Sport

Matthias Glarner, der König des Verstandes und der Taktik

Matthias Glarner, rechts, und Armon Orlik, links, im Schlussgang beim Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) Estavayer 2016 in Payerne, am Sonntag, 28. August 2016. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Matthias Glarner (oben) erwischt im Schlussgang gegen Armon Orlik den richtigen Zeitpunkt für seinen Konter.Bild: KEYSTONE

Wie Adrian Käser 1989 – Matthias Glarner «kontert» sich auf den Königsthron

Burgdorf 2013 war das beste Eidgenössische aller Zeiten. Nun reiht sich Estavayer 2016 nach dem dramatischsten Schlussgang seit 1989 sportlich auf Augenhöhe in die Geschichte ein. Und wieder besteigt mit Matthias Glarner ein Berner den Thron.
28.08.2016, 18:3029.08.2016, 07:17
klaus zaugg, estavayer-le-lac
Mehr «Sport»

Der coole, erfahrene Taktiker hat den ungestümen, wilden, zehn Jahre jüngeren Draufgänger in einem wahren Drama besiegt.

Armon Orlik war Favorit – nicht so klar wie Eugen Hasler 1989 in Stans gegen Adrian Käser zwar –, aber von seiner Kampfweise her schien auch er alle Vorteile auf seiner Seite zu haben. Und zudem die Geschichte. Noch nie ist einer in der Neuzeit nach seinem 30. Geburtstag König geworden.

Aber Matthias Glarner hat es geschafft. Er konterte jeden Angriff seines Gegners und es war förmlich zu spüren, dass es genau so kommen musste. Der Nachteil des Offensiv-Schwingers: Seine Angriffe werden von Mal zu Mal ein bisschen weniger explosiv und können immer besser gekontert werden. So hat Adrian Käser 1989 im Schlussgang den dynamischen Angriffsschwinger Geni Hasler ausgekontert.

Adrian Kaeser, above, fights Eugen Hasler, beneath, in the final round of the Swiss Wrestling and Alpine Festival, and wins, which makes him the new wrestling champion, pictured in Stans, in the canto ...
Den entscheidenden Moment abgewartet: Adrian Käser (oben) legt in Stans Geni Hasler auf den Rücken.Bild: KEYSTONE

Taktisch durchaus ähnlich hat nun Matthias Glarner mit einem Gegenschwung einen wuchtigen Kurz-Angriff aufgefangen, seinen Gegner im Kreuz zu fassen bekommen und mit einem Fussstich in der 14. Minute den Wurf zum Sieg vollendet. Die Kampfdauer war auf 16 Minuten angesetzt. Armon Orliks Angriff war zu ungestüm, sichtlich stärker geprägt von Verzweiflung (die Zeit lief davon) als von Zielstrebigkeit.

Das Bernbiet ist königlich

Matthias Glarner ist kein so charismatischer König wie vor ihm Kilian Wenger (2010) und Matthias Sempach (2013) und er hat auch nicht die Popularität von Christian Stucki, dem Schlussgangverlierer von 2013 und König der Herzen. Das kann er von seinem Kampfstil her auch nicht sein. Aber er ist ein grosser, ein verdienter König. Kein König der Emotionen und der Herzen. Er ist ein König des Verstandes, der Taktik, des Selbstvertrauens und der harten Arbeit.

Estavayer 2016 ist auch der grösste Triumph der Berner in der eidgenössischen Geschichte (seit 1895). Gewiss, sie waren im Schlussgang schon mehrmals unter sich. 1969 in Biel (Rudolf Hunsperger gegen Hans Stucki), 1974 in Stans (Rudolf Hunsperger gegen Fritz Uhlmann) und zuletzt 2013 in Burgdorf (Matthias Sempach gegen Christian Stucki).

Aber Estavayer 2016 übertrifft alles. Die Titanen der Berner sind alle gestürzt worden. Kilian Wenger, Matthias Sempach, Christian Stucki und Remo Käser. Und am Ende ist der «Wasserträger», die nominelle Nummer vier oder fünf der Berner, böser, stärker, taktisch schlauer und besser als die Titanen aus der Nordostschweiz, aus der Südwestschweiz, aus der Innerschweiz und aus der Nordwestschweiz.

Es ist eine bittere Niederlage für Armon Orlik. Er hat die Zukunft vor sich. Aber die Geschichte lehrt uns, dass ein Verlierer eines eidgenössischen Schlussganges nie mehr König werden kann.

Matthias Glarner, rechts, und Armon Orlik, links, im Schlussgang beim Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) Estavayer 2016 in Payerne, am Sonntag, 28. August 2016. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Fairer Verlierer: Armon Orlik (Mitte) darf es zugetraut werden, den Schlussgang-Verlierer-Fluch zu brechen.Bild: KEYSTONE

Für die Zuschauer im Bernbiet brechen goldene Zeiten an. Drei Jahre lang, bis zum Eidgenössischen 2019 in Zug, treten Fest für Fest gleich drei Könige an. Kilian Wenger, Matthias Sempach und Matthias Glarner. Wahrlich, das Bernbiet ist königlich.

Alle Schwingerkönige seit 1961

1 / 24
Alle Schwingerkönige seit 1961
2022 in Pratteln: Joel Wicki.
quelle: keystone / peter schneider
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen
Das könnte dich auch noch interessieren:
1 Kommentar
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
1
Real Madrids erster Pott seit drei Jahren geht kaputt, weil Sergio Ramos zu schwach ist
20. April 2011: In der ersten Saison unter Trainer José Mourinho gewinnt Real Madrid dank einem 1:0-Finalsieg gegen Erzrivale Barcelona die Copa del Rey. Der erste Cupsieg seit 18 Jahren wird so ausgiebig gefeiert, dass der Pokal die Nacht nicht heil übersteht.

Der Jubel nach dem Schlusspfiff ist grenzenlos. Verteilt aufs ganze Feld liegen sich die Spieler von Real Madrid auf dem Rasen des Estadio Mestalla von Valencia in den Armen. Dank dem goldenen Tor von Cristiano Ronaldo in der 103. Minute gewinnen die Königlichen den packenden Final der Copa del Rey gegen den FC Barcelona mit 1:0 und feiern im ersten Jahr unter Trainer José Mourinho gleich den ersten Titel.

Zur Story