Wer den Schaden hat, braucht für den Spott eigentlich nicht zu sorgen. Doch selbst gegnerische Teams decken das NHL-Team der San Jose Sharks und deren Fans weniger mit Spott, sondern viel eher mit Mitleid ein. Es läuft bereits der zweite Monat der NHL-Saison, und die Kalifornier stehen nach zehn Spielen noch ohne Sieg da. Alleine die drei Brüder Quinn, Jack und Luke Hughes haben in der laufenden Saison mehr Skorerpunkte gesammelt (43) als die gesamte Mannschaft von San Jose (27).
let's not.
— San Jose Sharks (@SanJoseSharks) November 3, 2023
In der Nacht auf heute gab es den nächsten Tiefpunkt. Im eigenen Stadion wurden die Sharks von den Vancouver Canucks gleich mit 1:10 abgeschossen. Damit haben die Kanadier in einem Spiel so viele Tore geschossen, wie San Jose bisher in der gesamten Saison. Da bleibt Team-intern nur noch Galgenhumor. Als der kanadische TV-Sender beim Stand von 8:0 schreibt: «Lasst uns doch mal schauen, wie es bei den Canucks und Sharks so steht», antwortet San Jose: «Lieber nicht.»
— hockey images that precede unfortunate events (@UnfortunateHKY) November 3, 2023
Das SAP Center in San Jose, das eigentlich über 17'000 Zuschauern Platz bietet, ist gähnend leer. Ein kleiner Junge mit leerem Blick und einem Schild, auf dem steht, «heute ist mein Geburtstag. Mein erstes Sharks-Spiel», ist einer der wenigen, der ganz bis zum (bitteren) Ende durchhält.
Apropos durchhalten: Machen die San Jose Sharks mit der aktuellen «Pace» die gesamte Saison weiter, dann schreiben sie NHL-Geschichte mit der schlechtesten Saison aller bisherigen Zeiten. Den Rekord halten aktuell die Washington Capitals mit acht Siegen, 67 Niederlagen, fünf Unentschieden und 21 Punkten in 80 Spielen. Diese Saison 1974/75 war die erste überhaupt für das damalige Expansion-Team der «Caps», die durchschnittlich 5,58 Gegentore pro Spiel kassierten.
San Jose erhält derzeit immerhin «nur» 4,5 Gegentore pro Spiel. Doch die Punkteausbeute ist historisch schlecht, sind die Sharks doch auf Kurs für acht Zähler Ende Saison. Die zweitschlechteste Saison in den NHL-Büchern geht übrigens auf das Konto der Kalifornier (24 Punkte aus 84 Spielen bei 414 Gegentoren). Natürlich wird irgendwann der erste Sieg kommen. Doch die Mannschaft ist dabei, die klar schlechteste NHL-Saison seit der Jahrtausendwende zu spielen.
Die Probleme in Kalifornien sind hausgemacht. Über ein Jahrzehnt versuchten die Sharks endlich ihren Titel zu holen. 2016 verloren sie im Stanley-Cup-Final gegen Pittsburgh. 2019 scheiterten sie im Conference-Final an die St. Louis Blues, die daraufhin den Cup gewannen.
Diese ewigen Versuche, nach dem Stanley-Cup zu greifen, haben die Mannschaft aus San Jose ausgehöhlt. Draft-Picks und Talente wurden für gestandene Spieler verscherbelt, die bei der Mission helfen sollten. Gleichzeitig wurde viel Geld für eigene und auf dem Transfermarkt verfügbare Stars ausgegeben. So kassiert der 36-jährige Verteidiger Marc-Édouard Vlasic noch bis 2026 sieben Millionen Dollar pro Jahr. Tomas Hertls Vertrag (29 Jahre, 8,1 Mio. pro Saison) läuft noch bis 2030. Und Captain Logan Couture (34 Jahre, 8 Mio. pro Saison) ist noch bis 2027 gebunden.
Weil die alternden Stars jedoch ihre Leistungen nicht mehr brachten und auch keine jungen Talente nachkamen, verpassten die Sharks trotz Spielern wie Erik Karlsson oder Timo Meier die letzten vier Jahre stets die Playoffs. Erst da getraute sich der neue General Manager Mike Grier den Neuaufbau auszurufen.
Meier wurde letzte Saison zu den New Jersey Devils getradet. Erik Karlsson verliess diesen Sommer den Klub in Richtung Pittsburgh. Weil die Sharks in den Drafts von 2020 und 2022 keinen eigenen Erstrunden-Pick besassen, kann GM Grier von den schlechten Resultaten der letzten Jahre noch kaum profitieren. Das Farm-System von San Jose war zu stark ausgebeutet.
Im Sturm hoffen die Sharks auf William Eklund (#7-Draft von 2021) und William Smith (#4-Draft von 2023) – die zwei grössten Talente in den eigenen Reihen. Auch Quentin Musty (#26-Draft von 2023) hat viel Potenzial. Und in diesem Jahr winkt mit Macklin Celebrini der «Hauptpreis» im Draft. Der 17-jährige Stürmer hat in sechs Spielen für die Boston University schon acht Tore und drei Assists gesammelt.
Aktuell freut sich GM Grier natürlich über jeden talentierten Nachwuchsspieler, dessen Dienste sie sich sichern können. Doch der Blick auf das Farm-System zeigt auch, dass in der Verteidigung noch ein grosses Loch besteht, das zuerst gefüllt werden muss. Bis die San Jose Sharks also nur schon wieder um die Playoff-Qualifikation mitspielen, könnte es noch einige Jahre dauern.