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Rebecca Sramkova ist auf einem Auge fast blind und brilliert trotzdem

epa11729239 Rebecca Sramkova of Slovakia during her Billie Jean King Cup World Group match against Katie Boulter of the UK, in Malaga, Spain, 19 November 2024. EPA/JORGE ZAPATA
Im Jahr 2024 schaffte es Rebecca Sramkova zum ersten Mal in die Top-100.Bild: keystone

Diese Tennisspielerin brilliert, obwohl sie einen massiven Nachteil hat

Rebecca Sramkova ist derzeit die Nummer 49 der Welt. Aber es ist «ein Wunder», dass sie es mit trotz einer grossen Beeinträchtigung auf ein so hohes Niveau geschafft hat. Ganz zu schweigen von einer verrückten Episode mit ihrem Vater.
08.01.2025, 18:4208.01.2025, 19:22
Yoann Graber
Yoann Graber
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Es gehört enorm viel Aufwand und Mut dazu, professionelle Tennisspielerin zu werden. Im Fall von Rebecca Sramkova trifft dies sogar noch mehr zu.

Die 28-jährige Slowakin wurde mit einer Behinderung geboren, die es «für jeden anderen extrem schwierig, wenn nicht sogar fast unmöglich machen würde, eine Karriere in diesem Sport zu verfolgen», so Tennis World USA.

Die derzeitige Nummer 49 der Weltrangliste ist auf dem linken Auge fast vollständig blind.

Im Tennis, einer Tätigkeit, die eine sehr gute Hand-Augen-Koordination erfordert, ist dies zwangsläufig ein Nachteil. Vor allem auf der Rückhandseite für die Rechtshänderin Sramkova. «Ist eine Fehlsichtigkeit nachgewiesen, aber nicht korrigiert, werden die empfangenen Informationen aufgrund der Unschärfe langsamer verarbeitet, was sich negativ auf die Reaktionsfähigkeit des Sportlers oder der Sportlerin auswirken kann», erläutert das Optiker-Geschäft Dynoptic auf seiner Website im Detail. Auch die Orientierung im Raum und die Raumwahrnehmung, die beim Tennis ebenfalls von entscheidender Bedeutung sind, werden beeinträchtigt.

Sramkova holt in Thailand ihren ersten WTA-Titel.Video: YouTube/WTA

Trotz allem hat es Rebecca Sramkova geschafft, sich unter den Top 50 der Welt zu etablieren.

Es ist schon komisch, dass sie trotz (oder in diesem Fall eher wegen) ihrer Behinderung mit sechs Jahren ihre ersten Bälle geschlagen hat.

«Sie hoffte, dass ein Sport, der eine hohe Tiefenwahrnehmung und Hand-Augen-Koordination erfordert, ihre Sehkraft verbessern würde», hiess es von der WTA.

Doch die Augen der Slowakin wurden nicht besser. «Ich habe versucht, Kontaktlinsen zu tragen, aber es war nicht viel besser und furchtbar unbequem», erzählte sie gegenüber Tennis Actu.

Durchbruch im Jahr 2024

Also lebt Sramkova mit diesem Handicap. 2017 kam sie im Alter von 20 Jahren erstmals in die Nähe der Top-100 (111. Platz). Doch mehrere schwere Verletzungen (Rücken, Schultern, Bauchmuskeln und ein gebrochenes Bein) bremsten ihren Aufstieg. Erst 2022 tauchte sie bei den French Open wieder auf dem Radar der Öffentlichkeit auf, als sie an ihrem ersten Grand-Slam-Turnier teilnahm (Out in der ersten Runde).

2023 in Warschau spielte die gebürtige Bratislaverin ihr erstes Viertelfinale auf der WTA-Tour, aber 2024 startete sie richtig durch. Der Auslöser war das prestigeträchtige Turnier in Rom im Mai. Dort erreichte sie das Achtelfinale, wobei sie Jelena Ostapenko, der Gewinnerin der French Open 2017, in einem extrem engen Spiel (6:7 im dritten Satz) unterlag. Ihr Auftritt in Rom bescherte ihr zum ersten Mal einen Platz unter den Top-100, wo sie sich seither hält.

