Verlieren – na und? Seit dem Aufstieg im Frühjahr 2021 sind Auslastung der inzwischen renovierten Arena und Publikumsaufmarsch stetig erhöht worden. Von 76,17 auf 86,36 Prozent und von 3626 auf 4472 Fans pro Spiel. In einem Städtchen (Pruntrut) mit nicht etwas mehr als 7000 und einem Kanton (Jura) mit knapp 80'000 Seelen.
Kein anderer Klub in einer wichtigen Liga der Welt hat so gut gelernt mit Niederlagen zu leben, erfolgreich den Charme der unvermeidlichen Niederlagen zu bewirtschaften und am Ende der Saison immer noch so konkurrenzfähig zu sein, dass der Klassenerhalt gegen den Besten der zweithöchsten Liga verteidigt werden kann. Der HC Ajoie ist die Nationalmannschaft des Juras und profitiert von seiner Ausnahmestellung mit einer exzellenten Vernetzung in der lokalen Wirtschaft und Politik. So ist es gelungen, das Budget seit dem Aufstieg von 7,2 Millionen auf gut 14 Millionen für die neue Saison fast zu verdoppeln.
Das reicht, um die Ausländerpositionen gut bis sehr gut zu besetzen, Aber nach wie vor nicht, um die Mannschaft mit guten Schweizern so zu verstärken, dass es möglich wird, vom letzten Platz wegzukommen. Nach wie vor ist es fast unmöglich, einen Nationalspieler hinter die sieben Juraberge zu locken. Obwohl es doch von dort aus mit der Eisenbahn bis nach Paris weniger als drei Stunden sind.
Auf einer Skala von 1 bis 10 Pucks.
Der Kanadier Greg Ireland hat das Team am 31. Oktober 2024 vom gefeuerten Christian Wohlwend übernommen und sein Vertrag ist bis 2027 verlängert worden. Die Autorität jedes Trainers, auch des besten der Welt, kann nicht mehr als eine bestimmte Anzahl Niederlagen aushalten. Bei keinem anderen Klub der Liga ist diese Anzahl Niederlagen so hoch wie bei Ajoie. Aber auch in Pruntrut gibt es eine Obergrenze, mag einer noch so gut sein. Einmal ist es die Niederlage zu viel.
Es ist nicht die Frage ob, sondern nur wann Greg Ireland gefeuert wird. Wie seit dem Aufstieg seine Vorgänger Gary Sheehan, Filip Pesan und Christian Wohlwend. Aber die nächste Saison kann der kanadische Hockey-Weltreisende mit reicher Erfahrung aus der Farmteamliga AHL, der DEL, Italien und dem chinesischen KHL-Team Kunlun mit dem Segen der Hockey-Götter überstehen. Im Frühjahr 2018 hatte er mit Lugano den Final erreicht und Ajoies Sportdirektor Julien Vauclair war damals einer seiner wichtigsten Verteidiger. Gute Beziehungen bringen erstens Jobs und verlängern zweitens die Amtszeit.
Die letzten Männer haben bei Ajoie viel zu tun. Letzte Saison hat Ajoie am meisten Abschlussversuche (1 713) auf sein Tor zugelassen. Benjamin Conz und Damiano Ciaccio haben sich tapfer gewehrt und die Arbeit geteilt. Eigentlich gibt es keine Nummer 1. Benjamin Conz ist zwar fraglos talentierter, aber Damiano Ciaccio zäher und dann am besten, wenn es wirklich zählt. Er kam während der Qualifikation weniger zum Zuge (8 Spîele weniger als Conz), rettete aber sein Team in den entscheidenden Partien in der Liga-Qualifikation. Die beiden Goalies sind in die Jahre gekommen. Damiano Ciaccio wird im Februar 37 und Benjamin Conz am Ende der Saison 34 sein. Aber beide sind noch rüstig und sie werden so gut sein wie in der vergangenen Saison.
Auch wenn das Ausmass des defensiven Schadens letzte Saison mit 188 Gegentoren nicht mehr so gross war wie im ersten Jahr nach dem Aufstieg (224 Gegentor): Eine Lotter-Verteidigung ist der wichtigste Grund, warum Ajoie nicht vom letzten Platz wegkommt. Mit Niklas Friman hat Ajoie nun den besten Verteidiger seiner Geschichte verpflichtet. Aber der Verteidigungsminister des finnischen Olympia- und Weltmeisterteams von 2022 kann ja nicht 60 Minuten durchspielen. Auch mit ihm reicht nur für eine minime defensive Verbesserung.
