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Eismeister Zaugg: Warum das Schweizer Eishockey rockt wie noch nie

ZSC Fans verfolgen das sechste Playoff Final Eishockeyspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem Lausanne HC im Public Viewing in der Swiss Life Arena, am Samstag, 27. April 2024, in Zue ...
Eishockey im neuen ZSC-Tempel ist ein Erlebnis unabhängig vom Resultat.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Warum das Schweizer Eishockey rockt wie noch nie

Die National League steht vor einer weiteren Rekord-Saison und die Aussichten sind auch mittelfristig gut. Vom Boom profitieren in erster Linie die Spieler. In den letzten zehn Jahren hat sich der Durchschnittslohn auf fast 250'000 Franken verdoppelt. Nur in der NHL und in der russischen KHL sind die Saläre noch höher als in der Schweiz.
14.09.2024, 12:2114.09.2024, 14:10
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Keine andere Liga der Welt hat sich in den letzten zehn Jahren sportlich und infrastrukturell so stabil entwickelt wie unsere National League. Der Zuschauerschnitt pro Partie ist letzte Saison von 6762 auf den Allzeitrekord von 7130 pro Partie gestiegen.

Ein Ende der Party ist noch nicht in Sicht. Obwohl die Liga in der Zwischenzeit von 12 auf 14 Teams aufgestockt worden ist und die neuen Klubs (Ajoie und Kloten) in der vergangenen Saison den Liga-Durchschnitt nicht erreicht haben. Liga-Spielplanchef Willi Vögtlin ist optimistisch: «Ich erwarte in der neuen Saison einen neuen Publikumsrekord.» Zwei Fragen stehen im Raum: Wie ist diese Entwicklung möglich? Und: Ist der Boom nachhaltig?

Guter Sport mit hohem Unterhaltungswert

Liga-Geschäftsführer Denis Vaucher hat eine einfache Antwort auf die erste Frage: «Wir haben ein attraktives Produkt.» Und er sagt auch, warum dieses Produkt so gut geworden ist: «Die Infrastruktur ist in den letzten Jahren stark verbessert worden und die Liga ist inzwischen so ausgeglichen wie nie zuvor.» Wo er recht hat, da hat er recht. Mag sein, dass unser Nationalteam stark von den NHL-Stars abhängig ist. Aber die Liga aus dem Land des WM-Finalisten von 2013, 2018 und 2024 bietet gutes Hockey mit hohem Unterhaltungswert.

Eine Choerographie der Freiburger Fans im ersten Eishockey Playoff Viertelfinal Spiel der National League zwischen dem HC Fribourg Gotteron und dem HC Lugano, am Samstag, 16. Maerz 2024, in der BCF Ar ...
In Freiburg regiert das Eishockey: Das Stadion war letzte Saison immer ausverkauft.Bild: keystone

Wer eines der 364 Qualifikationsspiele besucht, sieht richtiges Hockey, und die Ausgeglichenheit der Liga führt dazu, dass bei allen Partien jeder Ausgang möglich ist. Und anders als im Fussball gibt es keine Konkurrenz durch ausländische Ligen mit hoher TV-Präsenz: Nur die NHL ist sportlich klar besser. Aber die ist im frei empfangbaren Fernsehen praktisch unsichtbar.

Wer ein Spiel in der Schweiz besucht, hat zu Recht das Gefühl, das wahre, das richtige Eishockey zu sehen. Weltklasse-Eishockey.

Viele moderne Stadien

Der Ausbau der Infrastruktur in den letzten 15 Jahren ist schon fast atemberaubend: Eine neue Arena im kargen Bergtal der Leventina (Ambri), das modernste Hockey-Stadion von Europa in Zürich, der Stadt, die es einfach nicht schafft, ein neues Fussballstadion zu bauen. Neue Arenen in Lausanne, Biel und Zug, rundum erneuerte Stadien in Davos, Langnau, Pruntrut und Freiburg: Keine andere Liga der Welt hat die Infrastruktur in so kurzer Zeit so stark ausgebaut.

Möglich geworden ist dieses «Infrastruktur-Wunder» aus einer Besonderheit der Hockey-Kultur: Die Klubs sind politisch und wirtschaftlich bestens an ihren Standorten vernetzt und die Besitzer der Klubs – bis auf Lausanne alles Schweizerinnen und Schweizer – kümmern sich nicht nur um die sportliche Konkurrenzfähigkeit. Sie sind auch dazu in der Lage, einen grossen Teil der Mittel für den Bau oder die Sanierung der Stadien in der Privatwirtschaft aufzutreiben und sind nicht vollumfänglich auf eine öffentliche Finanzierung angewiesen. Das ermöglicht viel kürzere Bauzeiten und weniger hohe Baukosten.

