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Wenn Ajoie die NLB gewinnt, dann entfällt die Liga-Qualifikation und Langnau und Biel sind alle Abstiegssorgen los. So einfach ist es. Wäre es.
Langnau und Biel sind am Dienstagabend fast am Ziel. Ajoie braucht noch einen Sieg zum NLB-Titel und führt in Rapperswil-Jona 209 Sekunden vor Schluss 3:1. Alles klar. Die Lakers sind bis zu diesem Zeitpunkt chancenlos. Sie bringen keine Intensität ins Spiel, die Pässe sind ungenau und alle Angriffsversuche versanden in Einzelaktionen. Eine Wende scheint ausgeschlossen.
Und dann brechen alle Dämme. Es folgt eine Wende, wie ich sie in 30 Jahren Nationalligahockey kaum je gesehen habe. Bei angezeigter Strafe gelingt das 2:3 – und nun brausen die Lakers über ihren Gegner hinweg. 141 Sekunden vor Schluss gelingt der Ausgleich. In der Verlängerung dominieren die Lakers ihren Gegner sogar in Unterzahl und erzielen schliesslich den Siegestreffer zum 4:3 mit einem Mann weniger auf dem Eis.
Sie entwickeln eine Dynamik, Wucht und Intensität, die Biel und Langnau in den Grundfesten erschüttern würde. Die NLB-Finalserie steht nur noch 2:3. Nächster Akt in diesem Drama am Freitag in Pruntrut. Und, wenn die Hockeygötter wollen, folgt am Sonntag in Rapperswil-Jona das 7. Finalspiel.
Was die Bieler und die Langnauer ein wenig beunruhigen sollte: offensichtlich steht irgendwo geschrieben, dass es zu einem Drama in der Liga-Qualifikation kommen soll. Denn der Lakers-Sieg vom Dienstag hat noch eine ganz besondere, zusätzliche Dramatik: Trotz totaler Dominanz haben die Lakers beim einzigen echten Gegenangriff in der Verlängerung den «sudden death» erlitten. Ajoie gelingt das 4:3 und für kurze Zeit wähnen sich die Jurassier als NLB-Meister. Sie jubeln, Torhüter Gauthier Descloux stürmt übers ganze Eisfeld um sich seinen jubelnden Kameraden anzuschliessen.
Aber die Saison ist für die Lakers noch nicht zu Ende. Die beiden Schiedsrichter Nadir Mandioni und Philipp Clément konsultieren das Video. Und dort sehen sie, dass der Puck die Linie nicht ganz überschritten hat. Es fehlen ziemlich exakt drei Millimeter. Drei Millimeter trennen die Lakers vom Saisonende, Ajoie vom NLB-Meistertitel und Langnau und Biel vom Ligaerhalt. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Drei Minuten später trifft Andrew Clark zum 4:3 für die Lakers. Torhüter Descloux hatte seinen Stock verloren und wirkte irgendwie wehrlos.
Nun geht es am Freitag weiter. Spiel sechs. Gleichen die Lakers die Serie in Pruntrut aus, folgt das Finale am Sonntag in Rapperswil-Jona. Und damit hat die Playoutpartie zwischen den SCL Tigers und Biel am Donnerstag die Brisanz behalten. Wenn die Lakers das Wunder schaffen, dann werden sie in einer Liga-Qualifikation ein teuflisch gefährlicher Gegner sein. Für die SCL Tigers und für Biel. Denn die Lakers hätten dann ein Comeback geschafft, das jedes Team zusammenschweisst und zu jenem «unverwundbaren» Selbstvertrauen führt, das jede Sensation möglich macht – sie wären dann sozusagen ein SC Bern der Liga-Qualifikation.
Zurzeit muss sich Biel die grösseren Sorgen machen als Langnau. Denn eine Frage treibt den neutralen Chronisten um: Ist Kevin Schläpfer kein Hockeygott mehr? Hat Biel ein Problem in der Garderobe?
Noch vor einem Jahr wäre eine solche Frage absurd gewesen. Da war Kevin Schläpfer eine der bekanntesten Hockey-Persönlichkeiten im Land und Biel als verschworene Einheit eine Mannschaft der Herzen, welche die ZSC Lions im Viertelfinale in sieben Spielen an den Rand des Ausscheidens brachte. Und so war es nur logisch, dass der Verband Biels Trainer im letzten Herbst gerne als Nationaltrainer gehabt hätte.
Kevin Schläpfer hat unter Tränen (und mit Vertrag bis 2018) darauf verzichtet, Nationaltrainer zu werden. Inzwischen ist er in Biel nach wie vor ein guter, aber «nur» noch ein gewöhnlicher Trainer. Bei einer weiteren Niederlage in den Playouts am Donnerstag in Langnau wird Biel die Saison auf dem zwölften und letzten Platz beenden – und zumindest zur Stunde drohen immer noch Liga-Qualifikation und Abstieg.
Der neutrale Chronist wird einfach den Eindruck nicht los, dass Kevin Schläpfer in den letzten Wochen viel von seinem Charisma verloren hat. Er wirkt in diesen Tagen angespannt. Wie ein nervös gewordener «Hockey-Gott». Die lockeren Sprüche sind kurzen, knappen Antworten gewichen. Nichts illustriert seine Wandlung vom Hockey-Gott zum gestressten Trainer besser als sein Zerwürfnis mit Daniel Steiner (35). Biels Problem in der Garderobe.
