Die lange, beschwerliche Reise zum Regenbogen des Ruhmes beginnt für Jussi Tapola am 1. September 2023 in der Berner Hockey-Provinz mit einer Blamage. Er verliert sein erstes Spiel gegen ein Team aus der National League vor knapp 1000 Fans im Wislepark zu Worb (dort, wo das «Blaue Bähnli» hinfährt) gegen die SCL Tigers 2:3. Und kreiert bereits da eine Metapher (eine Bildsprache), die er seither immer wieder anwendet: «All tools but no toolbox.» («Alle Werkzeuge, aber keine Werkzeugkiste»).
Der Finne hat sofort erkannt: Eigentlich ist in Bern alles da: Geld, Talent, Hockeybegeisterung, Tradition. Aber es fehlt die Ordnung, das System. Es obliegt also dem neuen «Bandengeneral», eine Werkzeugkiste zu zimmern. Will heissen: Seinen Spielern ein System beizubringen und wieder klare hierarchische Strukturen in diese «Rudolf-Steiner-Schule» des Hockeys zu installieren. Oder noch einfacher: Eine neue Hockeykultur zu vermitteln. Er hat das Meisterteam von 2019 übernommen, das vier Jahre lang durch fortgesetzte sportliche Misswirtschaft ruiniert worden ist.
Seither ist nun ein gutes Jahr vergangen. Die entscheidende Frage beim SCB ist nicht, ob das Geld oder das Talent reichen, um wieder Meister zu werden. Auch wenn Marc Lüthi jammert, sein Hockey- und Gastrokonzern mache nach wie vor sechs Millionen weniger Umsatz als vor Corona: Geld ist beim SCB bei einem Gesamtumsatz von fast 60 Millionen Franken kein Problem und reichlich vorhanden. Die Berner können sich finanziell die in- und ausländischen Spieler leisten, die sie wollen. Der Ober- und Untersportchef müssen halt das Geld richtig investieren.
Tatsächlich hat der SCB diese Saison erstmals seit Menschengedenken alle Ausländerpositionen gut, sehr gut oder sehr, sehr gut besetzt. Die entscheidende Frage ist daher beim SCB, ob es dem Trainer gelingt, ein System einzufuchsen und eine Kultur zu vermitteln. Kurzum: eine Werkzeugkiste anzufertigen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Am Samstag steht Jussi Tapola in Ambri nach dem Spiel sichtlich entspannt im Kabinengang. Der SCB hat zweimal hintereinander meisterlich gespielt. 7:2 am Freitag gegen Lausanne und nun 3:2 n. V. in Ambri. Im achten Anlauf ist endlich ein Sieg in der Verlängerung oder nach Penaltys gelungen, saisonübergreifend war es sogar der elfte Versuch. «They get the monkey off their back», sagen die Nordamerikaner, wenn eine Negativ-Serie beendet wird. Kommt dazu: Es ist der erste «richtige» Auswärtssieg der Saison. Bisher hatten die Berner lediglich beim ewigen Schlusslicht Ajoie gewonnen. Vom Affen, den seine Spieler nun nicht mehr auf dem Rücken herumschleppen müssen, will Jussi Tapola nichts wissen. Er halte nichts von solchen Sprüchen. Er verstehe die Neigung, Frustration in blumige Wortspiele zu verpacken, halte davon aber nichts. «Es geht um nichts anderes als harte Arbeit.»
Auf die Frage nach der Entwicklung seit seinem Amtsantritt sagt er, das System sei jetzt den Spielern vertraut. Ein Spielsystem gehört ja – um bei der bereits erwähnten Metapher zu bleiben – auch zur Werkzeugkiste. Was in den letzten beiden Partien gegen Lausanne und Ambri aufgefallen ist: Der SCB rockt wieder, spielt intensiv auf den Zehenspitzen und steht nicht mehr passiv auf den Fersen, hat den Mut zu Emotionen und tritt endlich wieder mit der gesunden Arroganz eines Teams auf, das dem Gegner zeigt, dass man sich nichts bieten lässt. Kurzum: Spektakuläres Hockey wie zuletzt vor dem Beginn des «Schablonen-Zeitalters» unter Kari Jalonen. Und kein Vergleich mehr zu den kläglich passiven, ja blamablen Auftritten im September in Kloten (1:2 n. P.), in Rapperswil-Jona 1:2) oder in Langnau (1:2 n. V.). Eine taktische Öffnung, die nicht ohne Risiko ist, sich aber in der Summe auszahlt: Der SCB ist in bisher 19 Partien nur viermal ohne Punkte geblieben.
Wie ist diese Steigerung möglich geworden? Jussi Tapola erwähnt das, was offensichtlich ist: Er rühmt beispielsweise die Ausgeglichenheit mit den zwei Toren, die von der vierten Linie durch Simon Moser gegen Lausanne produziert worden sind. Dann macht er eine Kunstpause und spricht über die vielleicht wichtigste Entwicklung seit seiner Ankunft in Bern. «Wir sprechen inzwischen alle Fehler offen und ohne Schuldzuweisung an. Es geht um die Sache und ist nie persönlich gemeint.» Das sei für Schweizer offenbar ein wenig gewöhnungsbedürftig.
Das bedeutet: Jussi Tapola hat die Leistungskultur verbessert, sozusagen neu hochgefahren. Ein Zeichen dafür, dass die tief sitzende Frustration nach gut vier Jahren ohne richtige Trainer, nach vier Jahren voller Niederlagen, Blamagen und Schmähungen verarbeitet ist. Auch deshalb, weil die Spieler mit Jussi Tapola erstmals seit Kari Jalonen wieder einen echten Chef haben, der um sich herum einen Bannkreis des Respekts und Charismas hat. Die Autorität des «Bandengenerals» und die von ihm initiierte neue Leistungskultur: Das ist die simple und doch treffende Erklärung für das neue Selbstvertrauen, die Emotionen und die Intensität im SCB-Spiel.
Es ist die Voraussetzung, um wieder um den Titel mitspielen zu können. Gegen Lausanne und Ambri ist der SCB wie ein Meisterkandidat aufgetreten.
Nach dem Sieg in Ambri rockt am Samstagabend kurz nach 22 Uhr aus der Soundanlage in der SCB-Kabine kein strukturierter Lärm mit wummernden Bässen. Vielmehr die melancholische Ballade «W. Nuss vo Bümpliz» (Patent Ochsner). Eine melancholische Ode an eine schöne, faszinierende Frau aus Bümpliz, einem Stadtteil von Bern. Eine Liebeserklärung an eine Frau, die den Sänger zu faszinieren und zu inspirieren scheint, aber für ihn gleichzeitig unerreichbar bleibt.
Kein Song könnte besser zur SCB-Seelenlage im November 2024 passen: Der SCB, getrieben von der Sehnsucht nach neuem meisterlichem Ruhm, der nach den Irrungen und Wirrungen der letzten Jahre irgendwie noch immer unerreichbar scheint.