Albrecht Vorster ist am Inselspital Bern tagtäglich mit Menschen konfrontiert, die ein Problem haben. Seine Kunden im «Swiss Sleep House Bern» schlafen schlecht. Nicht in einzelnen Nächten oder vor wichtigen Ereignissen. Sondern während Wochen oder gar Monaten. «Wenn das passiert, braucht es professionelle Massnahmen», erklärt der Deutsche.
Einschlaf- oder Durchschlafstörungen sind auch Schweizer Spitzensportlern nicht fremd. Eine Umfrage unter potenziellen Olympia-Teilnehmenden fördert Erschreckendes zutage. 28 Prozent der befragten Athletinnen und Athleten sind unzufrieden mit ihrem Schlaf. Sechs bis acht Prozent gaben an, sogar täglich Schlafprobleme zu haben.
Albrecht Vorster betont, dass Schlaf eine leistungsoptimierende Funktion hat. Bei Studien im Sport wurden durch verbessertes Schlafverhalten Steigerungen von drei bis fünf Prozent registriert. Wer schlecht schläft, trifft hingegen nachweislich tagsüber schlechtere Entscheidungen. Doch im Gegensatz zu Themen wie Training und Ernährung wird der Faktor Schlaf im Sport noch immer stark vernachlässigt - auch von Trainern und Sportärzten.
Das kann in einer ungesunden Spirale enden, denn richtig schlafen dient der mentalen Gesundheit. Wer es nicht tut, ist reizbar, schlecht gelaunt, hat weniger Energie. 40 Prozent aller Depressionen äussern sich zuerst in Schlafproblemen. In der Umfrage unter Schweizer Topsportler gaben 25 Prozent an, bisweilen unter Angststörungen zu leiden.
Schlaf ist im wahrsten Sinne ein Wellness-Programm für Körper und Geist. Das Gehirn wird durchgewaschen, wie es Albrecht Vorster nennt. Ablagerungen werden entfernt. Menschen mit gestörtem Schlaf entwickeln öfters Demenz.
Auch verknüpfen sich während des Schlafens Nervenzellen im Gehirn. Lerninhalte werden gefestigt und – eine wichtige Funktion fürs Training – motorische Abläufe auf der Festplatte eingebrannt. Das kann sogar mit Trainingsinhalten passieren, die vor längerer Zeit eingeübt wurden. Vorster sagt, der Begriff «etwas im Schlaf beherrschen», komme nicht von ungefähr.
Wer zu wenig schläft, hat auch ein deutlich höheres Verletzungsrisiko. Gerade unter Spitzensportlern sind sogenannte Ermüdungsverletzungen häufig. Und es gibt erstaunliche Zusammenhänge. Wer zur Zeit einer Impfung unter Schlafproblemen leidet, hat noch ein Jahr später einen schlechteren Impfschutz.
Spitzensportler benötigen erwiesenermassen eine Stunde mehr Schlaf pro Nacht als der Durchschnitt. Doch gerade sie haben bei der Vorgabe, regelmässig acht bis neun Stunden zu schlafen, erschwerte Voraussetzungen. Denn ihre Schlafroutinen wechseln oft.
Reisen in andere Zeitzonen, eine häufig wechselnde Schlafumgebung, Aufregung vor und nach Wettkämpfen oder ein intensives abendliches Training sind Faktoren für einen schlechten Schlaf. Doch was rät der Experte den Schweizer Sportlern denn nun?
Albrecht Vorster sagt, es mache auf jeden Fall Sinn, eine Stunde länger zu schlafen, als eine Stunde mehr zu trainieren. Kritisch betrachtet er Trainings am frühen Morgen und vor allem am späten Abend. Der Wechsel von Schlafzeiten und Trainingszeiten wirke oft Wunder. Auf jeden Fall lohne es sich, Schlafroutinen konkret zu erarbeiten. Wer vor dem Einschlafen oder in der Nacht Gedanken wälzt, solle kurz aufstehen und diese in ein Buch niederschreiben. Und grundsätzlich ein Schlafprotokoll führen.
Optimieren kann man auch den Einsatz von Koffein. «Man darf nicht vergessen, dass Koffein eine Halbwertszeit von sechs Stunden hat», sagt Forster. Eine Möglichkeit ist auch der Einsatz der Substanz Melatonin. Ebenso können eine Augenmaske, ein Gehörschutz oder ein anderes Kissen helfen.
Der Einbau von regelmässigen Powernaps bietet ein Stück weit einen Ausgleich zu verpasstem Schlaf während der Nacht. Bei einem Powernap spiele es jedoch keine Rolle, ob man wirklich schlafe oder nur döse. Aber auf keinen Fall länger als 15 Minuten sollte er dauern, rät der Biologe.
Wenn eine Schlafstörung länger als einen Monat anhält, benötigt man auf jeden Fall Unterstützung eines Experten. «Man muss Schlafprobleme ernst nehmen, abklären und behandeln lassen», empfiehlt Vorster. Bei der Behandlung fokussiere man auf Verhaltensmassnahmen.
Weit verbreitet im Sport sind Athletinnen und Athleten mit dem sogenannten «Restless-Legs-Syndrom» – einem unangenehmen Bewegungsdrang in den Beinen während der Nacht. Dies sei meistens ein Anzeichen von Eisenmangel. Aber auch Atemaussetzer kommen oft vor und noch häufiger Angstträume mit wiederkehrendem Inhalt.
Wenig hält der Schlafforscher von Gadgets wie Sportuhren, welche die Schlafqualität messen und aufzeichnen. Erstens seien die Algorithmen, auf denen diese Programme basieren, nicht transparent und zweitens funktioniere eine aussagekräftige Untersuchung der Schlafaktivität über Elektroden am Kopf und nicht über eine Uhr am Handgelenk. (aargauerzeitung.ch)