Die neue NHL-Saison beginnt erst in rund drei Wochen. Und trotzdem hat bereits ein erster Trainer seinen Job verloren. Mike Babcock ist als Coach der Columbus Blue Jackets zurückgetreten. Die Geschichte dahinter ist kurios.
Mike Babcock resigns as Head Coach of the Columbus Blue Jackets; club names Pascal Vincent Head Coach
— Columbus Blue Jackets (@BlueJacketsNHL) September 17, 2023
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Mike Babcock wurde vor einigen Wochen als neuer Trainer der Columbus Blue Jackets vorgestellt. Eine kontroverse Wahl, einerseits wegen der Vorgeschichte des Kanadiers (mehr dazu unter Punkt 3), andererseits auch, weil er seit 2019 keinen Job mehr hatte und in den Jahren zuvor kaum Erfolge feiern konnte.
Der 60-Jährige trat also seine Stelle beim Team aus Ohio an. Und als Teambuilding hatte Babcock sich offenbar etwas Spezielles ausgedacht: Die Spieler sollten im Plenum private Fotos von ihrem Mobiltelefon zeigen. Das enthüllte der Podcast «Spittin Chiclets», nachdem sich Spieler beim ehemaligen NHL-Akteur und «Chiclets»-Host Paul Bissonette gemeldet hatten.
Mike Babcock has allegedly been asking various Blue Jackets to see their phones then AirPlaying their photos on his office TV.
— Spittin' Chiclets (@spittinchiclets) September 12, 2023
📺: https://t.co/sFJxtm8Pp2 pic.twitter.com/zsiql2uJ5x
Die Blue Jackets reagierten sofort und kündigten an, dass der Bericht von «Spittin Chiclets» nicht der Wahrheit entspreche. Die Spieler hätten Babcock zwar einzelne Familienfotos gezeigt, doch niemand habe damit ein Problem gehabt. Auch die Team-Routiniers Johnny Gaudreau und Boone Jenner verkündeten öffentlich, es sei eine harmlose, teambildende Aktion gewesen und keine Verletzung der Privatsphäre. Es entbrannte eine öffentliche Schlammschlacht zwischen den «Chiclets»-Jungs und den Blue Jackets und ihren Fans.
If you think the @spittinchiclets podcast rolls out that story without confirming it with a member of the team you need a brain transplant. Bizarre behaviour from a guy that’s done it before and gotten canned for stuff exactly like this. This was the text I got to start it all… pic.twitter.com/aeUOwW6UYU
— Paul Bissonnette (@BizNasty2point0) September 12, 2023
Doch nun geriet der Stein ins Rollen. Anonym meldeten sich einige, insbesondere jüngere, Spieler bei der Spielergewerkschaft NHLPA, dass sie Babcocks Aktion überhaupt nicht in Ordnung fanden. Die NHLPA schickte Marty Walsh und seinen Stellvertreter Ron Hainsey nach Columbus für eine Ermittlung der Vorwürfe.
Und dort kam einerseits heraus, dass es eben tatsächlich Spieler gab, die sich von Babcocks Aktionen gestört fühlten. Und andererseits, dass es sich zumindest bei einigen Spielern um mehr handelte als nur simples Zeigen von Familienbildern. Diverse nordamerikanische Medien berichten übereinstimmend, dass mindestens in einem Fall «mehrere Minuten durch ein Telefon gescrollt» wurde. Am späten Sonntagabend wurde bekannt, dass Babcock und die Blue Jackets das Arbeitsverhältnis beendet haben.
Grundsätzlich wäre es kein Problem, unter Arbeitskollegen private Bilder zu zeigen. Das findet auch in unserem Alltag wohl immer wieder statt. Als Problem wird das grosse Abhängigkeitsverhältnis zwischen NHL-Trainer und gerade auch den jüngeren Spielern betrachtet. Ein Routinier mit Stammplatzgarantie kann bei solchen Aktionen wohl ohne grössere Probleme sagen, dass ihn das stört und er seine Bilder nicht teilen will. Doch bei jüngeren Spielern, die bezüglich der Einsatzzeit auf das Wohlwollen des Trainers angewiesen sind, könnte eine Verweigerung schwerwiegende Folgen für die Zukunft der Karriere haben.