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In Langnau bestimmt der Kampf um die Playoffs den Alltag.Bild: keystone

Nordamerikanisierung der Schweizer Liga

Ein entscheidender Faktor für die dynamische Entwicklung unserer Liga wird gerne übersehen: Die Nordamerikanisierung. Also eine Annäherung an die NHL. Natürlich trennen die National League Welten von der nordamerikanischen National Hockey League. Die NHL setzt als mit grossem Abstand wichtigste Liga der Welt im Jahr mehr als drei Milliarden Franken um. Die National League rund 300 Millionen.

Aber die Philosophie ist inzwischen erstaunlich ähnlich: Das Spiel wird als Event zelebriert. Das bedeutet: Eine Partie wird für das Publikum auch dann ein Erlebnis und bietet beste Unterhaltung, wenn das Heimteam nicht gewinnt.

Die Erfolgsformel ist diese Abkoppelung vom reinen Resultatdenken. Die Toronto Maple Leafs, die Montréal Canadiens und die New York Rangers sind die drei wertvollsten NHL-Organisationen. Drei notorisch erfolglose Teams: Toronto wartet seit 1967 und Montréal seit 1993 auf den nächsten Stanley Cup. Die Rangers feierten seit 1940 einen einzigen Stanley-Cup-Triumph (1994).

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Montréal Canadiens: 24 Stanley-Cup-Triumphe, zuletzt 1993.
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Selbst die SCL Tigers schreiben schwarze Zahlen

In unserer National League erreichte letzte Saison Fribourg-Gottéron als erster Klub der Geschichte in der Qualifikation eine Stadionauslastung von 100 Prozent. Alle Heimspiele eines notorisch erfolglosen Teams – Gottéron war noch nie Meister – waren ausverkauft. Biel hatte 2023 den Final erreicht und beendete die letzte Saison auf dem 9. Rang. Aber es kamen mehr Zuschauerinnen und Zuschauer.

Inzwischen erzielen selbst die SCL Tigers dank ihrer gut ausgebauten Stadion-Gastronomie pro Saison 18 Millionen Franken Umsatz und schreiben schwarze Zahlen. Obwohl die Emmentaler in ihrer Geschichte in der höchsten Liga erst zweimal die Playoffs erreicht haben.

Diese Entwicklung ist eng mit dem Ausbau der Infrastruktur verbunden. Etwas polemisch auf den Punkt gebracht: Ein Spiel ist nur dann ein Event, wenn der Komfort so gross ist, dass die Gattin ihren Ehemann im Abendkleid zum Spiel begleiten kann. Das ist auch die Erklärung, warum der SC Bern nach wie vor bei der Stadionauslastung die Werte vor der Pandemie nicht erreicht hat: Der Publikumsaufmarsch in Bern ist wie bei keinem anderen Klub vom Erfolg abhängig.

Der Sonderfall Bern

Der Komfort in der zugigen Arena ist ausserhalb der VIP-Logen so gering wie bei keinem anderen Klub in der Deutschschweiz. Wenn die riesige Stehrampe nicht voll besetzt ist, verbreitet sich Tristesse, und die Stehrampe ist nur voll, wenn der SCB rockt – was seit dem letzten Titel von 2019 nie mehr der Fall war. Der SCB kann wirtschaftlich nur überleben, weil er sich zu einem Gastrokonzern entwickelt hat und inzwischen mit mehr als zehn Beizen ausserhalb des Stadions – also mit betriebsfremdem Geschäft – fast 60 Millionen Franken umsetzt.

Ambri's fans, during the match of National League Swiss Championship 2021/22 between HC Ambri Piotta and HC Fribourg-Gotteron at the ice stadium Gottardo Arena, Switzerland, Saturday, September 1 ...
Ambri-Piotta spielt seit 2021 im neuen Stadion.Bild: keystone

Die Frage ist natürlich, ob der Boom nachhaltig ist oder gar eine weitere Steigerung erwartet werden darf. Die Perspektiven sind mittel- und langfristig gut und Willi Vögtlins Hoffnung auf einen neuen Publikumsrekord sind berechtigt. Aber die Klubmanager haben – anders als in der NHL – zu viel Macht. Die zentralen Entscheidungen in der NHL (wie zum Beispiel die Lohnobergrenze) werden von den Teambesitzern durchgesetzt, die zu ihrem Geld Sorge tragen.

In der National League lassen die Teambesitzer hingegen ihren Managern und Sportchefs, die nicht ihr eigenes Geld im Feuer haben, freie Hand in der Ausgestaltung des Hockey-Geschäftes. Das oberste Organ der Liga ist der Verwaltungsrat der National League AG, und der besteht aus je einem Vertreter der 14 Klubs. Diese Verwaltungsratssitze überlassen die Besitzer ihren Managern. Die haben kein Interesse an Eingrenzung ihrer Budgets und damit der Löhne, und anders als in der NHL gibt es keine Lohnobergrenze.

