Leutschenbach hält die Live-Rechte bei allen wichtigen nationalen Meisterschaften im Teamsport: Fussball, Handball, Unihockey, Volleyball und Basketball. Für Männer und Frauen. Nur im Eishockey nicht. Was früher undenkbar schien, ist inzwischen Alltag: Bereits im dritten Jahr ist die höchste Eishockey-Liga im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr präsent. Nicht während der Qualifikation, nicht während der Playoffs.
Die SRF-Sportredaktion hat zwar keine Möglichkeit, die am Donnerstag beginnenden Playoff-Partien live zu zeigen. Aber durchaus die Kapazitäten, rund um die entscheidende Phase mit Sonder- oder Magazinsendungen Eishockey stärker zu gewichten. Das wird nicht der Fall sein. Sportchef Roland Mägerle sagt: «Über die Playoffs wird SRF im Rahmen der bestehenden Struktursendungen wie ‹Sportflash›, ‹Sport heute› oder ‹Sportpanorama› sowie online berichten. Im Radio wird es bei allen Spielen regelmässige Liveschaltungen in die Stadien geben.» SRF hat in der Vergangenheit bereits eine Eishockey-Struktursendung aus dem Programm gestrichen.
Leutschenbach ist über die Situation nicht glücklich und Roland Mägerle sagt: «Natürlich wird das Fehlen von Livespielen der National League bei den SRG-Sendern bedauert. Die National League war lange ein wichtiger und beliebter Teil der Live-Berichterstattung auf den SRG-Sendern, vor allem dank der hohen Qualität und der Verlässlichkeit unserer Berichterstattung.»
Der Bezahlsender MySports (gehört Sunrise) überträgt alle Partien der Qualifikation und der Playoffs direkt und im frei empfangbaren Fernsehen sind ausgewählte Spiele in allen drei Sprachregionen bei den privaten Sendern zu sehen. In der Deutschschweiz bei TV 24 und 3+ (CH Media). Von dort wird berichtet: «Wir sind stolz, dass wir die National League ausstrahlen können.»
Die zentrale Frage ist natürlich, ob die Meisterschaft auch ohne Präsenz im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die gleiche Reichweite erzielen kann. Zahlen werden von den privaten Sendern keine genannt. Von CH Media heisst es lediglich: «Wir sind mit der Entwicklung der Reichweiten im Free-TV sehr zufrieden und können unsere Zuschauerzahlen weiterhin steigern. Die Entwicklung entspricht den Erwartungen. Die Reichweite ist auf einem hohen Niveau. Eishockey ist für unsere Sendergruppe ein immens wichtiger Bestandteil, gerade Live-Ereignisse sind in der heutigen Medienwelt entscheidend. Sie stellen ein Alleinstellungsmerkmal dar, das uns von unseren Wettbewerbern unterscheidet.»
Ob das Hockey-Business am Ende gewinnbringend ist, wird nicht verraten: «Dank der Eishockey-Übertragungen konnten wir unsere Marktanteile signifikant steigern. Das zeigt sich nicht zuletzt auch am Werbeumsatz, den wir in diesem Bereich erzielen konnten.»
Eishockey rockt offensichtlich. Die Zahlen von Hockey-Übertragungen der Länderspiele, der WM, des Spengler Cups und der Champions League sind bei SRF gut. Mägerle spricht von einer positiven Entwicklung und nennt ein paar Zahlen: Den WM-Final in Prag zwischen der Schweiz und Tschechien verfolgten bis zu 1,06 Millionen Menschen (im Schnitt 940'000 über die gesamte Partie). Gottéron gegen Davos im Halbfinal des Spengler Cups 2024 zog im Schnitt 244'000 Personen vor die Bildschirme. Durchschnittlich schauten bei den Abendspielen 26 Prozent mehr Sportfans zu als am Turnier ein Jahr zuvor. Der Final der Champions League zwischen den ZSC Lions und Färjestad verzeichnete im Mittel knapp 149'000 Zuschauende.
