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Eismeister Zaugg: Das Transfertheater um David Aebischer

Langnaus Dario Rohrbach, links, gegen Lakers' David Aebischer, im Eishockeyspiel der National League zwischen den Rapperswil-Jona Lakers und den SCL Tigers, am Dienstag, 26. September 2023, in de ...
Bei den Lakers schultert der erst 23-jährige Verteidigungsminister diese Saison am meisten Eiszeit von allen Spielern (20:52 Minuten): David Aebischer. Bild: keystone
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Grüsse vom Kamelmarkt – oder warum auch die Lakers nie Meister werden

Um Verteidiger David Aebischer könnten die Lakers ein Meisterteam bauen. Aber die ganz besonderen Verhältnisse in unserer höchsten Liga verunmöglichen es einem «Kleinen», Meister zu werden.
02.10.2023, 01:4402.10.2023, 13:51
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Die National League ist ausgeglichen. Selbst der Tabellenletzte Ajoie hat an einem guten Abend gegen jeden Gegner eine Chance. Aber diese Ausgeglichenheit ist eine «optische Täuschung». Eine gläserne Decke trennt oben und unten. Die vermeintlich Kleinen sind nicht dazu in der Lage, diese Decke zu durchbrechen. Die Hierarchie ist zementiert. Die Rapperswil-Jona Lakers sind ein Musterbeispiel, warum das so ist. Meister werden seit Einführung der Playoffs (1986) immer die Titanen mit den grossen Geldspeichern. Auch das meisterliche Kloten der 1990er Jahre zahlte meisterliche Saläre.

Die einzige ausgeglichene Liga mit Chancengleichheit für alle ist die nordamerikanische National Hockey League (NHL). Hier kann tatsächlich jeder den Stanley Cup holen. Primär aus drei Gründen. Erstens haben durch die 2005 eingeführte Lohnbegrenzung alle Teams finanziell die gleichen Voraussetzungen. Ein Meisterteam kann nicht zusammengekauft werden. Zweitens sorgt das Draft-System dafür, dass die schwächsten Teams den ersten Zugriff auf die besten Talente haben, die noch nicht in der NHL spielen. Beispiel: Pittsburgh hat um zwei Erstrundendrafts zwei Stanley-Cup-Siegerteams aufgebaut: erst um Mario Lemieux, dann um Sidney Crosby. Drittens: Niemand kann sich auf Kosten der Konkurrenz verstärken: Transfers sind im Grundsatz Tauschgeschäfte. Wer einen Spieler verliert, bekommt Realersatz.

Womit wir bei den Rapperswil-Jona Lakers angelangt sind. Sportchef Janick Steinmann hat im Sommer 2021 Gottéron den Verteidiger David Aebischer (er ist mit dem gleichnamigen Torhüter nicht verwandt) ausgespannt. Christian Dubé, Trainer und Sportdirektor bei Gottéron, erinnert sich: «Wir hatten keine Chance. Die Lakers boten Aebischer eine so zentrale Rolle im Team an, die wir ihm noch nicht geben konnten.» Bei Gottéron musste er sich pro Partie mit weniger als 10 Minuten Eiszeit begnügen. Bei den Lakers schultert der erst 23-jährige Verteidigungsminister diese Saison am meisten Eiszeit von allen Spielern (20:52 Minuten). Mit einem Punkt pro Spiel ist er zudem der produktivste Verteidiger der Liga. Um ihn herum könnten die Lakers ein Meisterteam konstruieren wie einst Boston um Bobby Orr. Wenn ihn die Lakers mit einem vernünftigen Salär zu halten vermögen. Sein Vertrag läuft aus. Womit wir beim Problem der fehlenden Ausgeglichenheit sind.

Die Lakers haben zwei Möglichkeiten: David Aebischer mit einem Langzeitvertrag (mindestens fünf Jahre) binden und sich finanziell so stark engagieren, dass das Geld für weitere Verstärkungen für ein Meisterteam nicht mehr reicht. Oder sie können ihn ziehen lassen, bekommen dann aber – anders als in der NHL – vom neuen Klub keinen sportlichen Realersatz. Beides hat die gleichen Konsequenzen: Es ist ohne volle Geldspeicher nicht möglich, ein Meisterteam aufzubauen. Es ist nicht möglich, die gläserne Decke zu durchbrechen, die oben von unten trennt.

