Die Ottawa Senators sind vieles, aber nie langweilig. Rund um das NHL-Team aus der kanadischen Hauptstadt gibt es immer wieder Schlagzeilen und meist sind sie von der negativen Sorte. In den letzten Wochen spitzte sich das wieder zu – aber die Ursache der aktuellen Probleme ist schon älter. Eine Aufarbeitung.
Am 28. März 2022 starb Eugene Melnyk. Der kanadische Pharma-Unternehmer war seit 2003 Besitzer der Ottawa Senators und erlag einer nicht spezifizierten Krankheit. Schon unter Melnyk lief bei den Ottawa Senators längst nicht alles rund. Lange weigerte er sich, seine Stars gut zu entlöhnen, weshalb die «Sens» Spieler wie Erik Karlsson verloren. Und er schaffte es nicht, die schwierige Stadion-Situation in Ottawa – die Arena der Senators ist rund 25 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt – zu lösen.
Melnyks Tod war gleichbedeutend mit dem Beginn einer neuen Ära für die Senators. Der Teambesitz ging an seine beiden Töchter Anna und Olivia über, doch relativ rasch wurde klar, dass sie an einem Mehrheitsbesitz nicht interessiert waren und nach einem Käufer suchten. Die Suche nach einem Käufer gestaltete sich allerdings kompliziert. Angebote gab es, doch die NHL tat sich schwer, deren Glaubwürdigkeit zu prüfen. Erst im Sommer 2023 wurde Michael Andlauer – ebenfalls ein kanadischer Gesundheitsunternehmer – als neuer Besitzer der Senators vorgestellt. Der 57-Jährige kaufte das Team für 950 Millionen Dollar. Seine Amtszeit begann allerdings alles andere als ruhig.
Dieser Punkt begann eigentlich im Juli 2021. Damals tradeten die Senators Stürmer Yevgeni Dadonov zu den Vegas Golden Knights im Austausch für Nick Holden und einen Draft-Pick. Zu diesem Zeitpunkt war dieses Tauschgeschäft allerdings kaum der Rede wert. Das änderte sich im Frühling 2022, als die Golden Knights versuchten, Dadonov wieder loszuwerden. Das Team aus Vegas wollte den Stürmer an die Anaheim Ducks abgeben, um Platz unter dem Salary Cap zu schaffen, sodass sie Spieler, die von Verletzungen zurückkehrten, wieder einsetzen konnten.
Doch dann schaltete sich die NHL ein und annullierte den Trade, über den sich die beiden Mannschaften bereits einig waren. Der Grund: Dadonov hatte eine No-Trade-Klausel mit zehn Teams, zu denen er nicht geschickt werden durfte. Und Anaheim war eines davon.
Die NHL-Welt lachte sofort über Vegas. Man war sich sicher, dass im Management-Team der goldenen Ritter ein grober Schnitzer passiert war, zumal sie sich zuvor den Ruf erarbeitet hatten, Spieler nicht immer sonderlich fair zu behandeln. Auch watson titelte: NHL-Team aus Vegas blamiert sich bis auf die Knochen – und steht jetzt vor einem Problem.
Was da noch nicht bekannt war: Der Fehler lag nicht bei den Vegas Golden Knights, sondern beim Management-Team der Ottawa Senators. Dieses – zu diesem Zeitpunkt praktisch nur aus General Manager Pierre Dorion bestehend – hatte Vegas beim ursprünglichen Dadonov-Trade nicht über die No-Trade-Klausel informiert. Die NHL leitete eine Untersuchung ein, deren Resultat gestern bekannt gemacht wurde.
Die Liga befand die Senators dem Zurückhalten von Informationen schuldig. Als Strafe muss das Team aus Ottawa einen Erstrunden-Draftpick abgeben – entweder dieses Jahr oder in den zwei Jahren darauf.
The NHL announced the Senators will forfeit a first-round draft pick for their role in the July 2021 trade of Player Evgenii Dadonov from the Senators to the Golden Knights and the subsequent, invalidated March 2022 Dadonov trade between theKnights and the Anaheim #Sens
— Bruce Garrioch (@SunGarrioch) November 1, 2023
In diesem Sommer übernahm also Michael Andlauer als neuer Besitzer die Ottawa Senators. Doch der Kaufprozess erwies sich als komplizierter als gedacht. Statt bereits mitten im Sommer wurde der Verkauf von der Familie Melnyk erst wenige Wochen vor dem Saisonstart vollzogen. Andlauer installierte kurz darauf Steve Staios als neuen «President of Hockey Operations», womit auch klar schien, dass die Tage von Pierre Dorion als General Manager des Teams gezählt sind.
Denn Dorion hatte sich selbst einen schwierigen Sommer eingebrockt. Er musste Alex DeBrincat verscherbeln, der nicht mehr länger in Ottawa bleiben wollte. Und aufgrund der Verpflichtung von Vladimir Tarasenko (1 Jahr, 5 Millionen US-Dollar) blieb den Senators nicht mehr genug Geld, um dem jungen, aufstrebenden Stürmer Shane Pinto ebenfalls einen Vertrag zu geben.
Es kam an die Öffentlichkeit, dass Dorion gerne Mathieu Joseph weggetradet hätte, um Pinto zu verpflichten. Doch Flügelstürmer Joseph zeigte im Trainingscamp und auch in den ersten Saisonspielen gute Leistungen. Und auch seitens Pinto kam etwas dazwischen (siehe 4. Akt).