Erst einmal (Saison 2023/24) hatte Ajoie nicht die schwächste Offensive der Liga. Kloten erzielte damals noch drei Treffer weniger. Letzte Saison war der Sturm der Jurassier trotz hochkarätiger ausländischer Besetzung (Julius Nättinen zweitbester Liga-Skorer) erneut ein laues Lüftchen und der schwächste der Liga. Daran wird sich in der neuen Saison nichts ändern.
Die Ausländer dürften zwar mehr als 60 Tore beisteuern. Aber die Schweizer sind halt nur offensives Hilfspersonal. Letzte Saison kam keiner über 9 Tore hinaus und auch das dürfte so bleiben. Eigentlich ist Ajoies Sturm eine Operetten-Offensive im Niemandsland zwischen Nostalgie und Gegenwart: die drei Ausländer sind längst in die Jahre gekommen: Pierre-Edouard Bellmare ist 40, Philip-Michaël Devos 35 und Jonathan Hazen 35. Der neue offensive helvetische Schillerfalter Kilian Mottet (kommt aus einem laufenden Vertrag mit Gottéron ist ebenfalls ein Graubart. Pure offensive Nostalgie. Das reicht nach wie vor für gute Unterhaltung und um an einem guten Abend jede Verteidigung zu knacken. Aber diese guten Abende und diese Verteidigungen werden weiterhin rar sein.
Seit der Speisung der 5000 aus nur einem Korb und Weinschlauch durch Jesus hat niemand mehr aus so wenig so viel gemacht wie Ajoie unter Präsident Patrick Hauert, der auf eine schon fast biblische Amtsdauer (er führt seit 1999 den Vorsitz) zurückblicken kann und einst Ajoie überschuldet in der höchsten Amateurliga (1. Liga) übernommen hat. Auch wenn es seit dem Wiederaufstieg in die National League noch nie zu mehr als zum letzten Platz gereicht hat: In Pruntrut am Saum der Schweiz ein Team in die höchste Liga zu bringen und dort zu halten und zu finanzieren, das Budget in vier Jahren fast zu verdoppeln und einen sportlich eigentlich chancenlosen Aussenseiter zu einem allseits geschätzter Farbtupfer der Liga zu machen ist eine Meisterleistung, die nur mit der Maximalnote honoriert werden kann.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
War es je so schwierig Mannschaften einzuschätzen wie vor der Saison 2025/26? Nein, wahrscheinlich nicht. Wir wissen zwar aus Erfahrung, dass es mindestens eine Überraschungs-Mannschaft und einen strauchelnden Titanen geben wird. Aber wer wird positiv überraschen? Langnau? Ambri? Ajoie? Und wer gerät in den Strudel einer Krise? Erneut der Servette? Aber vielleicht helfen ja unsere Noten bei der Einschätzung.
Statistiken sagen viel. Aber alle haben sie. Gibt es mehr als nur diese allgemein zugänglichen Zahlen? Ja. Eine Bewertung jedes einzelnen Spielers. Deshalb benoten wir jedes unsere Helden des rutschigen, eisigen Spielfeldes. Wir polemisieren damit sozusagen nach Noten. Aber leicht machen wir uns die Sache nicht. Unsere Noten basieren bei weitem nicht nur auf unserem unzulänglichen Urteilsvermögen. Wir folgen auch den Einschätzungen der wahren Kenner, der Trainer, Sportchefs, NHL-Scouts. Und ein Problem können wir nicht lösen: alle Beurteilungen basieren auf den Leistungen in der Vergangenheit. Was einer in Zukunft leisten wird, bleibt reine Spekulation.
Wenn wir wissen wollen, wie gut eine Mannschaft ist bzw. sein wird, können wir einfach den Noten-Durchschnitt ausrechnen. Oder? Aber so einfach ist es leider nicht. Ob aus hochkarätigen Spielern mit hohen Noten tatsächlich eine starke Mannschaft wird, ist nämlich höchst ungewiss. Es ist keineswegs sicher, dass eine Mannschaft tatsächlich so gut spielt, wie sie es aufgrund der Bewertung der einzelnen Spieler eigentlich müsste. Das zeigt auch, welche Gestaltungskraft gute Trainer haben. Sie können mehr aus einem Team herausholen, als unsere Noten vermuten lassen. Unsere Noten sagen letztlich noch nichts über die Mannschaft. Wer sich bei den Prognosen trotzdem auf diese Noten verlässt, ist selbst schuld.
Ach, wenn nur alle Prognosen so einfach wären wie diese: Wie jede Saison seit dem Wiederaufstieg wartet der letzte Platz. Na und? Lieber glücklich und zufrieden auf dem letzten als unzufrieden und unglücklich auf dem zweitletzten Rang. Oder?