Mägerle sagt dazu: «Mit Live-Übertragungen im Eishockey erreicht SRF in der Deutschschweiz ein deutlich grösseres Publikum als die kommerziellen TV-Anbieter.» Die Zahlen zeigen, dass SRF wohl auch mit den Partien der nationalen Meisterschaft hohe Quoten erzielen könnte.
Aber eben: Sunrise hat die Rechte an der National League für rund 30 Millionen pro Saison bis und mit Spielzeit 2026/27 gekauft und überträgt alle Spiele über seinen Bezahlsender MySports. Zahlen werden von MySports-Chef Matthias Krieb keine genannt. Eine Bemerkung im kleinen Kreis, MySports sei nicht nur TV-Partner, sondern auch der grösste Sponsor der National League, mag er nicht bestreiten. Auch so ist klar: Obwohl die Anzahl der TV-Abos nach wie vor steigt, ist MySports weit von schwarzen Zahlen entfernt.
Um das zu erkennen, braucht es kein Wirtschafts-Studium. Denn neben den rund 30 Millionen für die TV-Rechte dürften wohl weitere 20 Millionen für Nebenkosten (unter anderem Produktion, TV-Studio, Personal) anfallen. Im TV-Markt Schweiz, der ungefähr der Stadt München entspricht, können diese Ausgaben (noch) nicht refinanziert werden. Auch nicht durch den Rechte-Weiterverkauf an die privaten, frei empfangbaren TV-Stationen (CH Media) und Streaming-Anbieter (Ringier). Welches Steigerungs-Potenzial Pay-TV in der Schweiz hat, ist offen. Immerhin zeichnet sich bei einer neuen Generation eine höhere Bereitschaft ab, für Medieninhalte zu bezahlen.
Der TV-Markt im Hockey ist also zwischen Leutschenbach und den privaten Stationen aufgeteilt. Leutschenbach hält die Rechte für die WM, für Länderspiele, den Spengler Cup zeigte Partien der Champions Hockey League live. Die Privaten besitzen das «Filetstück»: die National League.
Wird diese Aufteilung auch künftig so bleiben? Das ist alles andere als sicher. Die aktuelle Regelung gilt bis und mit der Saison 2026/27. Aber die Ausschreibung für die Rechte beginnt bereits nach dieser Saison. Das Verfahren ist recht komplex und braucht Zeit. Etwas vereinfacht erklärt: Im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens können die Interessenten ein Angebot bei der National League deponieren. Wer das beste Angebot macht, bekommt die Rechte. Wobei keiner vom anderen weiss, wie viel er geboten hat. Möglich ist eine zweite Runde, bei der jeder noch einmal ein Angebot machen kann.
Noch ist nicht klar, ob die gesamten Rechte erneut an einen Interessenten – wie aktuell an Sunrise – verkauft werden. Oder ob verschiedene Pakete geschnürt und verkauft werden. Laufende Farbbilder können längst nicht mehr nur über lineares Fernsehen gezeigt werden. Sie sind auch auf Hosentelefone oder Tabletts übertragbar. Die Frage ist wegen des veränderten Sehverhaltens der jüngeren Generationen inzwischen auch, ob künftig weiterhin jedes Qualifikationsspiel in voller Länge live übertragen werden soll. Es ist denkbar, dass die Medien-Rechte zum ersten Mal nicht an ein Medienunternehmen bzw. eine TV-Station, sondern an private Investoren verkauft werden.
Denis Vaucher ist Manager der National League und bestätigt, dass es Überlegungen in viele Richtungen gibt. «Wir sind daran, die Bedürfnisse des Marktes abzuklären und Rechtepakete zu schnüren, die potenzielle Bieter ansprechen und eine möglichst ausgewogene Berücksichtigung von Pay- und Free-Rechten erlaubt.»
Es wäre eine schöne Überraschung, wenn die National League die Rechte noch einmal für 30 Millionen verkaufen könnte. Die TV-Landschaft hat sich seit dem Abschluss des aktuellen TV-Deals weiter verändert. Denis Vaucher sagt, das Ziel sei natürlich, wieder einen gleich guten Deal zu machen. Räumt aber ein: «Das aktuell herausfordernde Marktumfeld wird uns zeigen, was möglich ist.»
