Der watson-Eismeister Klaus Zaugg blickt auf die neue National-League-Saison voraus, die am 14. September beginnt. In umgekehrter Reihenfolge seiner Prognose nimmt er alle Klubs der Liga unter die Lupe. Heute der zweitletzte von 14 Teilen – der Meister EV Zug.
Als Zug im Winter 2020 noch seinem ersten Meistertitel seit zwei Jahrzehnten hinterherrannte, sagte Manager Patrick Lengwiler: «Für die Liga wäre es das Beste, wenn in den nächsten 20 Jahren sieben verschiedene Teams Meister werden.» Es störte ihn, dass seit 2006 nur noch Zürich, Bern und Davos Titel gewannen, und er plädierte für eine ausgeglichenere Liga.
Inzwischen sind es die Zuger, die diese Ausgeglichenheit gefährden. Sie haben ihren Titel verteidigt und sind auf dem besten Weg, erstmals seit Kloten mehr als zwei Meisterschaften hintereinander zu gewinnen.
Der Perfektionist Hans-Peter Strebel hat Zug in seinen sieben Jahren als Präsident zu einem Vorzeigeunternehmen im europäischen Eishockey gemacht. Der EVZ ist inzwischen so erfolgreich und populär (letzte Saison eine Stadionauslastung von über 93 Prozent, die höchste der Liga) wie nie. Die Führung entscheidet je nach Situation zügig, aber ohne Hast und alles macht Sinn. Der Präsident hat in Cham das wahrscheinlich modernste Sportleistungszentrum der Welt nicht einfach mit 120 Millionen aus seinen Geldspeichern finanziert – er hat auch seine Ideen darin einfliessen lassen. Von 28 Kaderspielern sind exakt 14 in Zug ausgebildet worden.
Schliesslich ist es gelungen, den perfekten Trainer zu finden: Dan Tangnes, vorher nie Meister, personifiziert Zugs Weg vom Aussenseiter zum meisterlichen Titanen. Er kommt 2018 als Lehrling in die Schweiz. Als 39-jähriger Trainer aus dem Eishockey-Entwicklungsland Norwegen, der in Schweden noch keine einzige Playoff-Serie gewonnen hat und schon zwei Mal gefeuert worden ist.
Er hat in jungen Jahren alles auf eine Karte gesetzt: Er gibt gegen den Rat seiner Eltern einen lukrativen Job in der Privatwirtschaft auf, um eine schlechtbezahlte Trainerstelle anzunehmen. Und bittet in Linköping um die Vertragsauflösung, um nach Zug wechseln zu können.
Inzwischen hat Dan Tangnes in Zug drei Titel gewonnen (Cup 2019, Meister 2021, 2022), gilt als einer der besten Coaches ausserhalb der NHL und Poster-Boy einer neuen Trainergeneration, die Spieler umfassend auf und neben dem Eis versteht, fordert und fördert und nicht bloss kommandiert.
Zug hat also nicht mit viel Geld den besten Trainer eingekauft. Sondern einem vermeintlichen Verlierer das Umfeld geboten, um zu einem der Besten Europas zu werden und zum ersten Mal in unserer Hockey-Historie im Final nach einem 0:3-Rückstand Meister zu werden. Er hat sein unerschütterliches Selbstvertrauen und seine Gelassenheit auf die Spieler übertragen. Nach der wundersamen Finalwende würde es niemanden wundern, wenn der Trainer nun auch noch über die Wasser des Zugersees wandeln würde: Seine Autorität und sein Charisma sind grösser denn je.
Die alles entscheidende Frage ist: Können die Zuger noch besser werden? Wenn ja, dann gewinnen sie die Meisterschaft. Wenn nicht, dann gibt es eine Chance, die Zuger zu entthronen. Wir sollten nicht vergessen, wie knapp die Entscheidung im Final gefallen ist.
Gibt es Gründe, warum Zug die Qualifikation nicht gewinnen und den Titel nicht verteidigen kann? Nein, hockeytechnisch eigentlich nicht. Das Meisterteam von 2022 bleibt nahezu unverändert, die wichtigen Spieler ausser Marco Müller sind immer noch da. Die Hoffnung der Konkurrenz ist eine eher philosophisch-romantisch-sportliche: Die Titanic, das vermeintlich perfekte Schiff ohne Schwächen, entworfen von den besten Ingenieuren, finanziert von der reichsten Reederei und gesteuert vom besten Kapitän der damaligen Zeit, ist doch untergegangen. Schon letzte Saison nützten die Zuger die Zeit vom September bis zum März zum Justieren und Perfektionieren des Spiels und Leonardo Genoni stand auch nicht jeden Abend so auf dem Kopf wie dann im Final. Das ist die Chance der ZSC Lions wenigstens die Qualifikation zu gewinnen.