ZSC-Cheftrainer Rikard Grönborg (54) ist im besten Wortsinn ein Bandengeneral: autoritär, charismatisch, im allerhöchsten internationalen Ansehen, auch in der NHL bestens bekannt und mehrfacher Weltmeister mit Schweden.
Aber es gibt ein Problem: Die ZSC Lions hegen und pflegen eine der besten Nachwuchsorganisationen Europas. Die Förderung junger Spieler ist eine Herzensangelegenheit von Präsident Walter Frey und gehört zur Philosophie des Unternehmens. Aber von den ZSC Lions wird auch erwartet, dass sie jedes Jahr um den Titel spielen und regelmässig einen gewinnen.
Einerseits Talente fördern und andererseits Siege und Titel einfahren – das ist für jedes grosse Sportunternehmen die Quadratur des Kreises.
Rikard Grönborg beginnt nun seine dritte Saison in Zürich. Für ausbildungstechnische Schneckentänze war er in seinen zwei ersten Jahren nicht zu haben. Er setzte kompromisslos auf Erfolg – und scheiterte: Die Zürcher verloren den Final gegen Zug nach einer 3:0-Führung.
Nicht Meister und die Talente nicht gefördert: Die Kritik am schwedischen Trainer will im Klub und im Umfeld nicht mehr verstummen. Zeitweise ist gar spekuliert worden, das Arbeitsverhältnis könnte vorzeitig aufgelöst werden.
Was nun? Die Philosophie der Ausbildung ist bei den ZSC Lions Gospel. Der Trainer hat sich danach zu richten. Es ist der Klub, nicht der Trainer, der die Philosophie macht.
Aber einem wie Rikard Grönborg beibringen, dass er mehr auf die Jungen setzen muss, ist eine hochheikle Sache. Weil man ihm dann reinreden oder ihn sportlich bevormunden muss.
Ein Mann wie Rikard Grönborg lässt sich in sportlichen Dingen so wenig reinreden wie einst General Norman Schwarzkopf von seinem Jeep-Fahrer beim Sturm auf Bagdad.
Wir finden in einem Stück Weltliteratur eines Dichterfürsten aus dem bäuerlich-theologischen Milieu des 19. Jahrhunderts ein Charakterbild, das akkurat zu Rikard Grönborg passt und uns erklärt, wie diffizil es ist, die Autorität des ZSC-Trainers durch Reinreden oder Bevormundung herauszufordern:
Wir haben es hier also mit einer äusserst sensiblen diplomatischen Angelegenheit zu tun. Und ZSC-Sportchef Sven Leuenberger, einer der Smartesten und Erfahrensten der Branche, hat ein diplomatisches Meisterstück vollbracht. Er hat Rikard Grönborg auf die sanfte Art bevormundet.
Wie das? Er hat für seinen Trainer eine «Talentgruppe» zusammengestellt. Ein Pool aus sechs Talenten, die im Farmteam an die höchste Liga herangeführt werden: Verteidiger Silvan Landolt (21), sowie die Stürmer Nicolas Bächler (18), Joel Henry (19), Livio Curdin Truog (19), Liekit Reichle (19) und Marlon Graf (19).
Einen Spieler, der nicht zur Talentgruppe gehört, kann Rikard Grönborg nur noch in Absprache mit dem Segen des Sportchefs als Ersatz nominieren. Sven Leuenberger sagt: «Das ist richtig.»
Was ist, wenn sich einer der ZSC-Ausländer verletzt? Ist dann denkbar, dass nicht gleich der Schwede Victor Backman oder der Finne Jarno Kärki, sondern einer aus der Talentgruppe von den GCK Lions heraufgeholt wird? «Das ist möglich», sagt Sven Leuenberger. Das müsse man von Fall zu Fall entscheiden.
Der ZSC-Sportchef sagt, der Trainer habe dieses Vorgehen vollumfänglich akzeptiert. Ein diplomatisches Meisterstück also. Sven Leuenberger, der «Grönborg-Flüsterer».
Auf den Punkt gebracht: Neu darf der befehlsgewohnte ZSC-Trainer nicht mehr allein entscheiden, wen er im Falle eines Falles einsetzt. Er muss das Management (den Sportchef) konsultieren, wenn er andere Spieler als die ihm zur Verfügung gestellten Talente vom Farmteam einsetzen will. Er wird vom Management bevormundet.
ZSC-Manager Peter Zahner bestätigt auf Anfrage alles in allem die ganze Angelegenheit. Aber er findet gewisse ihm vorgebrachte Formulierungen und Schlussfolgerungen in der Sache schon etwas polemisch zugespitzt.
Aber in der polemischen Zuspitzung liegt die Wortmächtigkeit des Chronisten, wenn er dem werten Publikum die Vorgänge im Inneren der ZSC Lions verständlich zu machen versucht.
P.S. Der Vertrag mit Rikard Grönborg läuft noch bis im Frühjahr 2023, bis zum Ende der neuen Saison.
Das ist in der Theorie so schön, wie das Märchen von den 14 Ausländer, die zu tieferen Lohnkosten führen sollten! Eigentlich wissen alle schon zum Vornherein, dass es nicht stimmt.
Aber Papier ist geduldig und das Gewissen ist beruhigt!