Die Frage ist auch, wer sich um die Rechte bemühen wird. Matthias Krieb bestätigt, dass MySports wieder ein Angebot einreichen wird. In welcher Höhe will, kann und darf er natürlich nicht sagen. Kenner gehen davon aus, dass er nicht noch einmal gleich viel bieten wird wie vor drei Jahren (gegen 30 Millionen). Auch Leutschenbach dürfte wieder mitmischen. Roland Mägerle sagt sibyllinisch: «Bei Rechte-Ausschreibungen prüft die SRG die Eingabe eines Angebots jeweils umfassend. Dabei werden die programmlichen und finanziellen Rahmenbedingungen selbstredend miteinbezogen.»
Klar ist, dass die Medienrechte erneut nicht exklusiv an einen Bezahlsender verkauft werden. Schon beim aktuellen Deal hat die National League verlangt, dass ausgewählte Spiele auch im frei empfangbaren Fernsehen übertragen werden müssen. Dabei hat Sunrise dem Wunsch der National League nicht entsprechen können, für die frei empfangbaren Übertragungen mit SRF zusammenzuspannen, und hat sich in allen drei Sprachregionen mit privaten Stationen zusammengetan.
Es wird für Leutschenbach nicht einfach sein, wieder an die Live-Rechte heranzukommen. Die Kommunikations-Abteilung von CH Media lässt ausrichten: «Eishockey ist ein wichtiges Standbein unserer Sendegruppe. Entsprechend ist für uns klar, dass wir auch in Zukunft Eishockey im Free-TV zeigen wollen. Ein gelebtes Subsidiaritätsprinzip würde genau dies bedeuten: Die SRG konzentriert sich auf Sportarten und Ligen, die von privaten Anbietern nicht abgedeckt werden können. Gleichzeitig lässt sie private Medienanbieter bei den anderen Ligen und Sportarten gewähren, und überbietet sie vor allem nicht aktiv beim Erwerb von Sportrechten.»
Was schon fast eine Kampfansage an Leutschenbach gewertet werden kann. Tatsächlich sind die privaten Stationen im Bereich der frei empfangbaren Sport-Übertragungen der nationalen Meisterschaft inzwischen für SRF zu Konkurrenten auf Augenhöhe geworden.
Jeder Klub der National League bekommt aktuell aus der zentralen Vermarktung (TV-Rechte & Sponsoring) rund 1,8 Millionen pro Saison. Ein Rückgang dieser Summe im neuen Deal ab 2027 – rund 15 Prozent können nicht ausgeschlossen werden – bedeutet noch nicht den Untergang des Abendlandes. Bei einer ähnlich hohen Gesamtsumme mussten im nationalen Fussball bei der jüngsten Verlängerung mit den gleichen Partnern Einbussen zwischen 10 und 20 Prozent hingenommen werden.
Auch die Reichweite ist nicht mehr ganz so entscheidend: Inzwischen pflegen die Klubs ihre eigenen Social-Media-Aktivitäten und interaktive Plattformen. Sie kreieren rund um die Spiele für ihre Business-Partner eine hochwertige Netzwerk-Bühne und eine ganz eigene Erlebniswelt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom linearen und öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist für die Klubs geringer geworden.
Die Formel «Wir kommen auf SRF, also sind wir und sonst nicht» gilt erstmals in der Geschichte nicht mehr.
Wo soll ich anfangen… beim Begriff „Hosentelefone“ vielleicht? Nun gut, dass die privaten Anbieter qualitativ auf Augenhöhe mit der SRG senden, liegt jedenfalls daran, dass die Angestellten der SRG den Grossteil der Hockeyspiel-Übertragungen selber machen. Denn die Privaten haben die Ressourcen dazu nicht. Das wissen sie natürlich, sie haben nur vergessen, es zu erwähnen. Dass der Verkauf der Rechte völlig überbezahlt war und nicht rentiert, haben sie jedenfalls auch fängs bemerkt, daher sind wir gespannt, wer sich die nächste Runde noch leisten kann.