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Wie es sportlich mit dem EHC Winterthur weiter geht nach dem Rückzug

SIHF Ice hockey, Eishockey - EHC Winterthur vs la Chaux-de-Fonds - Gianluca Ogi Winterthur Deutweg Z
Grund zum Jubeln hatte Winterthur in den elf Saisons in der Swiss League eher selten.Bild: www.imago-images.de
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Hockey-Winterthur – ein Hotspot für Saurier, Desperados, Romantiker und Schillerfalter

Der EHC Winterthur steigt Ende Saison freiwillig in die MyHockey League ab. Die sportlichen Folgen sind dramatisch – und die Zürcher laufen Gefahr, im Amateurhockey erst einmal Hinterbänkler zu sein.
12.12.2025, 15:5412.12.2025, 16:19

Eine Liga tiefer – kein Problem. Auf den ersten Blick scheint es so. Bei einem zweiten Blick zeigt sich: Der EHC Winterthur steht vor der grössten Herausforderung seiner Geschichte.

Sportchef Christian Weber ahnt, was auf seinen Klub zukommen wird. Er hat zwar auf Ende April die Kündigung bekommen. Trotzdem beschäftigt ihn das sportliche Schicksal. Es ist ein dramatisches und er ist gewillt, bei der Zusammenstellung des neuen Teams mitzuhelfen. «Wenn es sein muss, stehe ich auch noch länger als bis Ende April zur Verfügung», sagt Weber. Das Wohl des EHC Winterthur liege ihm am Herzen.

«Wir werden keinen aufhalten»

Der EHC Winterthur wird nun erst einmal ein Hotspot für Saurier, Desperados, Romantiker und flügellahme Schillerfalter sein. Christian Weber bestätigt, dass mit dem freiwilligen Abstieg die Spielerverträge wohl Makulatur werden: «Wir müssen praktisch eine neue Mannschaft zusammenstellen.»

Der EHC Winterthur führt zwar die Sport AG weiter. Geschäftsführer Alexander Keller, dem nicht gekündigt wurde, sagt, diese AG werde auch in der MyHockey League für den Spielbetrieb verantwortlich sein. Was bedeutet: Die Spielerverträge über diese Saison hinaus bleiben bei dieser AG. Aber ihm ist klar: «Wir werden niemanden zurückhalten, der bei einem anderen Team in der Swiss League seine Karriere fortsetzen kann.»

Was aber, wenn einer in der MyHockey League künftig lieber bei Frauenfeld, Dübendorf oder Wetzikon spielen möchte? Darauf hat Keller noch keine konkrete Antwort: «Wir werden erst einmal zusammensitzen und die ganze Situation analysieren, um zu sehen, welche Perspektiven wir haben.»

Eine Situation wie in Langenthal

Die Sache ist eigentlich klar: Alexander Keller gibt zu, dass die Spielerverträge für die Swiss League abgeschlossen worden sind. Das bedeutet auch von der juristischen Seite her: Wer will, kann gehen. Winterthur muss sozusagen auf der grünen Wiese ein komplett neues Team bauen. Und dafür kommen erst einmal Saurier, Desperados, Romantiker und flügellahme Schillerfalter infrage.

Gaeste verfolgen die erste Runde des Swiss Ice Hockey Cup zwischen dem EHC Winterthur und dem EV Zug am Mittwoch, 1. Oktober 2014, in der Eishalle Deutweg in Winterthur, Schweiz. (KEYSTONE/Ennio Leanz ...
Im Deutweg wird künftig wieder Amateurhockey gespielt.Bild: KEYSTONE

Dem EHC Winterthur wird es nämlich mit ziemlicher Sicherheit ähnlich ergehen wie dem SC Langenthal, der sich nach 21 Jahren in der zweithöchsten Spielklasse im Dezember 2022 per Saisonende freiwillig aus der Swiss League zurückgezogen hatte. Gerade zwei Spieler blieben: Die «Saurier» Fabio Kläy und Yves Müller. Sie wollten nicht mehr zügeln.

Alle anderen sind gegangen. Entweder fanden sie Unterschlupf bei einem anderen Team in der Swiss League oder wurden von der Konkurrenz aus der MyHockey League abgeworben. Präsident Walter Ryser (er hat das Amt nach dem freiwilligen Abstieg und der Gründung einer neuen AG übernommen) musste eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen – und fand eine originelle Lösung.

Langenthal rief und die Desperados kamen

Im April 2023 wurde ein knapp dreistündiges Sichtungstraining für alle interessierten Spieler organisiert. Auf der Tribüne schauten Trainer, Sportchef und weitere Funktionäre zu, machten emsig Notizen, steckten hinterher die Köpfe zusammen und machten jenen, die brauchbar erschienen, eine Offerte. Der Präsident erinnert sich: «Wir haben so drei Viertel unseres Teams rekrutiert.»

