Es gibt eine gute und eine weniger gute Nachricht. Die gute: Topskorer Sakari Manninen darf die Halbfinals der Champions League gegen die ZSC Lions bestreiten. Die weniger gute: Der drittbeste Skorer der Liga wird Servette in der Meisterschaft zwischen fünf und zehn Partien fehlen.
In der 49. Minute ist die Partie längst entschieden. Zug führt 6:3. Im Rahmen eines Gerangels vor dem Tor stösst Sakari Manninen mit einem Crosscheck in den Rücken den vor ihm stehenden Linienrichter um. Dabei darf sogar von der Inkaufnahme einer Verletzung gesprochen werden. Ein Aussetzer, der Folgen haben wird: Der 32-jährige Finne ist zwar ein besonnener Spieler, der in seiner ganzen Karriere noch nie mehr als 26 Minuten pro Saison auf der Strafbank verbracht hat. Also kein Hitzkopf. Mit dieser Attacke hat sich der Olympiasieger und zweifache Weltmeister aber einen Restausschluss eingehandelt und muss mit einer Sperre von fünf bis zehn Partien rechnen.
Diese Szene erklärt womöglich ein zentrales Problem einer Mannschaft, die noch im letzten Februar die beste Europas war: der Zerfall der Disziplin. Wem obliegt es, für Disziplin – sozusagen Zucht und Ordnung – zu sorgen? Dem Cheftrainer. Servette hat nach der Entlassung von Jan Cadieux sogar zwei: seine beiden Assistenten Yorick Treille und Rikard Franzén.
Auf die Frage, wer denn nun der Chef sei, er oder der Franzose, sagt Rikard Franzén freimütig: «Wir beide führen die Mannschaft.» Ja, okay, aber einer muss doch der Chef sein. Wem obliegt es, in der Kabine das Wort zu ergreifen und wenn nötig Tacheles zu reden (zu toben)? «Wir wechseln uns ab.» Bei der Partie gegen den SCB (2:3) und nun in Zug (4:7) sei Yorick Treille der Wortführer gewesen. Ja, klar. Aber einer muss doch das letzte Wort haben. Einer muss doch der Chef sein. Oder? «Nein, nein, wir führen die Mannschaft gemeinsam.»
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Es mag ja gute Gründe für eine kollektive Führung geben. Vier Augen sehen mehr als zwei. Vier Ohren hören mehr als zwei. Zwei kluge Köpfe erkennen ein Problem eher als nur einer. Und doch: Eine kollektive Führung einer Gruppe junger Männer, die fürstlich bezahlt werden, um zu spielen, statt zu arbeiten, hat eigentlich noch nie funktioniert.
Selbst in den alten Zeiten des Kommunismus gab es im Eishockey keine erfolgreiche kollektive Führung: Viktor Wassiljewitsch Tichonow, der erfolgreichste Nationaltrainer der Geschichte, war ein hochdotierter Bandengeneral im Offiziersrang der Roten Armee. Einer muss das Charisma haben, um Chef zu sein. Um mit seiner Präsenz die Kabine auszufüllen. Um die spielerisch-taktische Linie vorzugeben und Disziplin durchzusetzen. Und letztlich auch, um die Verantwortung zu übernehmen.
Item. Rikard Franzén ist ein freundlicher, kluger schwedischer Taktiker, der in der Rolle eines Assistenten von Jan Cadieux an den Erfolgen der Vergangenheit (Meister 2023, Champions-League-Sieger 2024) grossen Anteil hat. Er kann die aktuellen Mängel gut analysieren. Es sei notwendig, die kleinen Dinge wieder richtig zu machen. Zum einfachen, geradlinigen Spiel zurückzukehren und auch mal einen Puck wegzuschlagen, statt einen Spielzug zu versuchen. Das, was Teams in der Krise tun, um wieder in die Spur zurückzufinden. Offensichtlich haben zu viele Spieler zu viel Talent für einfaches Spiel. Nur etwas kann sich auch Rikard Franzén nicht erklären: den Aussetzer von Sakari Manninen.
Das Eis wird immer dünner. Monatelang konnten die Genfer auf ihr immenses spielerisches Potenzial vertrauen und sagen: «Wir kommen schon noch.» Tatsächlich beträgt die Differenz zu Rang 7 nur ein Verlustpunkt. Aber nach Verlustpunkten ist Servette gleichauf mit dem 13. und zweitletzten Lugano. Mit dieser Mannschaft nicht einmal das Play-Inn zu erreichen, wäre eine Blamage sondergleichen.
Am Freitag folgt die Auswärtspartie in Ambri. Die Mannschaft ist nach der Partie vom Mittwoch in Zug nicht nach Genf zurückgekehrt und direkt nach Ambri weitergereist. Zwei Übernachtungen im Tessin. Training am Donnerstag in Ambri und dann die Partie am Freitagabend. Eine Abwechslung vom Alltag. Topskorer Sakarin Manninen darf gegen Ambri nicht spielen. Dafür reist Verteidigungsminister Sami Vatanen, wegen einer Blessur in Zug nicht dabei, mit dem Auto fürs Spiel vom Freitag an. Ein bisschen «Schullager-Romantik», um in die Spur zurückzufinden. Das kann helfen.
Wobei: Auch im Schul- und Skilager ist in der Regel einer der Chef. Sonst geht es bald drunter und drüber.
Der GSHC hat riesiges Potential aber bringt dies einfach nicht mehr aufs Eis. Mit der Zeit schlägt dies dann in Ratlosigkeit und Frust um.
Statt Cadieux zu feuern hätten sie wohl besser einen Mentalcoach angestellt.