Wenn es denn eine Sensation hätte geben können – dann doch im Frühjahr 2025. Aber Kloten ist gegen die ZSC Lions längst auf der Strecke geblieben. Langnau scheiterte zwar erst im 7. Spiel. Die Emmentaler haben die Möglichkeit zur Überraschung nicht am Dienstag in der 7. Partie verspielt. Sondern in den zwei ersten, knapp verlorenen Auswärtspartien in Lausanne.
Aber das wahre Drama bahnt sich hinter den sieben Jurabergen an. Auch Ajoies Romantiker sind nach einem vielversprechenden Auftakt nach zwei Siegen gegen Lugano in den Playouts auf der Strecke geblieben. Eigentlich kein Problem. Wäre alles normal gelaufen, gäbe es gar keine Liga-Qualifikation.
Ajoies Sportdirektor Julien Vauclair war nämlich schlau. Er hat seinen Trainer Christian Wohlwend für Olten nur gegen Rückzug des Aufstiegsgesuches freigegeben. So ist er den ersten womöglich gefährlichen Widersacher in einer Liga-Qualifikation losgeworden. Und dann hat er drei Spieler nach Olten transferiert und es den Oltnern ermöglicht, mit La Chaux-de-Fonds den zweiten gefährlichen Aufstiegsanwärter zu eliminieren.
Eigentlich schien Ajoie nach dem Rückzug von Olten und dem Scheitern von La Chaux-de-Fonds gerettet. Niemand hatte Visp, den letzten aufstiegsberechtigten Klub, auf der Rechnung. Seit dem letzten Gewinn der Swiss League (2014) in zehn Jahren hat Visp bloss zwei Playoff-Serien gewonnen. Die letzte allerdings vor einem Jahr im Viertelfinal gegen Basel. Das hätte eine Warnung sein können.
Nun muss Ajoie gegen Visp antreten. Es geht um den Klassenerhalt bzw. Aufstieg. Erstes Spiel am Dienstag, dem 1. April, in Pruntrut.
Visp war 1962 Meister und hat die höchste Liga 1972 verlassen. Visp nun zurück auf der grossen Bühne? Unmöglich? Oder sollten wir das Undenkbare denken?
Langnau hat 1998 vom 4. Platz aus die damalige NLB gewonnen und sich in einer Auf-/Abstiegsrunde völlig überraschend gegen La Chaux-de-Fonds und Herisau, zwei Teams aus der höchsten Liga, durchgesetzt. Visp hat in der Qualifikation ebenfalls den 4. Rang erreicht.
Langnaus Schlüsselspieler war damals der spätere Stanley-Cup-Sieger Martin Gerber. Er war noch weitgehend unbekannt und erst 24 Jahre alt.
In Visp steht Torhüter Robin Meyer, ebenfalls noch weitgehend unbekannt und 24 Jahre alt, vor der grossen Bewährungsprobe. Er wird nächste Saison Langnaus zweiter Goalie neben Luca Boltshauser. Mit 95,23 Prozent Fangquote ist er der statistisch beste Torhüter der Playoffs in der Swiss League. Wie einst Martin Gerber.
Trainer Heinz Ehlers steht nach 2008 und 2012 zum dritten Mal in der Liga-Qualifikation. 2008 gewinnt er in nur vier Spielen mit Biel gegen den Playout-Verlierer Basel und führt die Bieler zurück in die höchste Liga. 2012 ist die Liga-Qualifikation mit Langenthal gegen Ambri lediglich Folklore. Langenthal dürfte aufsteigen, will aber nicht. Ambri obsiegt in 5 Spielen (4:1).
Und jetzt? Visp redet seit Jahren vom Aufstieg und will eigentlich nach oben. Aber bei Lichte besehen hat wohl niemand mit dieser unverhofften Chance gerechnet. Die Visper haben brav Saison für Saison das Aufstiegsgesuch gestellt. Nicht weil sie wirklich nach oben wollten, aber weil es sich so gehörte. Sie haben Jahr für Jahr die Aufstiegsbewilligung erhalten und waren zufrieden. Sie sind über all die Jahre Aufstiegs-Maulhelden geworden.
Das Publikum hat die Aufstiegsscharade durchschaut: Seit der Pandemie ist die Stadionauslastung eine miserable: weniger als 55 Prozent während der Qualifikation und erst letzte Saison in den Playoffs knapp 66 Prozent. Auch diese Saison war die Arena, die in jeder Beziehung dem Komfort eines Hockey-Tempels der höchsten Liga entspricht, während der Saison nur gut zur Hälfte gefüllt. Erst im Final gegen Basel ist so etwas wie Hockey-Begeisterung im Dorf eingekehrt. Aber ausverkauft war das Stadion bei einer Auslastung von 87,12 Prozent immer noch nicht. Wofür Sébastien Pico immerhin eine gute Ausrede hat: «Basel hat halt den Gästesektor nicht gefüllt.»
