Servettes ausländische Graubärte erleben einen sportlichen Altweibersommer und spielen auch im 7. Finalspiel gegen Biel eine entscheidende Rolle. Sie erzielten gleich alle vier Tore für die Genfer. Die Erhöhung von vier auf sechs Ausländern hat Servette die Möglichkeit eröffnet, die Spieler einzukaufen, die erst den noch verdienten Triumph möglich gemacht haben.
Servettes historischer Triumph hat viele Väter. Die wichtigsten haben einen ausländischen Pass. Sami Vatanen (31), Weltmeister, Olympiasieger aus Finnland, läuft in der 4. Minute einfach durch die ganze Bieler Verteidigung hindurch und erzielt das 1:0. Kurz darauf trifft er im Powerplay zum 2:0 (8. Min.) und Daniel Winnik (38) trifft zum 3:0 (24. Min.). Das Ende aller Bieler Meisterträume. Der Anfang einer langen Meisterfeier. Der ersten in Genf seit der Gründung des Klubs im Jahre 1905.
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— Genève-Servette HC (@officialGSHC) April 27, 2023
Ce 27 avril 2023 est 𝗛𝗜𝗦-𝗧𝗢-𝗥𝗜𝗤𝗨𝗘 ! Le 𝐆𝐒𝐇𝐂 est 𝘊𝘩𝘢𝘮𝘱𝘪𝘰𝘯 𝘥𝘦 𝘚𝘶𝘪𝘴𝘴𝘦 ! 🦅🇨🇭
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Gute ausländische Spieler wie Sami Vatanen kosten viel Geld. Nettosalär plus Steuern, plus Wohnung, plus Schule für die Kinder, plus Flugtickets. Eine halbe Million reicht bei Weitem nicht. Was uns zur alles entscheidenden Frage führt: Ist es möglich, einen Titel zu kaufen? Bisher galt: Nein, es ist nicht möglich.
Zwar haben im 21. Jahrhundert nur Klubs mit vollen Geldspeichern die Meisterschaft gewonnen: Die ZSC Lions, Lugano, Davos, der SC Bern und Zug. Aber gekauft war die Meisterschaft im 21. Jahrhundert noch nie. Es ist weder Lugano noch Davos, den Zürchern, den Bernern oder den Zugern gelungen, allein durch den Einkauf der besten Spieler eine Meistermannschaft zusammenzustellen. Weil es den Markt für diese Spieler gar nicht gegeben hat: Ein oder zwei „Titanen“ sind zwar immer erhältlich. Doch sie können den Titel nicht garantieren.
Erst diese Saison war es anders. Servettes historischer Triumph hat vielleicht nicht gerade Väter, aber doch Göttis in Zug und Bern. Es waren Zugs Manager Patrik Lengwiler und Berns alter und neuer Geschäftsführer Marc Lüthi, die auf diese Saison die Änderung des Ausländerreglements durchgesetzt haben: Erstmals dürfen sechs ausländische Spieler (vorher vier) eingesetzt werden. Vier Ausländer können ein Team veredeln. Sechs aber zur Meisterschaft tragen.
Zwei Teams haben von der neuen Regelung maximal profitiert: Langnau und Servette. Beide haben ihr Geld in erstklassige Ausländer investiert. Den Langnauern und den Genfern ist es gelungen, alle sechs Ausländerpositionen erstklassig zu besetzen. So haben sich die Emmentaler den Gang in die Liga-Qualifikation erspart und die Genfer den ersten Titel ihrer Geschichte gesichert. Titelverteidiger Zug und der SC Bern haben diese Investitionen gescheut. Und sind dafür bestraft worden.
Sportchef Marc Gautschi erkennt im letzten Sommer die einmalige Chance. Die Hockeygötter haben für Servette ein Zeitfenster geöffnet, das sich bald wieder schliessen wird. Sollte es gelingen, die Mannschaft mit ein paar guten Schweizern zu verstärken und alle sechs Ausländerpositionen erstklassig zu bemannen – dann müsste der erste Titel der Geschichte möglich werden. Geld ausgeben jetzt! Geld, das dank der Stiftung von Rolex-Gründer Hans Wilsdorf in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht.
Genau das hat Sportchef Marc Gautschi mit viel Verstand und Gespür getan. Nur mit Verstand und Gespür investiertes Geld zinst im Sport. Er holt Torhüter Robert Mayer heim nach Genf, gibt dem in Bern unglücklichen Vincent Praplan eine neue Chance (er sollte seine Punkteproduktion nahezu verdoppeln) und lockt mit einem Fünfjahresvertrag den Energiestürmer Alessio Bertaggia von Lugano nach Genf. Sein Vorgänger Chris McSorley hatte in mehr als 20 Jahren Aufbauarbeit und geschickte Transfers bereits das Fundament für diesen meisterlichen Final gelegt. Im vierten Final nach 2008 (gegen den ZSC), 2010 (gegen den SCB) und 2021 (gegen den EVZ) ist der grosse Triumph nun geglückt.
