Keine andere Liga der Welt hat sich in den letzten zehn Jahren sportlich und infrastrukturell so stabil entwickelt wie unsere National League. Der Zuschauerschnitt pro Partie ist letzte Saison von 6762 auf den Allzeitrekord von 7130 pro Partie gestiegen.
Ein Ende der Party ist noch nicht in Sicht. Obwohl die Liga in der Zwischenzeit von 12 auf 14 Teams aufgestockt worden ist und die neuen Klubs (Ajoie und Kloten) in der vergangenen Saison den Liga-Durchschnitt nicht erreicht haben. Liga-Spielplanchef Willi Vögtlin ist optimistisch: «Ich erwarte in der neuen Saison einen neuen Publikumsrekord.» Zwei Fragen stehen im Raum: Wie ist diese Entwicklung möglich? Und: Ist der Boom nachhaltig?
Liga-Geschäftsführer Denis Vaucher hat eine einfache Antwort auf die erste Frage: «Wir haben ein attraktives Produkt.» Und er sagt auch, warum dieses Produkt so gut geworden ist: «Die Infrastruktur ist in den letzten Jahren stark verbessert worden und die Liga ist inzwischen so ausgeglichen wie nie zuvor.» Wo er recht hat, da hat er recht. Mag sein, dass unser Nationalteam stark von den NHL-Stars abhängig ist. Aber die Liga aus dem Land des WM-Finalisten von 2013, 2018 und 2024 bietet gutes Hockey mit hohem Unterhaltungswert.
Wer eines der 364 Qualifikationsspiele besucht, sieht richtiges Hockey, und die Ausgeglichenheit der Liga führt dazu, dass bei allen Partien jeder Ausgang möglich ist. Und anders als im Fussball gibt es keine Konkurrenz durch ausländische Ligen mit hoher TV-Präsenz: Nur die NHL ist sportlich klar besser. Aber die ist im frei empfangbaren Fernsehen praktisch unsichtbar.
Wer ein Spiel in der Schweiz besucht, hat zu Recht das Gefühl, das wahre, das richtige Eishockey zu sehen. Weltklasse-Eishockey.
Der Ausbau der Infrastruktur in den letzten 15 Jahren ist schon fast atemberaubend: Eine neue Arena im kargen Bergtal der Leventina (Ambri), das modernste Hockey-Stadion von Europa in Zürich, der Stadt, die es einfach nicht schafft, ein neues Fussballstadion zu bauen. Neue Arenen in Lausanne, Biel und Zug, rundum erneuerte Stadien in Davos, Langnau, Pruntrut und Freiburg: Keine andere Liga der Welt hat die Infrastruktur in so kurzer Zeit so stark ausgebaut.
Möglich geworden ist dieses «Infrastruktur-Wunder» aus einer Besonderheit der Hockey-Kultur: Die Klubs sind politisch und wirtschaftlich bestens an ihren Standorten vernetzt und die Besitzer der Klubs – bis auf Lausanne alles Schweizerinnen und Schweizer – kümmern sich nicht nur um die sportliche Konkurrenzfähigkeit. Sie sind auch dazu in der Lage, einen grossen Teil der Mittel für den Bau oder die Sanierung der Stadien in der Privatwirtschaft aufzutreiben und sind nicht vollumfänglich auf eine öffentliche Finanzierung angewiesen. Das ermöglicht viel kürzere Bauzeiten und weniger hohe Baukosten.
Ein entscheidender Faktor für die dynamische Entwicklung unserer Liga wird gerne übersehen: Die Nordamerikanisierung. Also eine Annäherung an die NHL. Natürlich trennen die National League Welten von der nordamerikanischen National Hockey League. Die NHL setzt als mit grossem Abstand wichtigste Liga der Welt im Jahr mehr als drei Milliarden Franken um. Die National League rund 300 Millionen.
Aber die Philosophie ist inzwischen erstaunlich ähnlich: Das Spiel wird als Event zelebriert. Das bedeutet: Eine Partie wird für das Publikum auch dann ein Erlebnis und bietet beste Unterhaltung, wenn das Heimteam nicht gewinnt.
Die Erfolgsformel ist diese Abkoppelung vom reinen Resultatdenken. Die Toronto Maple Leafs, die Montréal Canadiens und die New York Rangers sind die drei wertvollsten NHL-Organisationen. Drei notorisch erfolglose Teams: Toronto wartet seit 1967 und Montréal seit 1993 auf den nächsten Stanley Cup. Die Rangers feierten seit 1940 einen einzigen Stanley-Cup-Triumph (1994).
In unserer National League erreichte letzte Saison Fribourg-Gottéron als erster Klub der Geschichte in der Qualifikation eine Stadionauslastung von 100 Prozent. Alle Heimspiele eines notorisch erfolglosen Teams – Gottéron war noch nie Meister – waren ausverkauft. Biel hatte 2023 den Final erreicht und beendete die letzte Saison auf dem 9. Rang. Aber es kamen mehr Zuschauerinnen und Zuschauer.
Inzwischen erzielen selbst die SCL Tigers dank ihrer gut ausgebauten Stadion-Gastronomie pro Saison 18 Millionen Franken Umsatz und schreiben schwarze Zahlen. Obwohl die Emmentaler in ihrer Geschichte in der höchsten Liga erst zweimal die Playoffs erreicht haben.
