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Mike Babcock: NHL-Trainer verliert Job noch vor 1. Spiel der Saison

NHL, Eishockey Herren, USA Columbus Blue Jackets announce Mike Babcock as Head Coach Jul 1, 2023 Columbus, OH, USA Columbus Blue Jackets introduce Mike Babcock as their new head coach during a press c ...
Nicht mehr Trainer in Columbus: Mike Babcock.Bild: IMAGO/USA TODAY Network

Dieser NHL-Trainer hat noch vor dem ersten Training seinen Job verloren

Noch kein Spiel gecoacht, kein Training geleitet: Trotzdem musste Mike Babcock bei den Columbus Blue Jackets schon gehen. Das sind die Gründe.
18.09.2023, 15:0818.09.2023, 15:49
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Die neue NHL-Saison beginnt erst in rund drei Wochen. Und trotzdem hat bereits ein erster Trainer seinen Job verloren. Mike Babcock ist als Coach der Columbus Blue Jackets zurückgetreten. Die Geschichte dahinter ist kurios.

Was ist passiert?

Mike Babcock wurde vor einigen Wochen als neuer Trainer der Columbus Blue Jackets vorgestellt. Eine kontroverse Wahl, einerseits wegen der Vorgeschichte des Kanadiers (mehr dazu unter Punkt 3), andererseits auch, weil er seit 2019 keinen Job mehr hatte und in den Jahren zuvor kaum Erfolge feiern konnte.

Der 60-Jährige trat also seine Stelle beim Team aus Ohio an. Und als Teambuilding hatte Babcock sich offenbar etwas Spezielles ausgedacht: Die Spieler sollten im Plenum private Fotos von ihrem Mobiltelefon zeigen. Das enthüllte der Podcast «Spittin Chiclets», nachdem sich Spieler beim ehemaligen NHL-Akteur und «Chiclets»-Host Paul Bissonette gemeldet hatten.

Die Blue Jackets reagierten sofort und kündigten an, dass der Bericht von «Spittin Chiclets» nicht der Wahrheit entspreche. Die Spieler hätten Babcock zwar einzelne Familienfotos gezeigt, doch niemand habe damit ein Problem gehabt. Auch die Team-Routiniers Johnny Gaudreau und Boone Jenner verkündeten öffentlich, es sei eine harmlose, teambildende Aktion gewesen und keine Verletzung der Privatsphäre. Es entbrannte eine öffentliche Schlammschlacht zwischen den «Chiclets»-Jungs und den Blue Jackets und ihren Fans.

Doch nun geriet der Stein ins Rollen. Anonym meldeten sich einige, insbesondere jüngere, Spieler bei der Spielergewerkschaft NHLPA, dass sie Babcocks Aktion überhaupt nicht in Ordnung fanden. Die NHLPA schickte Marty Walsh und seinen Stellvertreter Ron Hainsey nach Columbus für eine Ermittlung der Vorwürfe.

Und dort kam einerseits heraus, dass es eben tatsächlich Spieler gab, die sich von Babcocks Aktionen gestört fühlten. Und andererseits, dass es sich zumindest bei einigen Spielern um mehr handelte als nur simples Zeigen von Familienbildern. Diverse nordamerikanische Medien berichten übereinstimmend, dass mindestens in einem Fall «mehrere Minuten durch ein Telefon gescrollt» wurde. Am späten Sonntagabend wurde bekannt, dass Babcock und die Blue Jackets das Arbeitsverhältnis beendet haben.

Warum ist das problematisch?

Grundsätzlich wäre es kein Problem, unter Arbeitskollegen private Bilder zu zeigen. Das findet auch in unserem Alltag wohl immer wieder statt. Als Problem wird das grosse Abhängigkeitsverhältnis zwischen NHL-Trainer und gerade auch den jüngeren Spielern betrachtet. Ein Routinier mit Stammplatzgarantie kann bei solchen Aktionen wohl ohne grössere Probleme sagen, dass ihn das stört und er seine Bilder nicht teilen will. Doch bei jüngeren Spielern, die bezüglich der Einsatzzeit auf das Wohlwollen des Trainers angewiesen sind, könnte eine Verweigerung schwerwiegende Folgen für die Zukunft der Karriere haben.

