Die Rolle der Torhüter in den Playoffs ist eine vielbesungene. Aber war je ein Goalie so wichtig für sein Team, ja für unser gesamtes Hockey wie ab Freitag Zugs Leonardo Genoni? Vielleicht. Vielleicht nicht.
Leonardo Genoni gehört zu den ganz wenigen «beschlussfähigen» Torhütern unserer Geschichte. An einem guten Abend beschliesst er, ein Playoff-Spiel zu gewinnen. Und gewinnt es. So war es seit 2009 immer wieder.
Er war bisher bei allen seinen Arbeitgebern «beschlussfähig». In Davos (Meister 2009, 2011 und 2015), in Bern (2017 und 2019) und in Zug (2021 und 2022). Sieben Mal Meister mit drei verschiedenen Teams. Grandios.
Die Zahl Sieben hat mystische Bedeutung: Sieben magere und sieben fette Jahre, Peter Maffay ging singend über sieben Brücken und in sieben Tagen ist die Welt erschaffen worden. Was schon mal zu einem launigen Spruch geführt hat, um die Bedeutung von Zugs letztem Mann blumig zu erklären: Und am 8. Tag erschuf Gott Leonardo Genoni.
Zug ist im Selbstverständnis nach wie vor ein Titelkandidat, hat aber seit der letzten Meisterfeier nicht mehr wie ein Titelkandidat auf dem Transfermarkt investiert und ist selbst mit Leonardo Genoni nicht mehr über den Halbfinal hinausgekommen. Noch ist offen, ob es Sportchef Reto Kläy gelingen wird, endlich wieder alle sechs Ausländerpositionen gut zu besetzen. Er ist bei weitem nicht der einzige Bürogeneral in Europa, der emsig weibelt, um Ambris Dominik Kubalik zu bekommen. Seit SCB-Untersportchef Patrik Bärtschi zum Schluss gekommen ist, es sei nicht zwingend notwendig, einen weiteren ausländischen Center zu verpflichten, hat er das Gespräch mit dem Agenten des besten Torschützen der Liga wieder aufgenommen. Die Mittelstürmerrolle könnte auch Benjamin Baumgartner übernehmen und aus Lugano kommt ja Marco Müller.
Aber wir sind vom Thema abgekommen. Alles Sinnen und Trachten gilt jetzt den Playoffs. Und heisst es denn nicht, dass die Offensive bloss ab und zu ein Spiel, die Defensive und der Goalie aber die Meisterschaft entscheiden?
Leonardo Genoni hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er Siege zu stehlen und Meisterschaften zu entscheiden vermag. Die Zuger können nur Meister werden, wenn ihr Goalie in den anstehenden Playoffs Siege stiehlt. Sie waren in der Qualifikation defensiv bloss nur die Nummer 7 der Liga und sind so stark auf Leonardo Genoni angewiesen wie noch nie.
Der doppelte WM-Silberheld hat allerdings in der Qualifikation so wenig Partien bestritten wie noch nie im Verlauf seiner Karriere. Nur 22. Zuvor waren es immer mindestens 31 gewesen.
Ein «beschlussfähiger» Leonardo Genoni kann auch Nationaltrainer Patrick Fischer von seiner vielleicht grössten Sorge erlösen. Im letzten Frühjahr hat Zugs Goalie die Schweizer nach 2018 zum zweiten Mal in den WM-Final gehext. Im Laufe dieser Saison waren zwar Stéphane Charlin, Kevin Pasche und Robin Zumbühl statistisch – also theoretisch – besser und in Nordamerika mühen sich Akira Schmid und Connor Hughes redlich in den Farmteams. Aber was Charisma und internationale Erfahrung auf WM-Niveau angeht, kommt kein Schweizer Goalie auch nur in Sichtweite von Leonardo Genoni.
Was ist, wenn im Laufe der Playoffs weder Sandro Aeschlimann noch Kevin Pasche noch Ludovic Waeber, Philip Wüthrich oder eben Leonardo Genoni eine Heldenrolle zu spielen vermögen, Stéphane Charlin bis zur WM nicht wieder sein bestes Hockey spielt und Akira Schmid und Connor Hughes in Amerika bleiben müssen? Wir wollen nicht grübeln.
So gesehen ist Leonardo Genoni im Viertelfinal der interessanteste Einzelspieler für unser gesamtes Hockey. Sage mir, wie es um Leonardo Genoni steht, und ich sage dir nicht nur, wie es dem EVZ ergeht, sondern auch noch, woher der Wind bei der WM weht.