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Wäre Pekka Tirkkonen noch im Amt, dann wäre dies wahrscheinlich sein letztes Spiel für den EHC Kloten gewesen. Denn der Coach hat den Sieg nach 60 Minuten vergeben. Aber nun steht Kevin Schläpfer an der Bande. Niemand, der bei Sinnen ist, wird ihn nach seinem ersten Spiel in Frage stellen.
Aber es ist, wie es ist: Bei seinem ersten Auftritt seit 350 Tagen auf der grossen Bühne ist Kevin Schläpfer gnadenlos «ausgecoacht» worden.
Kloten führt 2:0. Die Zuschauer haben sich schon zur «Standing Ovation» erhoben. Die letzte Minute läuft. «But it’s not over before the fat lady sings.»
Gottérons Bandengeneral Mark French verlangt ein Time-Out und nimmt Torhüter Ludovic Waeber vom Eis. 42 Sekunden vor Schluss trifft Jim Slater zum 1:2. Und nun macht Kevin Schläpfer einen Anfängerfehler. Jetzt verlangt auch er 12 Sekunden vor Schluss ein Time-Out.
Trainer-Legende Paul-André Cadieux, heute temperamentvoller Radio-Kommentator, verwirft die Hände: «Nein, doch nicht jetzt! So bekommen Gottérons beste Spieler eine Verschnaufpause». Genau das ist es. Fünf Sekunden vor Schluss trifft Rossi zum 2:2.
Schliesslich wird Vincent Praplan im 18. Penalty den Sieg doch noch sichern. Aber ein goldener Punkt ist leichtfertig verschenkt worden. Für Schlusslicht Kloten ist jeder Punkt wichtig. Im Frühjahr wird im Kampf um die Playoffs jeder Punktverlust ein Drama sein. Aber ein leichtfertig verschenkter Punkt im Herbst zählt genau gleich viel.
Ein Spiel wie jedes andere konnte es so oder so gar nie sein. So wie der unglücklich Verliebte jede Regung seiner Angebeteten als Zeichen der Zuneigung deutet, so ist gestern alles, was auf dem Eis geschah, auf Kevin Schläpfers Wesen und Wirken zurückgeführt worden.
Kein Trainer in Klotens Geschichte hat je mit so viel medialer Aufmerksamkeit sein Amt während der Saison angetreten. Es war wie das Warten auf einen Superstar, der endlich wieder auf die grosse Bühne zurückkehrt. Es fehlte nur die Ankündigung des Speakers vor dem Spiel «Kevin has entered the building».
Jetzt coacht er wieder, Gott sei Dank. Erstaunlicherweise gab es keinen rauschenden Empfang für den Rockstar der Schweizer Trainer. Und die Arena war nicht ausverkauft. Keine Spruchbänder. Und es sind auch keine Slips oder BHs aufs Eis geflogen.
In der puritanisch-calvinistischen Provinz des Zürcher Unterlandes gibt es eben keine Vorschusslorbeeren. Hier werden ganz einfach Resultate erwartet.
Der Sieg gegen Gottéron nach Penaltys war ein Sieg im Packpapier der Pflicht. Denn es war ein kleines Gottéron. Ohne Leitwolf Julien Sprunger und ohne Goalie-Titan Barry Brust. Der ehemalige Junioren-Nationalgoalie Ludovic Waeber (21) hatte ihn zu vertreten und machte seine Sache gut.
Klotens wahrer Held hiess Luca Boltshauser. Über ihn und nicht über den neuen Trainer sollte die grosse Geschichte dieser Partie geschrieben werden. Klotens Torhüter hielt seine übermotivierten Vorderleute im ersten Drittel im Spiel. Wer weiss, wie es ausgegangen wäre, wenn Gottéron seine zahlreichen Chancen zu einer Führung ausgenutzt hätte. Und er sicherte im Penaltyschiessen den Sieg. Er stoppte 8 Penaltys.
