Im nächsten Frühjahr steigt der Sieger der Swiss League zum letzten Mal direkt auf. Also ohne Liga-Qualifikation. Weil es keinen Absteiger gibt. Dann wird der Auf- und Abstieg wieder eingeführt. Diese Saison bietet für Kloten also die letzte Chance zum «Gratis-Aufstieg».
Kloten ist seit dem Abstieg von 2018 gegen die Lakers (die damals vom neuen Kloten-Trainer Jeff Tomlinson gecoacht wurden) – der ersten Relegation der Klubgeschichte – jedes Jahr Aufstiegsfavorit. 2019 scheiterten die Zürcher schon in der ersten Runde gegen Meister Langenthal. 2020 gewannen sie die Qualifikation. Aber die Playoffs mussten nach der ersten Runde abgesagt werden und es gab keinen Aufsteiger. Vor einem Jahr obsiegten sie erneut in der Qualifikation und unterlagen schliesslich im Final Ajoie.
Und jetzt? Wie es auch immer kommen mag: Niemand wird dem umtriebigen Präsidenten Mike Schälchli, im Wesen und Wirken der Marc Lüthi der Swiss League, vorwerfen können, er habe nicht alles Menschenmögliche unternommen, um dorthin zurückzukehren, wo sein Klub hingehört: in die höchste Liga.
Ja, nie zuvor ist eine «Operation Aufstieg» so gewissenhaft vorbereitet worden. Und ganz wichtig: Mit etwas mehr als 8 Millionen hat Kloten Geld wie Heu. Die ärgsten Liga-Konkurrenten können nicht mithalten. Olten kann 5,8 Millionen ausgeben, Visp 6 Millionen, Langenthal 3,6 Millionen – und die Farmteams (GCK Lions, Ticino Rockets, EVZ Academy) nicht einmal halb so viel wie Kloten.
Kein Wunder, haben die Klotener soeben auch noch von Langnau Alexei Dostoinow übernommen. Ein hochtalentierter, aber launischer Schillerfalter, dessen Künste mit mehr als einer Viertelmillion gelöhnt worden sind. Die Langnauer haben seinen Vertrag vorzeitig aufgelöst und Kloten hat ihn gleich bis zum Ende der übernächsten Saison (2023) übernommen.
Was zur Frage führt: Kann der Aufstieg gekauft werden? Nein. Kloten hat nun die Last des Favoriten, des Titanen, des Ruhmes einer grossen Vergangenheit, eines grossen Namens zu tragen. Wie schwer das sein kann, zeigt sich bei Lugano. Lugano hat – wie Kloten – alle Voraussetzungen für den Titelgewinn, vor allem auch Geld. Aber seit 2006 warten die Luganesi auf die nächste Meisterfeier. Kloten – das Lugano der Swiss League? Ja. Das heisst: Der Aufstieg kann so wenig gekauft werden wie der Meistertitel. Der Meister von 1967, 1993, 1994, 1995 und 1996 ist im Portemonnaie und im Selbstverständnis immer noch ein Klub der National League. Aber nicht mehr in der Kabine, in den Armen und in den Beinen.
Das ist die grosse Herausforderung für Kloten: So ziemlich genau die Hälfte der Spieler ist 30 Jahre alt oder älter. Die meisten haben eine Zukunft in der höchsten Liga hinter sich. Ein wenig boshaft dürfen wir sagen: Sie sind wohl lieber Könige in der Swiss League als sportliche Bettler in einer ungewissen Zukunft in der National League. Das ist zwar tatsächlich boshaft. Trifft aber das Kernproblem von Trainer Jeff Tomlinson. Noch nie war es so schwierig, einem Favoriten der Swiss League Beine zu machen. Bei der Kaderbreite kann er immerhin auch mal Prominenz auf die Tribüne verbannen. Das kann helfen und ist der Unterhaltung förderlich.
