Die Freigabe war lediglich Formsache. Am Mittwochabend ist Roman Josi in Prag im Teamhotel eingetroffen. In der NHL nächtigt er im Einzelzimmer. In Prag teilt er das Zimmer mit Nino Niederreiter (31), seinem einstigen Teamkollegen in Nashville. Das sei echt cool.
Auf dem Eis teilt er die Arbeit an der blauen Linie mit Lausannes «Schillerfalter» Andrea Glauser (28). Was die Frage provoziert: Wer eilt dann zurück, wenn es hinten brennt. Roman Josi ist um eine schlagfertige Antwort nicht verlegen: «Derjenige, der nicht vorne ist.»
In Nashville war einst taktisch eines der konservativsten NHL-Teams. Der neue Coach Andrew Brunette hat eine Revolution entfacht. Inzwischen gehört Nashville zu den schnellsten, bissigsten NHL-Mannschaften. Der neue Lauf- und Tempostil beschert Roman Josi eine andere Rolle. Er ist eine Mischung aus Franz Beckenbauer und Günter Netzer. Nicht einfach ein Verteidiger. Eher ein wenig das, was einst im Fussball der Libero war.
Einmal im Scheibenbesitz ein zurückhängender Spielmacher, der die Lücken im gegnerischen Dispositiv schneller als alle Mit- und Gegenspieler erkennt und dann mit dem Puck genau in diese offenen Räume vorstösst. Einer, der «aus der Tiefe des Raumes» kommt. So ist er einer der produktivsten Verteidiger der NHL-Historie geworden.
«Wir spielen ein neues System» sagt Roman Josi über die soeben beendete NHL-Saison. Der Puck werde sofort nach vorne gespielt. Und vorne machen die Stürmer mit unablässigem Forechecking Druck. Keine Spielberuhigung, keine Pässe hinter dem Tor durch, kein Abwarten für eine zweite oder dritte Welle. Das Spiel unablässig beschleunigen, dem Gegner keine Pause gönnen. Wie einst der HCD unter Arno Del Curto.
Roman Josi sagt: «Das bedeutete für alle, auch für mich eine Umstellung. Aber im Laufe der Saison sind wir zusammengewachsen und es gibt kaum ein anderes Team in der Liga, das so hart arbeitet wie wir.» Er sei jetzt etwas weniger im Scheibenbesitz, aber es mache viel Spass. Es sei gut, wenn man immer wieder herausgefordert werde und Neues lernen müsse.
Roman Josi ist ein Weltklassespieler und so ist ihm die Umstellung zum «Turbo-Stil» in Nashville perfekt gelungen. Die soeben beendete Saison ist mit 85 Punkten und einer +45-Bilanz die zweitbeste seiner Karriere und er ist ein Kandidat für die Auszeichnung zum besten NHL-Verteidiger («Norris-Trophy»), die er 2020 schon mal gewonnen hat.
Das neue, das spielerisch moderne «Turbo-Nashville» ist unter seinem neuen Coach noch nicht am Ende seiner Entwicklung angelangt. Ein Happy End gab es in den Playoffs vorerst noch nicht. Und so spielt Roman Josi nun eben nicht in der zweiten Runde um den Stanley Cup. Sondern nach 2009, 2010, 2012, 2013, 2014, 2015, 2018 und 2019 wieder einmal mit der Nationalmannschaft um WM-Ruhm.
Die Umstellung auf mehr Tempo hilft Roman Josi. Nashville war so gesehen die perfekte WM-Vorbereitung. Weil das Spiel der Schweizer eine sehr ähnliche DNA hat: So schnell wie möglich vorwärts. Offensiv so weit die Füsse tragen. Es ist also möglich, dass wir in Prag den besten Roman Josi aller Zeiten sehen werden.