Diese Entwicklung ist eng mit dem Ausbau der Infrastruktur verbunden. Etwas polemisch auf den Punkt gebracht: Ein Spiel ist nur dann ein Event, wenn der Komfort so gross ist, dass die Gattin ihren Ehemann im Abendkleid zum Spiel begleiten kann. Das ist auch die Erklärung, warum der SC Bern nach wie vor bei der Stadionauslastung die Werte vor der Pandemie nicht erreicht hat: Der Publikumsaufmarsch in Bern ist wie bei keinem anderen Klub vom Erfolg abhängig.
Der Komfort in der zugigen Arena ist ausserhalb der VIP-Logen so gering wie bei keinem anderen Klub in der Deutschschweiz. Wenn die riesige Stehrampe nicht voll besetzt ist, verbreitet sich Tristesse, und die Stehrampe ist nur voll, wenn der SCB rockt – was seit dem letzten Titel von 2019 nie mehr der Fall war. Der SCB kann wirtschaftlich nur überleben, weil er sich zu einem Gastrokonzern entwickelt hat und inzwischen mit mehr als zehn Beizen ausserhalb des Stadions – also mit betriebsfremdem Geschäft – fast 60 Millionen Franken umsetzt.
Die Frage ist natürlich, ob der Boom nachhaltig ist oder gar eine weitere Steigerung erwartet werden darf. Die Perspektiven sind mittel- und langfristig gut und Willi Vögtlins Hoffnung auf einen neuen Publikumsrekord sind berechtigt. Aber die Klubmanager haben – anders als in der NHL – zu viel Macht. Die zentralen Entscheidungen in der NHL (wie zum Beispiel die Lohnobergrenze) werden von den Teambesitzern durchgesetzt, die zu ihrem Geld Sorge tragen.
In der National League lassen die Teambesitzer hingegen ihren Managern und Sportchefs, die nicht ihr eigenes Geld im Feuer haben, freie Hand in der Ausgestaltung des Hockey-Geschäftes. Das oberste Organ der Liga ist der Verwaltungsrat der National League AG, und der besteht aus je einem Vertreter der 14 Klubs. Diese Verwaltungsratssitze überlassen die Besitzer ihren Managern. Die haben kein Interesse an Eingrenzung ihrer Budgets und damit der Löhne, und anders als in der NHL gibt es keine Lohnobergrenze.
Während in der NHL von Jahr zu Jahr festgelegt wird, wie hoch der Anteil der Spielerlöhne am Gesamtumsatz sein darf, fliessen in der National League die Mehreinnahmen praktisch unbegrenzt in die Spielerlöhne. In den letzten zehn Jahren hat sich der Durchschnittslohn in der National League auf fast 250'000 Franken verdoppelt. Nur in der NHL und der russischen KHL sind die Saläre noch höher.
Einzelne Klubs können zwar schwarze Zahlen schreiben. Aber richtig Gewinn kann kein Hockeyunternehmen der National League erwirtschaften. Vom Boom der letzten zehn Jahre haben nicht die Klubbesitzer profitiert, sondern die Spieler.
Mehr Teams, bessere TV-Verträge (inzwischen rund 1,5 Millionen Franken für jeden Klub), mehr Zuschauer, höhere Gastro-Einnahmen und die neue Saison wird – wie die Verkaufszahlen der Saisonkarten zeigen – noch einmal neue Rekordeinnahmen bringen. Zum ersten Mal in der Geschichte haben gleich drei Klubs (die ZSC Lions, Zug und Fribourg-Gottéron) den Saisonkartenverkauf der grossen Nachfrage wegen gestoppt.
Aber eine weitere Steigerung ist mittelfristig nicht zu erwarten. Auch im boomenden nationalen Hockey-Business wachsen die Bäume (oder die Eisblumen) nicht in den Himmel. Na und? Gehen die Einnahmen zurück – was in den nächsten fünf Jahren noch nicht zu erwarten ist – wird die normative Kraft des Faktischen dazu führen, dass die Spielerlöhne sinken.
Das wird kein Problem sein: Selbst dann, wenn die Spielersaläre um 20 Prozent schrumpfen, werden weder das sportliche Niveau noch der Unterhaltungswert noch der Publikumszuspruch zurückgehen. The show will always go on. Ganz so wie der grosse Freddie Mercury einst mit der legendären Rockband Queen («The show must go on») gesungen hat:
Ich setze noch einen drauf!
Ich werde alles übertreffen!
Ich muss einfach den Willen haben, weiter zu machen.
Weiter, einfach weiter mit der Show!
Ah, da-da-da-da-da-da-ah-ah
Ah-da-da, ah-ah-ah
Ah, da-da, da-da-da-da-ah-ah
Ooh, ooh-ooh, ooh-ooh
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Ich habe schon mehr als einmal von Familienvätern gehört, dass sie mit ihren Kindern, wegen Sicherheitsbedenken, lieber ein Eishockeyspiel besuchen als ein Fussballspiel obwohl ihnen beides Spass machen würde.
Vermutlich eben nicht, sonst hätte es der Eismeister wohl erwähnt. Und dann könnte es eben doch wahr sein, was man hinter vorgehaltener Hand hört, dass die Sponsoren massiv unzufrieden sind, mit der TV Situation. Dass Eishockey ausserhalb der Stadien nicht mehr stattfindet und aus der grossen Wahrnehmung verschwunden ist.