Nach dem letzten Testspiel in Genf (1:4 gegen Kanada) wird kein Spieler nach der Nomination des WM-Teams so von Chronisten umlagert wie Reto Suri. Aus mehreren Gründen ...
Erstens kommt sein WM-Aufgebot überraschend, zweitens spricht er nach seinem Gastspiel bei Servette (2008 bis 2010) fliessend Französisch und ist damit bei den welschen Radio-Stationen ein gefragter Mann, drittens gehörte er zum WM-Silberteam von 2013 und viertens gibt es diese hartnäckigen Gerüchte, er könnte Zug vor Ablauf seines Vertrages verlassen.
Zugs Sportchef Reto Kläy hat in der Vergangenheit ja schon Spieler getauscht (Schlumpf für Bertaggia) oder vorzeitig aus einem Vertrag wegtransferiert (Bürgler, Sondell). Es ist ein Gerücht, das es wert ist, ein wenig nachzuforschen.
Die Ausgangslage ist tatsächlich interessant. Reto Suri hat beim EV Zug dreimal hintereinander mehr als 30 Punkte produziert (2013/14 – 49, 2014/15 – 41, 2015/16 – 37). Letzte Saison waren es nur noch 20 und er ist vom Skorer zum Defensivstürmer mutiert. Oder, je nach Sichtweise, von Trainer Harold Kreis umfunktioniert worden. Weil Reto Suri nun mehr im Boxplay als im Powerplay zum Zuge kam, hatte er trotzdem seine Eiszeit. Und er erzielte eines der wichtigsten Tore der Saison in der Verlängerung des dritten Finalspiels in Bern zum 2:1. Den Treffer, der die Zuger zurückbrachte und erst die richtige Final-Euphorie in der Stadt entfachte.
Und doch bleibt die Frage, ob er so seinen Marktwert erhalten kann. In zwei Jahren (2019) läuft der Vertrag aus und soeben ist auch das Arbeitsverhältnis mit Trainer Harold Kreis um zwei Jahre bis 2019 verlängert worden. Ein Rollenwechsel ist also nicht wahrscheinlich. 2019 wird Reto Suri 30 Jahre alt sein und als Defensivstürmer dürfte er nicht mehr den gleichen Marktwert haben wie ein Skorer. Bleibt er bis 2019 in Zug und unter der Aufsicht von Harold Kreis riskiert er bei der Vertragsverlängerung eine Halbierung seines Salärs. Defensivstürmer gibt es viele. Gut bezahlt werden die Skorer.
Zug hat bereits vor einem Jahr mit Dario Bürgler einen Stürmer aus dem laufenden Vertrag nach Lugano transferiert, dessen Produktion ähnlich wie jene von Reto Suri zurückgegangen war. «Die Situation von Bürgler und Suri ist nicht vergleichbar», sagt Zugs Sportchef Reto Kläy. «Dario (Bürgler) war nicht mehr zufrieden mit seiner Situation und wir auch nicht. Wir hatten mehr erwartet und er von sich auch. So kamen wir gemeinsam zur Entscheidung, dass ein Wechsel für beide Seiten die beste Lösung ist, zumal nach einer auch für uns unbefriedigenden Saison. Bei Reto (Suri) ist es anders. Er akzeptiert die neue Rolle und hat einen grossen Anteil an der erfolgreichen Saison.» Er schätze Reto Suri auch als starke Spielerpersönlichkeit sehr und beide Seiten seien mit der Situation nicht unzufrieden. Ein Transfer sei noch gar nie ein Thema gewesen. Dass Gerüchte umgehen, könnte er zwar verstehen. «Aber da ist wirklich nichts dran.»
Reto Suri bestätigt die Sichtweise seines Sportchefs und sagt, er sei nach Zug gekommen (2012) um hier etwas aufzubauen und die Mission sei noch lange nicht erfüllt. Einerseits akzeptiere er den Rollenwechsel voll und ganz und andererseits könne sich die Situation auch wieder ändern. «Im nächsten August beginnt alles wieder von vorne.» Und ein Problem habe er mit Harold Kreis ganz sicher nicht.
Nun ist es so, dass auch in einer kritischen Situation so geredet wird. Kluge Spieler und Sportchefs vermeiden sorgsam kritische Äusserungen in der Öffentlichkeit, die bloss zu Unfrieden und letztlich auch zum Verlust des Markt- und Transferwertes eines Spielers führen.
Ist also an den Gerüchten doch was dran? Natürlich sind andere Sportchefs an Reto Suri interessiert. Sein enormes offensives Potenzial ist noch nicht vergessen. Lausanne, Fribourg oder Lugano würden die Mittel aufbringen, um Reto Suri zu transferieren. Sportchefs mit einer gefüllten «Transferkriegskasse» gehen jedem Gerücht nach.
Dass gerade rund ums WM-Vorbereitungsspiel in Genf diese Gerüchte fleissig und auch in der VIP-Loge umgingen, will also noch wenig heissen. Aber interessant ist schon, wie hartnäckig sich diese Suri-Gerüchte halten. Trotz Dementi von allen Seiten. Schliesslich beginnt fast jeder Transfer mit einem Dementi.
So oder so steht Reto Suri vor einer überaus interessanten WM. 2013 kam er als Neuling ins Team und hatte zu Turnierbeginn keinen Stammplatz. Am Ende war er mit 5 Toren und 3 Assists und einem verwerteten Penalty gegen Kanada eines der offensiven Alphatiere des WM-Silberteams – inklusive Angebot aus der NHL. Doch er schätzte seine Situation realistisch ein und ist in Zug geblieben.
In drei Titelturnieren (Olympia 2014, WM 2014 und 15) vermochte er seither die offensiven Erwartungen nicht mehr zu erfüllen (18 Spiele/2 Tore/2 Assists). Und doch ist er nun zurück im WM-Team. In der gleichen neuen Rolle wie in Zug.
Als Defensivstürmer und Boxplayspezialist, aber auch als «Energiespieler», der mit Einsatz, Wucht und Checks das Spiel befeuert. Im letzten WM-Testspiel in Genf gegen Kanada (1:4) war er im Boxplay der beste Schweizer. Er hat zu seinem Rollenwechsel auch in der Nationalmannschaft eine positive Einstellung und für die WM ist er zuversichtlich. Er mag zwar nicht verkünden, man werde wieder wie 2013 den Final erreichen. Aber er sagt: «Erfolg gibt es nur, wenn alle glauben, dass er möglich ist.» Und dieser Glaube sei da. Es ist immer alles möglich.
Ja, es ist immer alles möglich und in Paris sagt man: «On est jamais au bout des surprises.» Was auch im Hockey gilt. Wer hätte denn gedacht, dass Zug 2017 das Finale erreicht? Die Schweiz 2013 WM-Silber holt? Und niemand konnte sich im Herbst 2015 vorstellen, dass die Zuger im Frühjahr 2016 Dario Bürgler aus einem laufenden Vertrag nach Lugano transferieren.