Um Punkt zwölf Uhr durchdringt der gewaltige Knall von drei Kanonenböller die liebliche Idylle von Oberperfuss. «Wahrscheinlich eine Hochzeit in der Kirche», vermutet Beat Feuz. Der Abfahrts-Olympiasieger wehrt sich zu dieser Zeit neben dem Feuerwehr-Magazin auf dem heimischen Tennisplatz erfolglos gegen seine allererste Niederlage als Jungsenior im österreichischen Pendant zum Interclub.
Letztlich helfen alle taktischen Variationen nicht weiter. Gegen den höchstklassierten Spieler der gesamten Liga «und den wohl besten Gegner, gegen den ich in der Meisterschaft je gespielt habe» bleiben sie wirkungslos. Tennis-Seriensieger Beat Feuz muss für einmal als Verlierer vom Platz.
Für schlechte Stimmung sorgt die Niederlage weder beim 36-Jährigen selbst noch bei dessen Lebenspartnerin Katrin Triendl am Rand des Platzes. Der gesellschaftliche Aspekt des Wettkampfs steht ohnehin im Vordergrund. Und Beat Feuz war nie ein Sportler, der seine Leistungen mit zur Schau gestelltem Ehrgeiz beging.
Die fünfjährige Tochter Clea hat ohnehin andere Pläne mit ihrem Papa. Sie nimmt ihn unmittelbar nach Spielschluss mit dem Wunsch in Beschlag, mit ihr und weiteren Kindern von Tenniskameraden eine Runde Fangis zu spielen.
Zuerst aber muss Beat Feuz für ein gemeinsames Erinnerungsfoto mit seinem Bezwinger posieren. Neben dem riesigen Gratulationsplakat des eigenen Tennisclubs zum Olympiasieg im Vorjahr der einzige Hinweis darauf, dass hier nicht ein x-beliebiger Hobbyspieler am Werk ist.
Die wöchentlichen Tennismatches verbleiben nach dem Abschied von den winterlichen Rennpisten als einziger Wettkampfsport im neuen Leben des weltbesten Abfahrers. Daneben pedalt er mit E-Bike oder Rennvelo über allerlei Pässe. Auch zum Langlauf nach Seefeld fuhr er nach dem Rücktritt von Ende Januar mehrmals. Alles nach Lust und Laune. «Nur einen Kraftraum habe ich seit Kitzbühel nie mehr von innen gesehen», sagt Feuz. «Ich vermisse die Kniebeugen überhaupt nicht.»
Der Schweizer Skiheld geniesst sein neues Leben mit der Familie als Mittelpunkt. Vor drei Jahren zog er mit seiner Partnerin Katrin Triendl in deren Heimatort auf dem malerischen Hochplateau auf der Südseite des Inntals in ein neues Eigenheim. Auch das typisch Feuz: Ein zweckmässiges Einfamilienhaus jenseits von zur Schau gestelltem Luxus oder XXL-Ausführung. Am meisten Raum nimmt der Garten mit dem grosszügigen Kinderspielplatz ein.
Oberperfuss und seine Einwohner erinnern ihn an die Atmosphäre in Schangnau, wo er aufgewachsen und nach wie vor verwurzelt ist. Im Sommer spielt Beat Feuz Gastgeber für ein Emmentaler Fussballteam, das dem Dorfturnier im Tirol seit Jahren seine Aufwartung macht. «Die Spieler verstehen sich jeweils auf Anhieb», sagt der Ausnahme-Skifahrer. Man spricht die gleiche Sprache.
Apropos Sprache. Feuz wechselt teilweise mitten im Satz vom breiten Berner zum feschen Tiroler Akzent. Wie früher auf den Ski improvisiert der 36-Jährige auch hier ab und zu gekonnt.
Er geniesse es derzeit ganz einfach, mehr Zeit zuhause mit der Familie zu verbringen – «und dabei den Fokus nicht immer auf das Programm und die Ziele als Skirennfahrer legen zu müssen», sagt Feuz. Irgendwie sei er zuvor halt schon stets unter einem gewissen Druck gestanden. «Die Belastung, abliefern zu müssen, fällt jetzt weg. Und man erlebt die eigenen Kinder nur einmal. Ich bin glücklich, diese Zeit bewusst und intensiv mitzuerleben», sagt er.
Den Weg von seiner Wahlheimat Oberperfuss in die Schweiz und zurück nimmt er aktuell eher öfters unter die Räder als in einem normalen Sommer während der Karriere. Das ist den verschiedenen Projekten mit seinen langjährigen Sponsoringpartnern geschuldet. Diese müssen nun nicht mehr irgendwie am Trainingsalltag vorbeigeplant werden.
Beat Feuz will bewusst ein wenig Abstand gewinnen und sich Zeit lassen, wie er seinen Berufsalltag in Zukunft zu gestalten gedenkt. Neben seinem Engagement als Teilhaber des E-Bike-Unternehmens e-framer in Thun und für seine Sponsoringpartner sondiert er derzeit in aller Ruhe verschiedene Optionen.
Auch der Schweizer Skiverband hat bereits mit der Idee angeklopft, das grosse Know-how von Feuz gewinnbringend einzusetzen. Schliesslich fuhr er ziemlich genau 20 Jahre unter dessen «Flagge». Vielleicht in einer Beraterfunktion wie sie etwa Landsmann Dario Cologna im Schweizer Langlauf oder der langjährige Konkurrent Matthias Mayer in Österreichs Speedteam künftig ausüben werden. «Trainer werde ich aber definitiv nicht. Bei diesem Aufwand hätte ich ja genau so gut weiterfahren können», sagt Beat Feuz schmunzelnd.
Seinen Rücktritt hat er keine Sekunde lang bereut. Denn neben dem Bedürfnis nach mehr Zeit mit der Familie war da auch eine grosse Belastung, die nun wegfällt. «Ich habe das nie gesagt, weil ich kein Mann der Ausreden sein wollte und es aus meiner Sicht ein Zeichen der Schwäche gewesen wäre. Aber manchmal musste ich wegen meines lädierten Knies weit über die Schmerzgrenzen hinaus gehen.» Auch hier heilt die Zeit im wahrsten Sinne Wunden. (aargauerzeitung.ch)