Sramkova verliert im Final von Jiujiang gegen Vitkorija Golubic.Video: YouTube/WTA

Mit der Gewissheit, dass sie mit den Besten mithalten kann, und dem damit verbundenen Selbstvertrauen, hat Rebecca Sramkova einen fulminanten Saisonabschluss hingelegt: zwei Finals in Monastir und Jiujiang (Niederlage gegen die Schweizerin Viktorija Golubic) und vor allem ihren ersten WTA-Titel in Hua Hin in Thailand auf Hartplatz.

Sie war es auch, die die Slowakei im November zum ersten Mal seit 2002 ins Finale des Billie Jean King Cup führte. Dort gab es allerdings eine Niederlage gegen Italien.

Slovakia tennis players Rebecca Sramkova, right, and Viktoria Hruncakova react after losing the Billie Jean King Cup final against Italy at the Martin Carpena Sports Hall in Malaga, southern Spain, on ...
Mit der Slowakei verlor Sramkova den BJK-Cup-Final gegen Italien.Bild: keystone

Malerei, Familienzerrüttung und Reisteller

Diesen Durchbruch auf höchstem Niveau verdankt Rebecca Sramkova natürlich ihrem Talent, aber vor allem ihrer starken mentalen Verfassung. Dahinter steht das Bedürfnis, sich selbst zu behaupten. «Ich will jemand sein», erklärte die Nummer 49 der Weltrangliste.

«Das ist der Grund, warum wir diesen Sport betreiben: um jemand zu sein. Du siehst, wie all die anderen Frauen um dich herum darum kämpfen, jemand zu sein, und du willst das auch. Das ist es, was mich antreibt.»

Hinter dieser Einstellung steht eine aussergewöhnliche Resilienz, die vermutlich mit der Tatsache zusammenhängt, dass sie sich ihr Leben lang mit diesem Nachteil durchsetzen musste. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass sie als weiteres Haupthobby eine möglichst visuelle Tätigkeit gewählt hat: das Malen.

Ihr Vater Jozef ist ebenfalls Maler. Er hat sie zwar trainiert, aber vor allem hat er den Erfolgswillen seiner Tochter geweckt. Und das unfreiwillig.

Man muss bis zum 18. Lebensjahr von Rebecca Sramkova zurückgehen, um diese Dynamik zu verstehen. Zu dieser Zeit war die Tennisspielerin mit einem 12 Jahre älteren Mann zusammen. Diese Beziehung gefiel ihrem Vater überhaupt nicht, woraufhin er sie einfach aus dem Haus warf.

Sie berichtete dem slowakischen Medienunternehmen Sportnet von dieser ebenso schmerzhaften wie verrückten Zeit:

«Ich musste mich allein durchschlagen, ohne einen Cent. Ich habe drei Monate lang Reis gegessen, weil ich mir weder Essen noch einen Trainer leisten konnte. Es ist ein Wunder, dass ich es geschafft habe. Mein Vater (Red.: mit dem sie auch heute noch nicht spricht) wettete, dass ich es nicht schaffen würde, dass ich zurückkommen und ihn anflehen würde. Da wusste ich, dass ich Tennis liebe und dass ich weitermachen würde, auch wenn ich verhungern müsste.»

Heute hat Rebecca Sramkova dank ihrer Gewinne von fast 500'000 Dollar im Jahr 2024 etwas anderes als Reis auf ihrem Teller. Sie hat vor allem einen Appetit, der es ihr vielleicht ermöglicht, sich ab Anfang 2025 gegen andere Tennis-Stars zu beweisen. Am 12. Januar beginnen die Australian Open.

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