Was in der Katholischen Kirche die Seligsprechung und im richtigen Leben die Verleihung der Ehrenbürgerschaft, das ist im Hockey das Spielerdress unter dem Hallendach. Das Arbeitskleid eines besonders verdienstvollen Spielers wird im Rahmen einer Zeremonie, bei welcher der Geehrte natürlich anwesend ist, unter dem Hallendach aufgehängt. Die Nummer wird fortan nicht mehr vergeben («Retired Number»). Der Ruhm des Spielers wird sozusagen verewigt. Er wird offiziell in den Adelsstand der Legende erhoben.
Dieser schöne Brauch, dieser Respekt für erbrachte grosse Leistungen, kommt aus Nordamerika. Bei uns ist die ganze Sache noch ein wenig, na ja, verklemmt. Beispielsweise beim SC Bern. Wir haben nach wie vor keine ausgereifte Kultur der sportlichen «Heldenverehrung». Die guteidgenössische Eigenheit, es ja allen recht zu machen, verleitet gerade beim SCB das Management dazu, in dieser Sache keinerlei Risiken einzugehen.
Also ist für die sportliche «Seligsprechung» ein Reglement erarbeitet worden. Wie in einem Bundesamt für Eishockey. So kann SCB-General Marc Lüthi die Hände in Unschuld waschen und Kritikern sagen: «Es entspricht alles den Buchstaben unseres Reglements.»
Die Kriterien sind beim SCB streng. Vier von fünf müssen erfüllt sein. Sie lauten:
Bei Lichte besehen ist diese Reglementierung der Verdienste und des Ruhmes völlig unsinnig. Dazu gibt es jetzt zwei Beispiele. Demnächst wird das Dress von Alain Berger unters Hallendach aufgezogen. «Ja, das ist richtig», bestätigt Lüthi. «Offen ist nur noch der Zeitpunkt. Alain Berger lebt in Kanada und wir müssen schauen, wann es für ihn passt.»
Wer ist Alain Berger? Das ist eine boshafte Frage und damit wir uns richtig verstehen: Der Chronist verneigt sich, so tief er es vermag, vor der Loyalität, der professionellen Einstellung und der Leistung von Alain Berger. Ehre, wem Ehre gebührt.
Tatsächlich erfüllt Berger vier der fünf Kriterien: Er hat im Laufe der Saison 2007/08 beim SCB in der höchsten Liga debütiert und seine Karriere im Frühjahr 2022 beim SCB beendet. Mit Ausnahme von drei Jahren (2010 bis 2013) bei den Junioren und fast zwei Jahren in Montréals Farmteam in der AHL hat er als Profi sein Geld immer beim SCB verdient. Er feierte mit den Bernern vier Meistertitel (2013, 2016, 2017, 2019) und zwei Cupsiege (2015, 2021), und darüber hinaus auch noch zwei Meisterschaften bei den Junioren.
Während insgesamt elfeinhalb Jahren hat der Bruder von Pascal Berger (SCL Tigers) für den SCB 554 Partien gespielt und dabei 76 Skorerpunkte (31 Tore) beigesteuert. Nur ein Kriterium erfüllt er nicht: Auf 50 Länderspiele kommt er nicht. Er musste sich mit zwei Operetten-Länderspielen begnügen.
Wo ist also das Problem? Nun, Alain Berger verdient sich die Auszeichnung für brave und treue Dienste. Eine wichtige Rolle hat er nie gespielt und seine Eiszeit beschränkte sich in der Meistersaison 2018/19 noch auf 9:10 Minuten. Die Offensive hat er nie befeuert, Charisma hatte er keines, ein Bösewicht oder Provokateur war er nie und ein echter Defensivstürmer auch nicht: Sieben Saisons hat er mit einer Minus-Bilanz beendet. Am wohlsten war es ihm, wenn er die Scheibe auf dem Eis nicht hatte.
Etwas polemisch zusammengefasst: Alain Berger ist der erste Ergänzungsspieler, der erste Mitläufer, der beim SC Bern ewigen Ruhm bekommt. Das ist gut und recht. Schliesslich ist Eishockey ein echter, wahrer Teamsport.
Aber eben: Das Reglement, das ihm letztlich diese Ehre beschert, ist absurd. Dazu einfach ein Beispiel: Thomas Rüfenacht ist einer der charismatischsten Spieler der SCB-Historie. Leitwolf bei den Meisterteams von 2016, 2017 und 2019. Acht Jahre lang (von 2014 bis 2022) hat er sich mit einer Leidenschaft sondergleichen für den SCB aufgeopfert. Im Frühjahr 2017 rockte er gar die Playoffs mit 18 Punkten aus 17 Spielen (Alain Berger kam in 16 Partien auf einen einzigen Skorerpunkt) und er wurde zum Liga-MVP der Playoffs gewählt. Eine Knieverletzung beendete Rüfenachts Karriere. Auch das Kriterium der Länderspiele (er ist 55 Mal ins Nationalteam aufgeboten worden und gehörte zweimal zum WM- und einmal zum Olympiateam) erfüllt er.
Wie sehr Thomas Rüfenacht heute noch verehrt wird, zeigt sich, wenn er hin und wieder im Berner Hockeytempel auftaucht. Er lebt mit seiner Familie in Worb und der Weg ins Stadion ist kurz. Spontan bedanken sich Fans bei ihm für das, was er für den SCB geleistet hat.
Keine Frage: In Nordamerika würde sein Dress unters Hallendach gezogen. Aber eben: In der SCB-Bürokratie erfüllt er halt zwei von fünf Kriterien nicht: Er hat seine Karriere nicht beim SC Bern begonnen und nur acht und nicht zehn Jahre das Dress der Berner getragen.
Alain Bergers Trikot bald unter dem Hallendach, Thomas Rüfenachts Trikot nie unter dem Hallendach – das ist ganz einfach unsinnig, absurd, grotesk, lachhaft, vernunftswidrig, Humbug.
SCB-General Marc Lüthi ist ja sonst auch kein «Höseler». Also soll er dieses alberne Reglement abschaffen und erklären: Wessen Dress unter das Hallendach kommt, bestimme ich bzw. der Verwaltungsrat und der Verwaltungsrat bin sowieso auch ich. Damit auch die wahren SCB-Helden zu SCB-Legenden werden können. Punkt. Ende der Polemik.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
„Am wohlsten war es ihm, wenn er die Scheibe auf dem Eis nicht hatte.„
Das erklärt die Karriere perfekt! Gratulation SCB.