Spieler als grosse Profiteure

Während in der NHL von Jahr zu Jahr festgelegt wird, wie hoch der Anteil der Spielerlöhne am Gesamtumsatz sein darf, fliessen in der National League die Mehreinnahmen praktisch unbegrenzt in die Spielerlöhne. In den letzten zehn Jahren hat sich der Durchschnittslohn in der National League auf fast 250'000 Franken verdoppelt. Nur in der NHL und der russischen KHL sind die Saläre noch höher.

Berns Fans sorgen fuer Stimmung im Final des Swiss Ice Hockey Cups 2014/15 zwischen dem SC Bern und den Kloten Flyers, am Mittwoch, 11. Februar 2015, in der PostFinance-Arena in Bern. (KEYSTONE/Peter  ...
Bern hat seine Stehplatzrampe – aber kein modernes Stadion.Bild: KEYSTONE

Einzelne Klubs können zwar schwarze Zahlen schreiben. Aber richtig Gewinn kann kein Hockeyunternehmen der National League erwirtschaften. Vom Boom der letzten zehn Jahre haben nicht die Klubbesitzer profitiert, sondern die Spieler.

Hohe Stadionauslastung

Mehr Teams, bessere TV-Verträge (inzwischen rund 1,5 Millionen Franken für jeden Klub), mehr Zuschauer, höhere Gastro-Einnahmen und die neue Saison wird – wie die Verkaufszahlen der Saisonkarten zeigen – noch einmal neue Rekordeinnahmen bringen. Zum ersten Mal in der Geschichte haben gleich drei Klubs (die ZSC Lions, Zug und Fribourg-Gottéron) den Saisonkartenverkauf der grossen Nachfrage wegen gestoppt.

Aber eine weitere Steigerung ist mittelfristig nicht zu erwarten. Auch im boomenden nationalen Hockey-Business wachsen die Bäume (oder die Eisblumen) nicht in den Himmel. Na und? Gehen die Einnahmen zurück – was in den nächsten fünf Jahren noch nicht zu erwarten ist – wird die normative Kraft des Faktischen dazu führen, dass die Spielerlöhne sinken.

Das wird kein Problem sein: Selbst dann, wenn die Spielersaläre um 20 Prozent schrumpfen, werden weder das sportliche Niveau noch der Unterhaltungswert noch der Publikumszuspruch zurückgehen. The show will always go on. Ganz so wie der grosse Freddie Mercury einst mit der legendären Rockband Queen («The show must go on») gesungen hat:

Ich setze noch einen drauf!
Ich werde alles übertreffen!
Ich muss einfach den Willen haben, weiter zu machen.
Weiter, einfach weiter mit der Show!
Ah, da-da-da-da-da-da-ah-ah
Ah-da-da, ah-ah-ah
Ah, da-da, da-da-da-da-ah-ah
Ooh, ooh-ooh, ooh-ooh

Queen: «The show must go on».Video: YouTube/Queen Official
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    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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19HP
14.09.2024 12:54registriert August 2016
Wenn Vögtlin von einem Produkt spricht und die Nordamerikanisierung positiv sein soll, kommt bei mir etwas Brechreiz auf. Ein Hockeyspiel ist kein „Event“ wo es noch zig Dinge rundherum geben soll mit Powerbreaks und was auch immer, sondern primär ein attraktives Spiel zwischen der Lieblingsmannschaft und dem Gegner. Macht und das bitte nicht kaputt weil irgendwelche in der Liga grössenwahnsinnig werden…
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Chalbsbratwurst
14.09.2024 14:50registriert Juli 2020
Was sicher auch noch ein bisschen dazu beiträgt ist die abnehmende Gewalt an Eishockeyspielen wärend der Fussball immer wieder mit negativen Schlagzeilen von Pyrowerfern und Massenschlägereien zu kämpfen hat.

Ich habe schon mehr als einmal von Familienvätern gehört, dass sie mit ihren Kindern, wegen Sicherheitsbedenken, lieber ein Eishockeyspiel besuchen als ein Fussballspiel obwohl ihnen beides Spass machen würde.
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Ruudi65
14.09.2024 14:11registriert Februar 2022
Ist es Zufall oder nicht, dass kein Wort über die Sponsoren zu lesen ist? Wäre es ein grosse Party, würden die Sponsoren doch auch erfreut sein und mehr Geld investieren! Oder etwa nicht?

Vermutlich eben nicht, sonst hätte es der Eismeister wohl erwähnt. Und dann könnte es eben doch wahr sein, was man hinter vorgehaltener Hand hört, dass die Sponsoren massiv unzufrieden sind, mit der TV Situation. Dass Eishockey ausserhalb der Stadien nicht mehr stattfindet und aus der grossen Wahrnehmung verschwunden ist.
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