Daniel Steiner sah am letzten Sonntag die Bieler Niederlage gegen Langnau (1:3) auf der Tribüne. Der beste Skorer der Platzierungsrunde (10 Spiele/9 Punkte) ausgemustert – und nach dem Spiel beklagt sich der Trainer über fehlende Offensivkraft. «Wir hatten genug Chancen, um das Spiel zu gewinnen. Aber wir sind im Abschluss zu wenig kaltblütig.» Was einen boshaften Chronisten zur Bemerkung veranlasst, der Topskorer habe halt gefehlt. Kevin Schäpfer überlegt kurz und sagt dann: «Das ist eine provokative Bemerkung.» Da hat er recht. Wenn der statistisch beste Stürmer nicht spielen darf, so ist das eine provokative Frage wert.
Daniel Steiner sagt: «Ich bin topfit. Aber wenn Sie wissen wollen, warum ich nicht spiele, dann fragen Sie bitte den Trainer.» Kevin Schläpfer sagt, es gebe keine Probleme. «In den letzten Partien wirkten ein paar Spieler etwas ausgebrannt. Dazu gehört auch Daniel Steiner. Deshalb habe ich ihn durch einen frischeren Spieler ersetzt.»
So einfach ist die Sache nicht. Das Zerwürfnis ist mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr zu kitten. Daniel Steiner hat sein Herz längst bei seinen einflussreichen Gewährsleuten in Langnau ausgeschüttet (wo er insgesamt acht Saisons gespielt hat) und sich bitter über die ungerechte Behandlung durch den Trainer beklagt. Dabei hat er durchblicken lassen, dass in Biel rund um Kevin Schläpfer längst nicht mehr alles Gold sei, was glänze.
Ist Daniel Steiner ein schwieriger Spieler? Nein, ist er nicht. Der freundliche Rock’n’Roller hat zwar die Band schon oft gewechselt. Er stürmte schon für die SCL Tigers (acht Jahre), für die ZSC Lions, für die Lakers, tourte eine Saison durch Nordamerika (2009/10), spielte anschliessend erneut für Langnau, dann für Lugano und für Ambri. Im letzten Sommer wechselte er mit einem Zweijahres-Vertrag (bis 2017) nach Biel.
Warum die Aufregung? Daniel Steiner ist ein unberechenbarer Stürmer. Für den Gegner (deshalb ist er torgefährlich). Aber auch für den eigenen Trainer. Weil er, wie alle echten Rock’n’Roller, die Defensivarbeit nicht liebt – und das hat zum tiefen Zerwürfnis mit dem Trainer geführt.
Daniel Steiner sagt ein bisschen scheinheilig: «Ich habe in Biel einen Vertrag. Mehr kann ich nicht sagen. Aber es stimmt: Langnau ist der Klub meines Herzens.» Was er wohlweislich nicht sagt: Beim «Herzausschütten» in Langnau ist ihm verheissen worden, dass man ihn, den verlorenen Sohn, nicht vergessen habe. Was man auch so deuten kann: eine Rückkehr heim ins Emmental, dorthin, wo seine Karriere begonnen hat, ist möglich.
Sportchef Jörg Reber hat zwar das Transferbudget für Schweizer Spieler schon aufgebraucht. Aber es gibt immer Verwaltungsräte, die noch etwas Geld in die «Transfer-Kriegskasse» nachlegen. Allerdings muss Daniel Steiner mit Biel eine Lösung finden (er verhandelt selber und hat keinen Agenten mehr) und bereit sein, in Langnau für weniger als 200'000 Franken Salär auf Torjagd zu gehen.
Kevin Schläpfer hat Glück: das Verpassen aller Saisonziele (Playoffs oder wenigstens Platz 10 und vorzeitiger Liga-Erhalt) wird noch nicht ihm angelastet. Der Sündenbock heisst Daniel Steiner und der wird nicht, wie die Sündenböcke zu biblischen Zeiten, in die Wüste geschickt. Sondern bald ins Emmental transferiert.
Biels tüchtiger Sportchef Martin Steinegger wird also keine Schwierigkeiten haben, Daniel Steiner «loszuwerden». Hingegen wird er noch viele Telefonate brauchen, um auch für Fabian Sutter (33) einen neuen Arbeitgeber zu finden. Er hat den Center im letzten Sommer für drei Jahre aus Zug geholt und wäre nun froh, wenn er den sensiblen Schillerfalter auch nach Langnau transferieren könnte.
Aber das wird nicht möglich sein. Der Entscheid ist bereits gefallen: Die SCL Tigers werden ihn nicht übernehmen. Die Gewährsleute melden eine interessante Begründung: Fabian Sutters Vater Ueli ist geschäftsführender Präsident der Stadiongenossenschaft und liege mit dem Tigers-Management gar oft übers Kreuz. Man wolle nun seinen Bub nicht in der Kabine haben und so womöglich die Gerüchteküche im Dorf anheizen. Das «Gliiir» wolle man jetzt, wo man Ruhe habe, nicht mehr.
Im Bernbiet gibt es einen alten Spruch: «Gott möge mich bewahren vor Ärzten, Fürsprechern und Notaren.» Für die Bieler gilt: «Gott möge uns davor bewahren, in einer Ligaqualifikation ohne Daniel Steiner nach Rapperswil-Jona zu fahren.»