Der Kreis schliesst sich: Paul-André Cadieux (75) hat als Spielertrainer mit dem SC Bern 1974 den HC La Chaux-de-Fonds entthront. Nun hat es mit seinem Sohn Jan Cadieux (43) erstmals seit 1973 wieder eine Meisterfeier im Welschland gegeben. Jan Cadieux ist der perfekte Trainer für dieses Servette: Er kennt die DNA des Klubs als Spieler (acht Jahre) und als Assistent (zwei Jahre) ehe er am 10. November nach der Entlassung von Patrick Emond zum Cheftrainer befördert worden ist.
Jan Cadieux ist kein Selbstdarsteller. Ein freundlicher, cooler, fast scheuer Perfektionist, der erst in der Kabine und an der Bande aufblüht und seinen Spielern das Scheinwerferlicht überlässt und es nicht nur meisterhaft versteht, mit grossen Spielerpersönlichkeiten umzugehen. Unter ihm haben hochtalentierte, eigenwillige und sensible Spieler wie Torhüter Robert Mayer, Stürmer Vincent Praplan, die an anderen Orten völlig verkannt worden sind, ihr bestes, ihr meisterliches Hockey gespielt. Ein wenig mahnt Jan Cadieux an einen anderen coolen Meistertrainer des Playoff-Zeitalters: An den SCB-Meistercoach Bill Gilligan.
In den Playoffs hat die Erfahrung der ausländischen Graubärte – Henrik Tömmernes (32), Sami Vatanen (31), Valtteri Filppula (39), Teemu Hartikainen (32), Linus Omark (36) und Daniel Winnik (38) – die Differenz gemacht. Auch die drei wichtigsten Schweizer – Torhüter Robert Mayer (33), Leitwolf Tanner Richard (30) und der eingebürgerte Kanadier Marc-Antoine Pouliot (37) - sind ins dritte Lebensjahrzehnt eingetreten. Energie hatten die Oldies genug. Weil Servette über vier Linien sehr gut besetzt ist. Sogar besser als Biel. 13 wichtige Spieler des Meister sind 30 und älter, fünf sogar über 35. Diese Altersstruktur zeigt uns: Servette gehört die Gegenwart. Aber nicht mehr die Zukunft.
Die Westschweiz kann auch deshalb den ersten Titel seit 1973 feiern, weil Servette der erste welsche Klub seit dem meisterlichen La Chaux-de-Fonds der 1970er Jahre ist, der die Titanen der Liga wirtschaftlich auf Augenhöhe herauszufordern vermag. Deshalb ist es gelungen, die richtigen (und teuren) Ausländer zu verpflichten.Die Geschichte dieses Titels ist also auch eine Finanzgeschichte: Der Hotelier Marco Torriani kann zu Beginn des Jahrhunderts amerikanische Investoren zum Einstieg in Genf überreden (Anschutz-Gruppe).
Das Geld der Amerikaner bringt Chris McSorley nach Genf und der Klub kehrt im Frühjahr 2002 nach 25 Jahren wieder in die höchste Liga zurück. Als sich die Amerikaner nach ein paar Jahren zurückziehen, übernimmt Chris McSorley den Klub, kann ihn mit einem wirtschaftlichen Balanceakt - Geld von russischen Investoren inklusive – am Leben erhalten bis Servette schliesslich in den rettenden Hafen der Rolex-Stiftung einläuft und dort heute sicher verankert ist.
Servette benötigt nach dem historischen Triumph eine Atempause. Eine Titelverteidigung wäre ein Wunder. Die Erneuerung der Mannschaft wird zwar dank einer formidablen Nachwuchsorganisation, gutem sportlichen Management und solider Finanzbasis gelingen. Aber sie braucht Zeit. Ein sportlicher Altweibersommer hat Servette den Titel gebracht. Nächste Saison wird das Hockey-Wetter in Genf rauer.
Ein Goalie der in einen anderen Team Kabinenverbot bekam und dann bei der ersten Gelegenheit wegtransferiert wurde.
Nur Spieler anwerben bringt nichts. Man muss sie auch halten und weiterentwickeln.
Ob einer abliefert oder nicht hängt aber nicht vom Geld ab. Es braucht einen Sportchef, der das Geld für Spielerpersönlichkeiten einsetzt, die das Team auch verstärken und vor allem ein Trainer der Vertrauen gibt, die Zahnräder ineinander griffen lässt und das Team stärker macht als die Summe der Einzelspieler ergeben würde.
♥️Leiche Gratulation nach Genf zum erkämpften und verdienten Meistertitel.