Zuerst ein wenig Statistik. In einem ausgeglichenen Spiel in Langnau (25:24 Torschüsse) macht er die Differenz. Wer behauptet, Sandro Zurkirchen habe für Kloten den Sieg (4:2) gestohlen, kann auf die Fangquoten der beiden Goalies verweisen: Sandro Zurkirchen (92,00 Prozent Fangquote) war klar besser als Luca Boltshauser (83,33 Prozent).
Nun ist es nicht ganz seriös, aufgrund der Statistik einer einzigen von 52 Qualifikationspartien eine Goalie-Debatte anzuzetteln. Aber Sandro Zurkirchen ist auch über die ganze Saison gesehen (25 Spiele/91,88 Prozent) nicht nur klar besser als Luca Boltshauser (15 Spiele/88,75 Prozent). Er ist sogar hinter Stéphane Charlin, Harri Säteri, Kevin Pasche und Simon Hrubec die Nummer 5 der gesamten Liga!
Der ehemalige EVZ-Junior ist der erstaunlichste und wichtigste Einzelspieler beim Überraschungsteam Kloten. Die Zürcher sind das einzige Team mit zwei tatsächlich gleichwertigen, erfahrenen Schweizer Goalies, die an einem guten Abend beide den Sieg stehlen können: Ludovic Waeber (28) und Sandro Zurkirchen (34). Wobei letzterer die bessere Statistik hat. Also ein letzter Mann, um den sich fast alle bemühen müssten. Oder doch nicht?
Sandro Zurkirchen ist diese Saison einer der besten, konstantesten Torhüter mit Schweizer Pass und weiss nicht, ob seine Karriere in der höchsten Liga weitergehen wird. Dabei ist seine Formkurve auch langfristig über die Saison hinaus eine aufsteigende: Er hat sich in Kloten im Herbst seiner Karriere in der National League in den letzten drei Jahren kontinuierlich gesteigert:
Diese Saison ist er erstmals seit dem Wiederaufstieg die statistische Nummer 1. Wahrlich, ein «vergessener Held». So sieht er sich aber nicht. Er bleibt bescheiden, gibt die Blumen weiter und sagt, er profitiere von der vorzüglichen Defensivarbeit seiner Vordermänner und spricht von einer sehr guten Zusammenarbeit mit Ludovic Waeber.
Aber er bestätigt, dass er noch nicht wisse, wie es weitergehe. Er habe unter anderem mit Kloten und auch mit Langnau Gespräche geführt. «Es ging dabei gar nie um Geld oder die Vertragsdauer. Beide Klubs setzen beim zweiten Torhüter lieber auf ein junges Talent.» Wenn schon, dann sei er das Opfer einer Planung der Klubs. Darüber beklagt er sich nicht. «Ich kann verstehen, dass die Sportchefs als Nummer 2 einen jungen Goalie bevorzugen.»
Kloten hat für die nächste Saison aus Ambri Davide Fadani (24) und aus dem nordamerikanischen Junioren Hockey Ewan Huet (20) als zweite Goalies neben Ludovic Waeber verpflichtet und verzichtet deshalb nächste Saison auf Sandro Zurkirchen. Beim SCB kommt aus Winterthur Christof von Burg (24) und die ZSC Lions haben schon vor einiger Zeit mit Robin Zumbühl (26) verlängert.
Langnau hat Sandro Zurkirchen bereits vor einiger Zeit einen Korb gegeben und setzt nächste Saison weiterhin auf Luca Boltshauser. Als neue Nummer zwei kommt aus Visp Robin Meyer (24).
Was nun? Sandro Zurkirchen weiss es nicht. «Natürlich möchte ich auch nächste Saison in der National League spielen. Aber nach wie vor zeichnet sich keine Lösung ab.» Er habe eine abgeschlossene KV-Lehre und durchaus Optionen auf Arbeit in der Privatwirtschaft. Aber er fühle sich so gut, dass er, wenn immer möglich, seine Karriere fortsetzen möchte.
Kann auch die Swiss League ein Thema werden? Sandro Zurkirchen wäre mit seiner immensen Erfahrung (445 Partien für Zug, Ambri, Lausanne, Lugano, Kloten), seiner Ruhe und Pflegeleichtigkeit der perfekte letzte Mann für eine Mannschaft, die den Aufstieg anstrebt. Er sagt, er würde eine solche Option durchaus prüfen. «Aber das Gesamtpaket müsste stimmen. Ich besitze in Schwyz ein Haus und es ist schon möglich, dass ich mit meiner Familie an einen anderen Ort ziehe. Aber dann muss es möglich sein, dass ich während dieser Zeit mein Haus behalten kann.»
Seit Einführung der Playoffs (1986) war mit ziemlicher Sicherheit noch nie ein Torhüter mit dem Format von Sandro Zurkirchen Ende Februar nach wie vor ohne Aussichten auf einen neuen Vertrag. Das mag ungewöhnlich sein. Aber noch kein Grund zur Beunruhigung. Es gehört zu den Unberechenbarkeiten des Hockey-Geschäftes, dass sich immer wieder Türen öffnen. Wer hätte denn gedacht, dass Dominic Nyffeler (32) diese Saison bei Lugano nochmals ins Profigeschäft zurückkehren würde? Der Bruder von Rappis Melvin Nyffeler hatte nach der letzten Saison in Olten bereits den Rücktritt erklärt und war ins Berufsleben zurückgekehrt.
Sandro Zurkirchen wird am Dienstag 35. Er ist nicht nur zu jung, um seine Karriere schon zu beenden. Er ist vor allem viel zu gut. Er wäre beispielsweise bei Visp der beste Goalie seit Werner Bassani (nach seinem Rücktritt 1972 stieg Visp aus der höchsten Liga ab) – und Visp wäre als «Lugano der Swiss League» auch dazu in der Lage, Sandro Zurkirchen so zu bezahlen, dass er mit seiner Familie ins Wallis zügeln und sein Haus in Schwyz behalten könnte.