Lange sah es so aus, als würde Arsenal tatsächlich das kleine Wunder schaffen und in der Premier League Manchester City hinter sich lassen. Das Team, das während der vergangenen Saison unbezwingbar schien, das Triple aus Liga, FA Cup und Champions League gewann und nicht einmal von internationalen Topklubs wie Bayern München oder Real Madrid gefährdet werden konnte. Am Ende brach Arsenal dann aber doch noch ein und musste sich mit dem zweiten Platz zufriedengeben.
Dennoch ist die Leistung der «Gunners» in der letzten Saison kaum hoch genug einzuschätzen. Kaum jemand hätte dem Team, das sich letztmals in der Saison 2015/16 (ebenfalls als Zweiter) für die Champions League qualifizierte, eine solche Leistungsexplosion zugetraut. Dass es am Ende trotz der besten Punkteausbeute seit der Meistersaison 2003/04, als die «Invincibles» ungeschlagen durch Englands Oberhaus pflügten, nicht zum Titel gereicht hat, sorgt aber nicht für Verzweiflung oder Resignation. Vielmehr lernt Arsenal aus dem Scheitern der letzten Saison – und dem Erfolg des Rivalen.
Denn Arsenal geht den Weg, den Manchester City seit der Ankunft von Pep Guardiola im Jahr 2016 vorgegeben hat, unbeirrt weiter. Und dazu gehören grosse Investitionen.
So hat der Klub, der in den letzten beiden Saisons insgesamt rund 360 Millionen Euro für Transfers ausgegeben und nur 55 Millionen Euro eingenommen hat, bereits Kai Havertz als Neuzugang verkündet. Der Deutsche kostete Arsenal 70 Millionen Euro, in den nächsten Tagen dürften mit Declan Rice und Jurrien Timber zwei Spieler folgen, deren Ablösesumme sich auf insgesamt 162 Millionen Euro beläuft. Ausserdem wird Arsenal unter anderem mit Leverkusens Moussa Diaby, dem belgischen Jungstar Romeo Lavia und gar Aurélien Tchouaméni von Real Madrid in Verbindung gebracht.
Dies kann sich Arsenal trotz der hohen Ausgaben und Verlusten in Höhe von 265 Millionen Euro über die vergangenen drei Jahre leisten. Ernsthafte Probleme mit dem Financial Fair Play der UEFA und der Premier League drohen, anders als bei Manchester United oder Chelsea, nicht. Die Erklärung dafür ist gemäss «The Athletic» relativ einfach.
Einerseits bezahlt Arsenal deutlich geringere Gehälter als Teams wie Manchester City, Manchester United oder Chelsea. Andererseits sind die Einnahmen durch die Erfolge in der letzten Saison und die durch die Teilnahme in der Champions League in Aussicht stehenden Prämien deutlich gestiegen. Dazu dürften in diesem Sommer auch Transfereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe kommen, falls neben Granit Xhaka auch Thomas Partey, Kieran Tierney und Folarin Balogun verkauft werden.
Als die UEFA im letzten September 19 Klubs auf eine «Beobachtungsliste» setzte, gehörte Arsenal nicht dazu und auch in diesem Jahr scheint dies unwahrscheinlich. Die Regeln der Premier League dürften ebenfalls eingehalten werden, da diese über drei Jahre gesehen Verluste in Höhe von 123 Millionen Euro erlaubt und Arsenal auch dank der erlaubten Abzüge weit unter der Grenze sei. So sagt Kieran Maguire, Experte für Sportfinanzen an der Universität Liverpool: «Ich sehe keinen wirklichen Grund, weshalb sie sich um das FFP Sorgen machen sollten.» Demnach dürfte Besitzer Stan Kroenke weiterhin Millionen in den Klub pumpen.
Und das wird er wohl auch tun. Denn anders ist die Phalanx von Manchester City mit der Scheichfamilie aus Abu Dhabi im Rücken kaum zu durchbrechen. Doch auch ohne weitere Millionentransfers konnte sich Arsenal bereits deutlich verstärken.
Rice wird Partey ersetzen und die extrem wichtige Position des Sechsers übernehmen, der auch in der Spieleröffnung herausragt. Mit Timber kommt ein weiterer spielstarker Verteidiger, der zudem für zusätzliche Kadertiefe sorgt. Und Havertz hat bereits bewiesen, in der richtigen Rolle über enorme Qualitäten zu verfügen. Anders als bei Chelsea wird der deutsche Nationalspieler kaum mehr als Stürmer aufgestellt werden, sondern vielmehr das Spiel gemeinsam mit Martin Ödegaard aus dem Mittelfeld antreiben.
