La Chaux-de-Fonds und Porrentruy sind auf der Strasse nur 60 Kilometer voneinander entfernt. Die Luftlinie ist noch kürzer: 40 Kilometer. Und doch trennte die beiden Städte vor letzter Woche noch eine Welt.
Im übertragenen Sinne natürlich, und in einem ganz bestimmten Bereich: dem Eishockey. Bevor der HC Ajoie den Playout-Final gegen Langnau verlor, war er ein vollwertiges Mitglied der National League. Und «La Tchaux» holte sich mit einem Sieg über Olten den verdienten Titel in der Swiss League. Doch das war «nur» die zweite Liga, ein anderer Planet als die Elite, so die Meinung vieler Experten.
Doch seit vergangener Woche verknüpfen Porrentruy und La Chaux-de-Fonds ihr Schicksal in einer Ligaqualifikation, die den gesamten Jurabogen in Atem hält.
Denn ja, neben einem Platz in der ersten Liga geht es auch um die regionale Vorherrschaft. «La Chaux-de-Fonds ist der Gegner, gegen den es die meisten Animositäten gibt», warnt Luca Loutenbach. Der Name dieses grossen Fans des HC Ajoie ist euch sicher ein Begriff. Er wurde mit diesen Bildern zu einem internationalen Star:
Switzerland don’t have Granit Xhaka for their clash with Spain, but they have Luca Loutenbach, their most famous fan. Swiss Air have paid for his business class flights to Russia, with Red Bull and the Swiss Tourist Office also getting in touch with him. pic.twitter.com/JzwfJhX84W
— Alan Feehely (@azulfeehely) June 30, 2021
Vor diesem verrückten EM-Spiel zwischen der Schweiz und Frankreich hatten ihm die Derbys Ajoie – La Tchaux fast ebenso viele Emotionen beschert. Die Leidenschaft wuchs mit der Rivalität zwischen den beiden Vereinen.
In der jüngsten Vergangenheit waren es die Jurassier, die am häufigsten als Sieger vom Platz gingen. Mit einem fatalen Schlag im Frühjahr 2021, als sie in die National League aufstiegen – während ihr Nachbar aus Neuenburg bereits im Viertelfinal von Kloten weggefegt wurde.
Diese Zeit der Unterordnung in La Chaux-de-Fonds ist besonders Brigitte Leitenberg, die dem HCC seit 20 Jahren treu ist, im Halse stecken geblieben. «Wenn wir aufsteigen, wäre das eine kleine Revanche für den Aufstieg von Ajoie», lächelt sie am anderen Ende der Leitung. Die Abgeordnete des Neuenburger Grossen Rates ist zuversichtlich:
Wenn Brigitte Leitenberg über die jurassischen Gegner spricht, bezeichnet sie diese als «beste Feinde». Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine gewisse Zuneigung. Denn ja, auch wenn Ajoulots und Chaux-de-Fonniers in dieser kupierten Barrage gegeneinander antreten werden, teilen die beiden Lager viele Gemeinsamkeiten. «Ajoie, das sind unsere besten Feinde, es ist eine gesunde Rivalität», meint der 74-jährige Georges Dupré. Dieser treue Anhänger von La Tchaux, der die Geschicke seines Vereins seit über 60 Jahren verfolgt, zieht eine soziologische Parallele:
«Die beiden Vereine haben gemeinsam, dass sie populär sind und von einem Publikum aus der Arbeiterklasse unterstützt werden», betont Luca Loutenbach. «In Porrentruy oder La Chaux-de-Fonds sind wir nicht in Les Vernets in Genf!»
Diese geografische und kulturelle Nähe ist so gross, dass ein Teil der Eishockeyfans, die zwischen den beiden Städten wohnen, nicht wissen, welche Schlittschuhen sie sich anziehen sollen. «Viele Jurassier aus Franches-Montagnes unterstützen La Chaux-de-Fonds», sagt Luca Loutenbach. Sollte man ihnen die jurassische Staatsbürgerschaft entziehen? «Nein, nicht wirklich! Aber in den nächsten zwei Wochen werden wir nicht viel mit ihnen diskutieren», lacht der Fan des HC Ajoie.