Die grosse Chance kommt nun unverhofft. Und Visp ist der klare Aussenseiter. Schon wegen eines fast grotesken Nachteils beim ausländischen Personal: Vier Ausländer dürfen in der Liga-Qualifikation pro Spiel aufs Matchblatt. Also zwei weniger als in der National League, aber zwei mehr als in der Swiss League.
Ajoie hat gegen Lugano insgesamt sechs eingesetzt: T.J. Brennan und Anttoni Honka in der Verteidigung sowie Jonathan Hazen, Pierre-Édouard Bellemare, Oula Palve und Philippe-Michaël Devos im Sturm. Auch wenn es gegen Lugano nicht gereicht hat: Alle sechs haben sich diese Saison in der National League bewährt. Ajoies Ausländer haben in den sechs Playout-Partien gegen Lugano immerhin acht Treffer erzielt.
Visp hat im Final Garry Nunn in einem, Jacob Nilsson in vier und Adam Brodecki in allen 5 Partien eingesetzt. Diese drei ausländischen Stürmer haben im Final gegen Basel nicht einen einzigen Treffer erzielt. Der vierte Ausländer, der nun erstmals mitspielen darf, ist noch ein Junior: der 17-jährige Simas Ignatavicius. Der litauische Junioren-Nationalstürmer ist bei Servette ausgebildet worden, bekommt seine Schweizer Lizenz aber erst nächste Saison und gilt deshalb nach wie vor als Ausländer. Er hat in der höchsten Juniorenliga diese Saison in 45 Spielen 50 Punkte produziert. Aber noch keinen einzigen Skorerpunkt im Erwachsenen-Hockey.
Kurzum: Auf den Ausländerpositionen ist Visp im Vergleich zu Ajoie ein Zwerg. Warum ist nicht mehr in die Ausländer investiert worden? Visp-Manager Sébastien Pico sagt, das sei auch eine Frage des Geldes. «Wir haben im Laufe der Saison mehr in Schweizer Spieler investiert.» Verteidiger Rocco Pezullo und Stürmer Yannick Brüschweiler sind aus Ambri gekommen. Dean Schwenninger, in Zug ausgebildet, ist im vierten Jahr aus dem US-Universitätshockey heimgekehrt. Keine Titanen zwar, aber sie haben sich gut ins Team eingefügt.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Nach 1960 (direkter Aufstieg), 2011 und 2014 (Liga-Qualifikation) ist es der dritte Meistertitel für Visp in der zweithöchsten Liga. Die Liga-Qualifikation gegen Ambri (2011) und Biel (2014) war eigentlich nur Folklore und mit 1:4 beide Male eine klare Sache. Sébastien Pico, der 2011 und 2014 auch dabei war, sagt, das sei jetzt anders.
Dass jeder ein Maximum gibt, die Taktik stimmt, jeder den Aufstieg will und nicht nur davon redet, dass aus Aufstiegs-Maulhelden Männer der Tat geworden sind, dafür sorgte und sorgt der grantige Heinz Ehlers. Er wird Visp nach dieser Saison verlassen und in seine dänische Heimat zurückkehren. Der Meistertitel mit Visp soll sein zweitletztes, der Aufstieg sein letztes «Hurra» in der Schweiz sein.
Die Freude nach dem 4:3 in Basel war gross, aber nicht ausgelassen. Es geht weiter. In Visp sind alle meisterlichen Feierlichkeiten bis nach der Liga-Qualifikation verschoben. Keine Ablenkung jetzt. Alles wird getan, um die Chance auf den Aufstieg, die sich nun so unverhofft bietet, zu nutzen.
Heinz Ehlers hatte seine Amtszeit im Herbst 2023 mit elf Niederlagen in den ersten 14 Partien begonnen. Bei einem Klub, der sich den Titel zum Ziel gesetzt hatte. Trotzdem gab es keine Diskussionen um seinen Job: Sein Name war einfach zu gross. «Too big to fire.» Eine Entlassung hätte die Klubführung blamiert. Und so kommt es, dass wohl noch nie ein ambitionierter Klub mit einem Trainer so viel Geduld hatte. Und nun bringt diese Geduld Rosen. Wenn die Hockeygötter bisher schon nicht mit den Tapferen und Schlauen waren, so sind sie es ja vielleicht mit den Geduldigen.
PS: Heinz Ehlers hat für nächste Saison noch keinen Vertrag und so wird er im nächsten Herbst Ersatz-Kandidat Nummer 1 sein, wenn irgendwo ein Trainer gefeuert wird.