Ende Oktober verkündete die NHL, dass Shane Pinto wegen eines Wett-Vergehens für 41 Spiele gesperrt wird. Diese Sperre gilt rückwirkend ab dem ersten Saisonspiel der Senators, auch wenn Pinto derzeit gar keinen Vertrag hat. Demnach dürfte der Stürmer erst ab dem 21. Januar wieder einen Kontrakt unterzeichnen und dann auch spielen.
The NHL announced today that it has suspended Shane Pinto for 41 games for activities relating to sports wagering. https://t.co/AvOhmVCVOc pic.twitter.com/3jI32Wu4T2
— NHL Public Relations (@PR_NHL) October 26, 2023
Aber was ist überhaupt passiert? Das einzige explizite Verbot, das für NHL-Spieler existiert, sind Wetten auf Spiele der eigenen Liga. Und gegen dieses hat Pinto gemäss der NHL nicht verstossen. Stattdessen soll er Drittpersonen Zugang zu seinem Wett-Account verschafft haben, was in Kanada ganz grundsätzlich illegal ist.
Nach einer Untersuchung der Liga haben sich die NHL, Pinto und die Senators ohne Möglichkeit auf Einspruch auf diese Suspendierung für eine halbe Saison geeinigt. Fans und Beobachter beschuldigten die Liga aufgrund dieser Entscheidung derweil der Heuchelei, da die NHL gleich mehrere Wett-Partner hat und deren Produkte konstant bewirbt. Immerhin löste sich so für Ottawa das eigentliche Pinto-Problem. Aktuell können sie den Stürmer sowieso nicht unter Vertrag nehmen und im Januar dürfte die Cap-Situation dann eine Verpflichtung erlauben.
Gerade die letzten Wochen waren für den neuen Senators-Besitzer Michael Andlauer turbulent. Vor rund einer Woche kam das Pinto-Urteil raus. Gestern wurde die Strafe für den verpatzten Dadonov-Trade bekannt. Gleichzeitig verkündeten die Senators, dass man sich mit sofortiger Wirkung von General Manager Pierre Dorion trenne – wohl auch als Reaktion auf das Dadonov-Debakel. Andlauers Mann Steve Staios übernimmt das Amt interimistisch.
Bei der folgenden Pressekonferenz nahm der Senators-Besitzer kein Blatt vor den Mund. Er kritisierte die NHL und hinterfragte, warum er alle diese komplizierten Situationen «geerbt» habe. Der 57-Jährige sei während des Kaufprozesses von der Liga weder über den Fall Dadonov noch die Wett-Untersuchung gegen Shane Pinto korrekt informiert worden. «Vielleicht wollten sie sichergehen, dass die Verkäufer den bestmöglichen Preis erhalten», unkte der Kanadier. Tatsächlich hätten ihm die Verkäufer gesagt, dass die Dadonov-Situation «kein Problem» sei.
#Sens owner Michael Andlauer says #NHL did not advise him of either investigation - botched Dadonov "no-trade" clause or Pinto sports betting incident - before he closed on purchase.
— Frank Seravalli (@frank_seravalli) November 1, 2023
“Maybe they didn’t want to disrupt [it] to make sure the seller got the best price possible."
Die Senators seien bei der Dadonov-Situation nachlässig gewesen, aber er verstehe nicht, warum die Untersuchung ein Jahr gedauert habe und die Strafe erst jetzt käme. «Da müsst ihr die NHL fragen, aber eigentlich gibt es keinen Grund, warum es erst jetzt so weit ist», sagte Andlauer.
Und auch bezüglich der Sperre von Shane Pinto schickt der neue Senators-Besitzer Kritik in Richtung NHL: «Da ist ein junger, 21-jähriger Mann, der Millionen verdient. Und Wayne Gretzky spricht im TV stets über Wetten. Denkt dran, wie viel Zeit ein verletzter Spieler mit einem Handy hat …»
"You look at a young man who is making millions of dollars and representing the community... but he's 21 years old. Wayne Gretzky goes on MGM and talks about betting. Think about being injured, having time on your hands and a cell phone..."
— Everyday Sens (@EverydaySens) November 1, 2023
- Michael Andlauer#GoSensGo
Die ersten Wochen bei den Ottawa Senators waren kaum so, wie sich das Michael Andlauer vorgestellt hat. Die sportliche Situation haben wir bislang aussen vor gelassen: Ottawa wollte endlich wieder einmal den Sprung in die Playoffs schaffen, liegt nach acht Spielen aber auf dem letzten Platz in der Atlantic Division. Es bleibt viel Zeit aufgrund des Cap-Managements vom freigestellten GM Dorion, aber wenig Geld, um zu reagieren.
Some wondering if Sens owner Michael Andlauer’s directness and honesty with the media yesterday may have earned him a fine from the league. No fine. Not surprised.
— Darren Dreger (@DarrenDreger) November 2, 2023
Vermutlich wird es also noch etwas unruhig bleiben. Andlauer und Staios machen sich jetzt auf die Suche nach einem neuen General Manager. Eine Strafe für seine ungefilterten Worte scheint der Senators-Besitzer nicht zu erhalten. Andlauer ist optimistisch: «Ich freue mich jetzt auf weniger Telefone aus den NHL-Büros.»