Das betrifft das simple Zeigen von Familienbildern. Minutenlanges Stöbern in einem fremden Telefon kann hingegen schon als grössere Verletzung der Privatsphäre interpretiert werden. Das Ganze wird von der Vorgeschichte Mike Babcokcs noch verschlimmert.
Als Babcock im November 2019 bei Toronto entlassen wurde, kamen einige Geschichten ans Licht. Demnach soll der Kanadier ein grosser Fan von Psychospielchen und mentaler Kriegsführung gewesen sein. In Toronto liess er Rookie Mitch Marner – damals noch ein Teenager – eine Liste zusammenstellen mit den Spielern im Team, die am härtesten arbeiten, und jenen, die am wenigsten hart arbeiten. Als Marner Babcock die Liste gab, leitete er sie an die anderen Mitspieler weiter. Marner wurde vor dem ganzen Team blossgestellt und soll sogar in Tränen ausgebrochen sein.
FOLKS!!!…Let me tweet this loud and clear……
— Mike Commodore (@commie22) September 17, 2023
HEY MIKE BABCOCK YOU ARROGANT PIECE OF SHIT…YOU HAVE BEEN A PREDATOR YOUR ENTIRE CAREER…TODAY IT FINALLY CAUGHT UP TO YOU…#PACKYOURSHIT AND GO HOME FOREVER..YOU ARE OFFICIALLY TOXIC.
Noch deutlicher wurden Johan Franzén und Mike Commodore, die in Detroit unter dem Trainer gespielt haben. Commodre bezeichnet Babcock als «Stück Scheisse», Franzén sagt sogar: «Er ist der schlechteste Mensch, dem ich je begegnet bin.» Der Schwede berichtete von verbalen Attacken, die ihn bis in einen mentalen Zusammenbruch trieben. Und das sei nur die Spitze des Eisbergs gewesen. Er habe erst nach dem Ende seiner eigenen Karriere wieder normal schlafen können, erzählte Franzén.
Offiziell wurde Mike Babcock in Columbus nicht entlassen, er gab seinen Rücktritt bekannt. Nach reiflicher Überlegung sei klar geworden, dass eine Fortsetzung seiner Tätigkeit als Cheftrainer der Columbus Blue Jackets eine zu grosse Ablenkung wäre für die Mannschaft, schrieb der 60-Jährige in einem Statement. Eine Entschuldigung gab es seitens Babcock nicht.
Marty Walsh, der Direktor der Spielergewerkschaft, betonte: «Unsere Spieler verdienen es, am Arbeitsplatz mit Respekt behandelt zu werden. Leider war das in Columbus nicht der Fall.» Die Entscheidung des Klubs, mit einem neuen Cheftrainer weiterzumachen, sei der richtige Weg.
NHLPA's Marty Walsh on the resignation of Mike Babcock:
— Greg Wyshynski (@wyshynski) September 17, 2023
“Our players deserve to be treated with respect in the workplace. Unfortunately, that was not the case in Columbus. The club's decision to move forward with a new head coach is the appropriate course of action." #NHL pic.twitter.com/N0tAyILDyi
Eingestellt wurde Babcock damals von General Manager Jarmo Kekkäläinen, der nun auch wieder die Trennung von seinem Wunschtrainer kommunizieren musste. «Diese Entscheidung ist uns allen schwergefallen, aber wir hielten sie für notwendig, um sicherzustellen, dass wir uns weiterhin auf die Spieler und die kommende Saison konzentrieren können», sagte der Finne.
Mike Babcock wird vermutlich keinen Job als NHL-Trainer mehr erhalten. Derweil haben die Columbus Blue Jackets bereits einen neuen Trainer am Start. Pascal Vincent, bisher Assistent und schon zwei Jahre in der Organisation, übernimmt die Geschicke an der Bande.
Ein Fragezeichen steht auch noch hinter der Zukunft von General Manager Kekkäläinen. Er war es, der auf die Anstellung Babcocks pochte, trotz seiner Vorgeschichte. Dieses Experiment ist nun gründlich missglückt und der Finne wird sich mit unangenehmen Fragen von Teampräsident John Davidson konfrontiert sehen.
haben.
Die Skandale warten ja alle schon bekannt.