Wer Ausbildungsklub ist – also junge Spieler entdeckt und ausbildet –, kann es sich finanziell nicht leisten, diese Talente zu halten. Einmal Ausbildungsklub, immer Ausbildungsclub und nie Schweizer Meister. David Aebischer ist ein aktuelles Beispiel.

Rapperswils Postfinance Topscorer David Aebischer, rechts, gegen Ajoies Steven Macquat, im Eishockeyspiel der National League zwischen den Rapperswil-Jona Lakers und dem EHC Biel, am Freitag, 30. Sept ...
Rund um David Aebischer, hier im Einsatz gegen Ajoies Steven Macquat, läuft in diesen Tagen das klassische Transfertheater.Bild: keystone

Abgänge von hochkarätigen Talenten können in der National League von den «Kleinen» nicht kompensiert werden. In der NHL bekämen die Lakers, wenn ein Spieler mit so viel Entwicklungspotenzial wie David Aebischer beispielsweise von Lugano abgeworben würde, als Realersatz mindestens Mirco Müller, Santeri Alatalo und Calle Andersson. In der NHL kann sich kein Team auf Kosten eines anderen verstärken. Eine Ausgeglichenheit, wie sie die NHL kennt, ist nur durch massiven Eingriff in die Handlungsfreiheit der Klubs (Salärbegrenzung, Draft-System) zu erreichen. Also durch die Einschränkung des freien Marktes. Bei uns fehlen dafür die gesetzlichen Voraussetzungen.

Rund um David Aebischer läuft in diesen Tagen das klassische Transfertheater, das es in dieser Form mit allen Zutaten nur bei uns gibt. Einmalig, dass in der National League bereits im September über Wechsel vom kommenden Frühjahr verhandelt und offiziell entschieden wird. Absolut einmalig, dass David Aebischers Agent Sven Helfenstein regelmässig als Experte im TV-Studio des Bezahlsenders MySports sitzt und dort direkt oder indirekt die Beurteilung und damit den Marktwert seiner Klienten (es sind mehr als 50 in allen Gehaltsklassen und auch Trainer) beeinflussen darf. Das gibt es in keiner anderen seriösen Liga.

Im Fall von David Aebischer ist allerdings keine direkte oder indirekte Werbung im TV-Studio erforderlich. Luganos Sportchef Hnat Domenichelli sagt: «Er ist der beste Verteidiger der neuen Generation, der in der Schweiz zu haben ist.» Um ihn herum will er ein neues «Grande Lugano» bauen. Auf die Bemerkung, jemand offeriere David Aebischer einen Fünfjahres-Vertrag, reagiert er mit Unruhe. «Das sind nicht wir. Da muss ich mich sofort erkundigen.» Er könnte ehrlicherweise auch sagen, er müsse bei der Offerte wohl nachlegen.

Der Preis wird vom Agenten in die Höhe geschraubt, wie beim Kamelmarkt von Douar Laaskar in Marrakesch. Da es – anders als in der NHL – keine Lohnobergrenze für Teams gibt, kann ein Titan wie Lugano beliebig viel Geld für einen Spieler ausgeben. Inzwischen hat sich Luganos Sportchef bei David Aebischer erneut über den Stand der Dinge erkundigt und sagt nur halbwegs beruhigt: «Er hat sich noch nicht entschieden.»

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
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Nation Flag

Aktuelle
Note

  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

5,2

09.22

5,2

09.23

5,2

01.24

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

  • Er ist

  • Er kann

  • Erwarte

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HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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super_silv
02.10.2023 03:23registriert August 2014
Es ist ein riesen Theater. Die Covid Vorsätze sind längst vergessen.
Lieber teure Spieler verpflichten und dann jammern als eigene junge fördern.
War auch bei Egli so. Davos holte Egli und Fora, gleichzeitig wurde aber über Geldsorgen berichtet.

Wenn man aber sieht wer der Agent von Aebischer ist, verwundert es nicht, wenn am Schluss 500k+ /Jahr für ihn bezahlt wird. Ob der Spieler glücklich wird ist nich relevant. Hauptsache der Agent sahnt ab mit mega Verträgen.
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Spitzbueb
02.10.2023 06:04registriert Dezember 2020
Realersatz Calle Andersson! Der war gut...
404
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Lars mit Mars
02.10.2023 02:05registriert März 2020
Tja, money talks, bullshit walks
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