Das betrifft das simple Zeigen von Familienbildern. Minutenlanges Stöbern in einem fremden Telefon kann hingegen schon als grössere Verletzung der Privatsphäre interpretiert werden. Das Ganze wird von der Vorgeschichte Mike Babcokcs noch verschlimmert.

Was ist Babcocks Vorgeschichte?

Als Babcock im November 2019 bei Toronto entlassen wurde, kamen einige Geschichten ans Licht. Demnach soll der Kanadier ein grosser Fan von Psychospielchen und mentaler Kriegsführung gewesen sein. In Toronto liess er Rookie Mitch Marner – damals noch ein Teenager – eine Liste zusammenstellen mit den Spielern im Team, die am härtesten arbeiten, und jenen, die am wenigsten hart arbeiten. Als Marner Babcock die Liste gab, leitete er sie an die anderen Mitspieler weiter. Marner wurde vor dem ganzen Team blossgestellt und soll sogar in Tränen ausgebrochen sein.

Noch deutlicher wurden Johan Franzén und Mike Commodore, die in Detroit unter dem Trainer gespielt haben. Commodre bezeichnet Babcock als «Stück Scheisse», Franzén sagt sogar: «Er ist der schlechteste Mensch, dem ich je begegnet bin.» Der Schwede berichtete von verbalen Attacken, die ihn bis in einen mentalen Zusammenbruch trieben. Und das sei nur die Spitze des Eisbergs gewesen. Er habe erst nach dem Ende seiner eigenen Karriere wieder normal schlafen können, erzählte Franzén.

Was sagen die Beteiligten?

Offiziell wurde Mike Babcock in Columbus nicht entlassen, er gab seinen Rücktritt bekannt. Nach reiflicher Überlegung sei klar geworden, dass eine Fortsetzung seiner Tätigkeit als Cheftrainer der Columbus Blue Jackets eine zu grosse Ablenkung wäre für die Mannschaft, schrieb der 60-Jährige in einem Statement. Eine Entschuldigung gab es seitens Babcock nicht.

Marty Walsh, der Direktor der Spielergewerkschaft, betonte: «Unsere Spieler verdienen es, am Arbeitsplatz mit Respekt behandelt zu werden. Leider war das in Columbus nicht der Fall.» Die Entscheidung des Klubs, mit einem neuen Cheftrainer weiterzumachen, sei der richtige Weg.

Eingestellt wurde Babcock damals von General Manager Jarmo Kekkäläinen, der nun auch wieder die Trennung von seinem Wunschtrainer kommunizieren musste. «Diese Entscheidung ist uns allen schwergefallen, aber wir hielten sie für notwendig, um sicherzustellen, dass wir uns weiterhin auf die Spieler und die kommende Saison konzentrieren können», sagte der Finne.

Wie geht es jetzt weiter?

Mike Babcock wird vermutlich keinen Job als NHL-Trainer mehr erhalten. Derweil haben die Columbus Blue Jackets bereits einen neuen Trainer am Start. Pascal Vincent, bisher Assistent und schon zwei Jahre in der Organisation, übernimmt die Geschicke an der Bande.

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Die Zukunft von Jarmo Kekkäläinen ist ebenfalls unsicher.Bild: IMAGO/USA TODAY Network

Ein Fragezeichen steht auch noch hinter der Zukunft von General Manager Kekkäläinen. Er war es, der auf die Anstellung Babcocks pochte, trotz seiner Vorgeschichte. Dieses Experiment ist nun gründlich missglückt und der Finne wird sich mit unangenehmen Fragen von Teampräsident John Davidson konfrontiert sehen.

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hundshalter Leno
18.09.2023 15:47registriert September 2023
Der Typ geht gar nicht. Einen etwas härteren Führungsstil kann im Sport durchaus Vorteile haben. Aber der Typ ist eine menschliche Pfeiffe und täte gut daran, möglichst wenig mit Menschen zu tun zu
haben.
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maylander
18.09.2023 16:13registriert September 2018
Wieso zur Hölle wurde der überhaupt eingestellt?
Die Skandale warten ja alle schon bekannt.
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ELMatador
18.09.2023 16:28registriert Februar 2020
Seine Psycho- und Machtspiele sind unlängst bekannt. Das beliebige Scratchen von gesunden Spielern vor einem Spiel (wie Mike Modano vor seinem 1500 Spiel, ging mit 1499 in Rente) oder das blossstellen von einzelnen Spielern vor der Mannschaft waren nie Einzelfälle.
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