Oltens Florian Schmuckli, Mitte, erzielt das 4:2 gegen Langenthals Goalie Elien Paupe, Haralds Egle, hinten und Tyler Higgins, rechts, waehrend dem Viertelfinal Spiel 5 der Swiss League, zwischen dem  ...
Die Derbys Langenthal – Olten waren mit das Attraktivste, das die Swiss League zu bieten hatte.Bild: KEYSTONE

Zu diesem Sichtungstraining erschienen in erster Linie jene, die in der Swiss League keine Zukunft hatten oder eine einmalige Chance sahen, vielleicht doch noch einmal in ihrer Karriere auf höchstem Amateur-Niveau spielen zu können. Also Desperados, flügellahme Schillerfalter und Romantiker. Darunter unter anderem ein ungarischer Nationalspieler und ein Engländer mit Schweizer Lizenz, ein tschechisch-schweizerischer, mehrere kanadisch-schweizerische sowie zwei japanisch-schweizerische Doppelbürger. Christian Weber sagt, ein solches Vorgehen sei auch in Winterthur denkbar.

Weniger Fans kommen kaum zu den EHCW-Spielen

Den Ligaerhalt sicherten sich die Langenthaler erst im letzten Spiel und für den dramatischen Schlussspurt hatten sie die Saurier Marc Kämpf und Stefan Tschannen aus dem sportlichen Ruhestand gescheucht. So schwierig die sportliche Situation war, so stabil blieb die wirtschaftliche: Die Kosten konnten um mehr als die Hälfte reduziert werden, die Sponsoren blieben zu einem grossen Teil dabei und der Publikumsaufmarsch ging von 1836 auf aktuell 1116 zurück.

In Winterthur wollen diese Saison lediglich durchschnittlich 656 Fans die Spiele verfolgen. In der MyHockey League werden es mit Derbys gegen Frauenfeld, Dübendorf oder Wetzikon nicht viel weniger sein.

EHC Winterthur Coach Christian Weber SWISS Ice hockey, Eishockey - Swiss League EHC Winterthur vs Sierre Winterthur Deutweg Z
Christian Weber will so lange bleiben, wie es nötig ist.Bild: www.imago-images.de

Hockey plus Job plus Wohnung

Was Noch-Sportchef Christian Weber die Sache erschwert: Die MyHockey League hat einen dynamische Transferszene. Wer sich erst jetzt auf dem Markt umsieht, kommt in der Regel zu spät. Es geht zwar nicht mehr um Profiverträge. Aber die guten Amateure verdienen immer noch zwischen 10'000 und 20'000 Franken pro Saison und ein Transfer kann dem Sportchef mehr Arbeit bescheren als in der National League. Denn wer in der MyHockey League einen echten und nicht flügellahmen Schillerfalter will, muss ihm oft eine gute Arbeitsstelle (manchmal auch noch eine für die Freundin) plus eine Wohnung vermitteln. Es geht nur, wenn Sport und Berufsleben kombiniert werden können.

In Winterthur, einer relativ wohlhabenden Stadt in einem der reichsten Länder der Welt, müsste es eigentlich möglich sein, Jobs zu offerieren. Aber einen guten Amateurspieler dazu zu bringen, anderorts eine gute Stelle aufzugeben und nicht nur das Team, sondern auch den Arbeitsplatz und die Wohnung zu wechseln, erfordert viel Verhandlungsgeschick.

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Keine Leihspieler «von oben» mehr

So wie sich Langenthal im Bernbiet auf dem Transfermarkt gegen starke Konkurrenz behaupten muss (Huttwil, Lyss, Thun), so gibt es auch im Osten der Schweiz mehrere Teams in der höchsten Amateurliga (Dübendorf, Frauenfeld, Wetzikon, Bülach), die sich für die aktuellen Spieler des EHC Winterthur interessieren könnten.

Winterthur hat während den elf Jahren in der Swiss League – wie damals Langenthal – von der Zusammenarbeit mit Teams aus der National League profitiert und immer wieder Spieler zur Aus- und Weiterbildung bekommen. Diese Möglichkeit fällt nun weg.

In der dritten Saison hat sich Langenthal inzwischen im Mittelfeld der MyHockey League etabliert, in jeder Partie eine Siegeschance und der Klassenerhalt ist kein Thema mehr. Obwohl von Präsident Walter Ryser umsichtig geführt und wirtschaftlich stabil, ist der SC Langenthal nach wie vor kein Spitzenteam und hat diese Saison schon wieder zwei Prestige-Derbys gegen Huttwil verloren.

In der ersten Saison in der MyHockey League erst einmal den Ligaerhalt sichern und sich dann nach und nach im Mittelfeld etablieren – das ist für den EHC Winterthur das realistische Zukunftsszenario.

PS: Der freiwillige Abstieg von Winterthur wird an der Struktur der Swiss League nichts ändern und keine Revolution auslösen. Dann sind es halt nächste Saison noch zehn Teams und wenn auch noch Bellinzona aussteigen sollte, dann halt neun. Vom Verband, für die Swiss League zuständig, gibt es unter Geschäftsführer Martin Baumann weiterhin keine Taten, nur warme Worte und vielleicht – wer weiss – schon bald wieder ein teures, von alten Geschäftskameraden erarbeitetes «Konzept». Ein Revolutiönchen gibt es erst, wenn sich auch der EHC Olten zum Schritt zurück zum Amateurhockey durchringen sollte.

Auch Langenthals Frauenteam zieht sich zurück
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