Das war die kritische Kurzanalyse des ersten Auftritts von Kevin Schläpfer an der Bande des EHC Kloten. Geht es auch mit etwas weniger Polemik? Ja, es geht.
Natürlich ist die Kritik am Time-Out vom Ende her betrachtet richtig. Aber es hätte auch sein können, dass das letzte Bully vor Klotens Kasten gewonnen und der Sieg nach 60 Minuten gerettet worden wäre – und dann würden wir das Time-Out als schlauen Schachzug feiern. Diese «Kurzpause», die der Coach einmal im Spiel verlangen darf, eignet sich hinterher, je nach Ausgang, halt wunderbar zur Polemik.
Was bleibt als Erkenntnis, wenn wir Kevin Schläpfers Debüt ganz nüchtern betrachten? Die Einsicht, dass es für ihn in Kloten schwieriger wird, als er sich das vorstellen kann.
In Biel hat er im Frühjahr 2009 in einer Extremsituation (0:2 zurück in der Liga-Qualifikation) die Mannschaft als Nothelfer übernommen und gerettet. Ein Jahr später gelang ihm das gleiche Kunststück und er schaffte die Wende in der Liga-Qualifikation gegen Lausanne nach einem 2:3-Rückstand.
Zweimal wurde er zum Vater eines Hockey-Wunders. Ein Coach wird zum «Hockeygott». Ein Mythos entsteht, die Legendenbildung beginnt von allem Anfang an. Ohne diese legendären Rettungstaten wäre das «Phänomen Schläpfer» in Biel nicht möglich geworden. Kevin Schläpfer war in Biel nie ein gewöhnlicher Trainer.
Nun hat er Kloten zwar auch in einer kritischen Situation am Tabellenende übernommen. Aber bei weitem noch nicht in einer mit Biel vergleichbaren Lage. Kevin Schläpfer ist zwar als charismatischer Trainer nach Kloten gekommen. Aber er muss noch nicht Spiele gewinnen, die er unter keinen Umständen verlieren darf wie damals in Biel. Er muss sich «nur» im Alltag des ganz normalen Spielbetriebs der 50 Qualifikationsrunden bewähren und darauf achten, dass die Flamme dieses Charismas nicht erlischt. Dass er nicht ein gewöhnlicher Trainer wird.
Vorerst gibt Gällstedt noch die Anweisungen im 1. Training von Kevin Schläpfer in Kloten. @EHC_Kloten_1934 pic.twitter.com/Ozik2eH71n
— Lars Nay (@_larsnay) 25. Oktober 2017
Kevin Schläpfer ist nicht ein «Systemlehrer» wie Heinz Ehlers. Von ihm wird nicht erwartet, dass er die Mannschaft taktisch in den nächsten zehn Partien stabilisiert und nach und nach weiterentwickelt. Das ist sowieso nicht sein Ding.
Kevin Schläpfer weckt mit seinem Wesen und Wirken Erwartungen. Von ihm wird ein «Turnaround» erwartet. Schafft er bloss normale Resultate – Pflichtsiege und hie und da ein überraschender Punkt – erlischt sein Charisma und er wird zum gewöhnlichen Trainer.
Wenn Kloten Kevin Schläpfer will, dann will der Hockeygott" ebenso - Mission Ligaerhalt, der richtige Mann
— Beat Moning (@BMoning) 17. Oktober 2017
Der Spielplan könnte nicht interessanter sein. Die Pflichtsiege muss er vorerst auswärts in Langnau (31.10), in Genf (14.11.), in Ambri (18.11.) und in Biel (24.11.) holen. Dazwischen bekommt er Gelegenheit, auf eigenem Eis gegen die ZSC Lions (4.11.) und gegen Bern (19.11.) für einen grossen Sieg, ein Wunder zu sorgen, das von ihm erwartet wird und das seinen Status als «Hockeygott» auch in Kloten bestätigt.
Es darf nicht sein, dass Kevin Schläpfer ein gewöhnlicher Trainer wird. Als gewöhnlicher Trainer funktioniert er in Kloten nicht.