Der dritte Qualifikationssieg in Serie ist also Pflicht. Mit Jeff Tomlinson, dem Aufstiegs-, Cup- und Halbfinal-Helden der Lakers, ist der bestmögliche Trainer angestellt worden. Sandro Zurkirchen war in der NL in Lugano zuletzt kein Star, aber in der SL ist er nominell mit Abstand der beste Torhüter. Die weitgereisten Flurin Randegger und Dario Meyer gehören in der zweithöchsten Liga zur defensiven bzw. offensiven Business-Klasse.
Ein wenig überraschend ist die Vertragsverlängerung mit dem bunten Schillerfalter Juraj Simek. Er und der neue Trainer hatten einst bei den Lakers das Heu ganz und gar nicht auf der gleichen Bühne. Aber ein bisschen Unruhe tut den etwas behäbigen «Dorf-Zürchern» vielleicht ganz gut und sorgt dafür, dass sie in den Playoffs dann parat sind. Und im Falle eines Falles ist die Mannschaft inzwischen so gut besetzt, dass der Chef auch mal prominente Namen auf die Tribüne verbannen kann. Kloten hat wahrscheinlich über vier Linien die ausgeglichenste SL-Mannschaft der Geschichte. Diese Kaderbreite macht mehr noch als das Talent die Differenz zu den Herausforderern Olten und Visp.
Der Aufstieg ist zwar nicht sicher. Aber sicher sind: jeden Abend Spektakel im Schluefweg, noch mehr Tore, noch weniger Gegentreffer, zwischendurch ein bisschen Unterhaltung durch Kabinendonner, zahlreiche Kantersiege und in den Playoffs schliesslich und endlich das grosse Bangen, Bibbern, Zittern und Hoffen.
Die Herausforderer sind in erster Linie Olten und Visp. Aber beide sind gegen die mächtigen Zürcher nur in einer Aussenseiterrolle. Olten gilt seit dem Abstieg von 1994 als «unaufsteigbar». Aber gerade diese Kultur des ewigen Scheiterns treibt die Oltner an. Und letzte Saison sind sie im Halbfinal gegen Kloten nur knapp gescheitert. Die bange Frage in Kloten ist also: Kann Olten Meister und Aufstieg? Die Vergangenheit lehrt uns: Nein, sie können nicht. Sie sind ja «unaufsteigbar». Und doch sollten die Zürcher die Mannschaft des neuen Cheftrainer Lars Leuenberger auf der Rechnung haben.
Das Budget ist inzwischen zwar etwas heruntergefahren worden. Aber die Hoffnung auf den Wiederaufstieg ist geblieben. Sie ist Fluch und Segen zugleich. Ein Segen, weil diese Sehnsucht nach der höchsten Liga der Treibstoff des Klubs ist. Ein Fluch, weil dieser unbedingte Wille, endlich, endlich wieder aufzusteigen, eben auch eine lähmende Wirkung haben kann. Und für Präsident Marc Thommen, Manager Patrick Reber und Sportchef Marc Grieder ist es eine heikle Gratwanderung: Einerseits die Finanzen im Griff halten, andererseits investieren, um die vorläufig letzte Chance zum Direktaufstieg zu nützen. Dreimal gingen in den letzten zehn Jahren der Playoff-Final und damit die Aufstiegschancen verloren.
Die Pessimisten sehen die Oltner als ewige Verlierer. Und genau das soll nun der neue Trainer Lars Leuenberger ändern. Von der Energie und der Kompetenz des letztjährigen Biel-Coaches und SCB-Meisterhelden von 2016 erhoffen sich die Oltner mehr als von jedem anderen Cheftrainer seit dem Abstieg vor 27 Jahren. Wer vom 8. Platz aus mit dem SCB Meister geworden ist, kann doch wohl auch mit Olten aufsteigen. Oder?
