangen war, absichtlich treffen. Zu dieser grossmütigen Geste liessen sie sich nicht etwa beim Stand von 4:0 hinreissen, sondern bei einem 2:1. Der Endstand: 3:2.
«Der Verein wurde auf hohen moralischen Standards gebaut und wir wollen diese Standards beibehalten», erklärte Michael Beale. Die Rangers stehen für die britischen Werte des Kampfes und der Kühnheit.