Is this the deepest an Arsenal squad has ever been??👀 pic.twitter.com/cinNrmjkX4
— 🥤𝑩𝒂𝒏𝒌𝒔 ✪ (@AfcBanks_) July 12, 2023
Arsenal nähert sich den «Citizens», die nur in zwei der letzten sieben Jahre weniger als 150 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben haben, jedoch nicht nur in Sachen Investitionen an. Trainer Mikel Arteta, drei Jahre lang Guardiolas Assistent in Manchester, lässt einen ähnlichen Fussball spielen. Der 41-Jährige setzt auf ähnliche Taktiken wie jene, die er in seiner Zeit unter dem Katalanen gelernt hat: frühes Pressing, schnelle Pässe in Richtung des gegnerischen Tors und Kreativmomente der Mittelfeld- und Offensivspieler. Man könnte fast sagen, dass Arsenal Manchester City in gewisser Weise kopiert.
Mit Oleksandr Sintschenko und Gabriel Jesus verpflichteten die Hauptstädter im letzten Sommer zudem zwei von Guardiolas früheren Lieblingen. Ähnlich wie die «Skyblues» haben sie auch dank Timber mehrere spielstarke Verteidiger im Team, Rice wird ähnliche Aufgaben wie Rodri übernehmen, und Havertz könnte gemeinsam mit Ödegaard zu Arsenals Version von Kevin De Bruyne und Ilkay Gündogan werden.
Arteta aber darauf zu reduzieren, Guardiolas Schützling zu sein, würde ihm nicht gerecht. Auch er ist ein echter Taktikfuchs, der Arsenal in seinen bisher vier Saisons als Coach langsam und trotz zeitweiser Kritik unbeirrt nach seinen Vorstellungen auf- und umgebaut und dem Klub so eine neue Identität verschafft hat. Ebenso darf den Verantwortlichen um Sportdirektor Edu für die Geduld mit Arteta gerade in den ersten beiden Jahren mit zwei achten Plätzen ein Lob ausgesprochen werden.
Ohnehin haben Edu, der wie Arteta 2019 zu Arsenal kam, und Co. einen sehr guten Job gemacht. Nur Manchester City hat einen noch wertvolleren Kader als die «Gunners», die einen Gesamtmarktwert von 1,07 Milliarden Euro haben – und «nur» 669 Millionen Euro dafür bezahlten. Damit konnte nur Bayern den Einkaufswert seines Kaders deutlicher steigern als Arsenal. Dass das Scouting und die Entwicklung der Spieler im Klub hervorragend funktionieren, zeigen Beispiele wie Bukayo Saka, Gabriel Martinelli oder auch Ödegaard, der bei Real Madrid bereits als gescheitert galt.
Gerade deshalb kann der Ansatz, sich am Ligakrösus, der fünf der letzten sechs Meisterschaften holte, zu orientieren, aufgehen. Zumal dieser ebenso logisch wie alternativlos scheint. Guardiola prägt den Klubfussball mit seinen Ideen seit Jahren, in der letzten Saison schien sein Team zuweilen fast perfekten Fussball zu spielen. Ohne grosse Investitionen und ohne gewisse Aspekte vom System des Katalanen zu übernehmen, ist es so gut wie unmöglich, De Bruyne, Haaland und Co. über eine ganze Saison hinter sich zu lassen.
Dass Arsenal in der Hinsicht noch lange nicht am Ziel ist, zeigten vor allem die Direktduelle in Liga und FA Cup, die 0:1, 1:3 und 1:4 verloren gingen. Doch in der nächsten Saison soll Manchester City dank der Kontinuität an der Seitenlinie und den teuren Neuzugängen erneut angegriffen werden. Und auch international wird Arsenal grosse Ambitionen haben, wenn erstmals nach sechseinhalb Jahren wieder die Champions-League-Hymne ertönt.
Entgegenkommen könnte dem 13-fachen englischen Meister dabei auch, dass Manchester City mit Gündogan bereits einen der Leistungsträger der letzten Jahre abgeben musste und in Bernardo Silva sowie Kyle Walker zwei weitere folgen könnten. Dazu kommt, dass Spielmacher De Bruyne bereits 32 Jahre alt ist. Bei Arsenal ist kein Stammspieler älter als 26. Die Zukunft ist also rosig im Londoner Norden.
Arsenal kopiert also eher das frühere selbst und das ohne mit 115(!) Vorwürfen konfrontiert zu sein, welche noch heftige Folgen haben könnten.
Als ob die Gunners so einen Club als Vorbild bräuchten - kein Club braucht das. Eigentlich ist der Artikel einfach nur eine Frechheit.