Der zweite grosse Herausforderer ist Visp. Auf den ersten Blick kein Problem. Seit acht Jahren hat der EHC Visp keine Playoff-Serie mehr gewonnen. Aber nun haben die Oberwalliser in einer für ihre Verhältnisse grossen Transferoffensive aufgerüstet. Die grosse Frage ist für Optimisten nicht, ob die Mannschaft gut genug ist, um Kloten herauszufordern. Sondern: Ist der richtige Trainer verpflichtet worden?
Seit dem Wiederaufstieg von 1999 hat der Schweizer Meister von 1962 zwei Mal die zweithöchste Liga mit kanadischen Trainern gewonnen. 2011 mit Bob Mongrain und 2014 mit Kim Collins. Auch jetzt wäre ein Kanadier bereitgestanden: Yves Sarault, der meisterliche SCB-Leitwolf von 2004, der im Januar als Nothelfer gekommen war. Den Job hat Per Hanberg bekommen, ausgerechnet mit Kloten soeben schmählich im Aufstiegskampf gescheitert, davor aber B-Meister mit Langenthal. Visp hat mit skandinavischen Trainern in der Neuzeit keine guten Erfahrungen gemacht: Unter Matti Alatalo waren die Resultate zuletzt so bieder wie die Unterhaltung.
Nun wird Sportchef Bruno Aegerter den Trainer für allfälligen Misserfolg verantwortlich machen müssen. Denn er hat auf dem Transfermarkt nach Jahren mit wenig Fortune für einmal ganze Arbeit geleistet. Mit Linus Klasen und Niklas Olausson kommen zwei Superstars, die noch immer gut genug für die höchste Liga wären und in der Swiss League 90 Punkte produzieren können. Der «verlorene Sohn» Raphael Kuonen ist aus Langnau heimgekehrt und hat das Potenzial, um der beste Schweizer Skorer der Liga zu werden. Die Frage ist nur, ob der eigenwillige Taktiker und Theoretiker Per Hanberg genug Rock’n’Roll im Blut hat, um den heiligen Zorn zu entfachen, den es für einen Aufstieg braucht.
Schliesslich und endlich haben die Klotener auch noch Langenthal zu fürchten. Nichts ist im Sport so schwer zu ertragen wie Jahre des Ruhmes. Der SC Bern hat drei Titel in vier Jahren geholt und sich von der letzten Meisterfeier im Frühjahr 2019 bis heute nicht erholt. Die Langenthaler haben in drei Jahren zwei Titel geholt und der Meisterblues ist nach der Meisterfeier von 2019 ausgeblieben. Mehr noch: Nach dem Titel von 2019 haben sie das Budget um 800'000 Franken zurückgefahren und bei den Vertragsverhandlungen setzt Sportchef Kevin Schläpfer das Motto «100'000 Franken sind genug» durch. Ein Sturz in die untere Tabellenhälfte wäre also für den Meister von 2012, 2017 und 2019 logisch.
Aber die Langenthaler rocken weiterhin die Liga. Letzte Saison scheiterten sie erst im Halbfinal am späteren Aufsteiger Ajoie. Ein zentraler Faktor in Langenthal: die Energie und die Schlauheit von Sportchef Kevin Schläpfer. Ausgerechnet Kevin Schläpfer. Der Baselbieter hat mit Kloten noch eine Rechnung offen: Er ist im Oktober 2017 in Kloten als Nottrainer verpflichtet, aber dann vor der Liga-Qualifikation gefeuert worden. Bis heute darf er behaupten: Hätte man ihn nicht durch André Rötheli ersetzt, dann hätte er Klotens Abstieg verhindert.
Nun kann er mit Langenthal womöglich Klotens Aufstieg verhindern. Das wäre dann aber eine der grössten Überraschungen in der Geschichte der Swiss League. Und Kevin Schläpfer wäre wieder ein «Hockey-Gott».
(das sage ich schon seit 25 jahren oder so)
:-)
(visp steigt auf)