Nicht falsch verstehen: Trotz der gegenseitigen Sympathie, die aus ihrer Ähnlichkeit resultiert, sind die Cousins des «Arc Jurassien» Rivalen. Für Luca Loutenbach sind sie sogar vor allem Rivalen:
Christian «Kiki» Crétin, ehemaliger Torhüter von Ajoie in den 1990er Jahren, ist da anderer Meinung. «Ich habe absolut nichts gegen den HCC, der einen wunderbaren Lauf hat», applaudiert der Jurassier, der seinen Stock mittlerweile gegen eine Gitarre und ein Mikrofon eingetauscht hat und heute der Frontmann der Rockband Silver Dust ist.
Er tendiert eher zu regionaler Brüderlichkeit als zu Groll oder Eifersucht. Und doch hätte er einen persönlichen Grund, dem HCC gegenüber nachtragend zu sein: «Als Junior habe ich gegen La Chaux-de-Fonds eine 22:0-Klatsche kassiert, das war meine höchste Niederlage.»
In La Tchaux empfindet man eher Gleichgültigkeit gegenüber den Ergebnissen des Nachbarn Ajoulot. «Ich ziehe zum Beispiel Ambri Ajoie vor», vergleicht Georges Dupré. Wenn man ihm jedoch den Stab reicht, um die Jurassier zu necken, nimmt er ihn mit Freude an. «Ihre Eishalle ist nichts anderes als ein verbesserter Stall. Vom Gästesektor aus sieht man nicht einmal die Hälfte des Eises!» Und die Kuh auf ihrem Logo? «Wir sagen, dass es ein Versuch war, einen Drachen darzustellen.»
Brigitte Leitenberg hingegen verweist auf das Palmarès:
Im Vergleich dazu kann der HCA nur eine nationale Trophäe vorweisen, den Schweizer Cup im Jahr 2020. «Es stimmt, dass La Chaux-de-Fonds eher in die erste Liga gehört als wir», gibt Luca Loutenbach zu. «Aber die Rationalität ist keine jurassische Qualität. Also werden wir alles tun, um diesen Traum zu verlängern.»
Und der bekannte Ajoie-Fan sieht sehr gute Gründe, daran zu glauben. «Ajoie wird immer die Oberhand über die Biene haben», sagt er. «Und das Publikum wird ein Vorteil für Ajoie bleiben. Darüber gibt es keine Diskussion.» In La Chaux-de-Fonds sieht man das vermutlich anders.
Wie Kiki Crétin feststellte, sind die Ohren der Neuenburger Oberländer empfänglicher für Rockmusik als die der Bewohner der Ajoie, die eher die sanftere französische Musik bevorzugen. Der Ex-Torhüter ist sich jedoch sicher, dass die bevorzugte Musikrichtung keinen Einfluss auf die Stimmung auf dem Eis hat.
Könnte das am Ende den entscheidenden kleinen Vorteil ins Duell bringen? Vielleicht. Eines ist jedoch sicher: Ob Ajoulots oder Chaux-de-Fonniers, alle sagen eine enge Serie und sehr enge Spiele voraus. Aber jeder sieht sein Herzensteam als Sieger. «Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass wir alle hartnäckig sind», warnte Georges Dupré.
Doch spätestens am 12. April, wenn der siebte und letzte Akt der Ligaqualifikation stattfindet, werden die Cousins aus dem Jurabogen wieder Welten trennen. Und dieses Mal wird den Besiegten die Heimreise länger vorkommen als je zuvor.
Diese Gespräche wurden vor dem Start der Ligaqualifikation aufgezeichnet.