Die Schweizer kommen seit 2018 bei Titelturnieren nicht mehr über den Viertelfinal hinaus. Immer deutlicher wird sichtbar: Der Grund für das Versagen ist der Zerfall einer Leistungskultur, die einmal eine der besten der Welt war und uns die WM-Finals von 2013 und 2018 beschert hat.
Alle erfolgreichen Teams – ob in der NHL, in der MyHockey League oder bei einer WM ist einerlei – haben eine Leistungskultur. Will heissen: Siegen ist eine Gewohnheit. Diese Gewohnheiten werden über eine lange Zeit beharrlich eingeübt und gelebt. Einfach erklärt: Wenn die Schlittschuhe gebunden sind, der Helm aufgesetzt und das Dress übergestreift ist, dann gibt es nur ein einziges Ziel: das Spiel gewinnen. Immer. Ausnahmslos. So werden Sieger durch Gewohnheit geformt.
Nicht jedes Spiel kann gewonnen werden. Aber eine Niederlage akzeptieren Sieger nur, wenn alles getan worden ist, um das Spiel zu gewinnen. Ausreden kennen Sieger keine. So viel zur Einführung.
Weil Russland vom internationalen Spielverkehr ausgeschlossen worden ist, dürfen die Schweizer auch während der Saison und nicht nur bei der WM und bei Olympischen Spielen gegen die Besten antreten. Im Rahmen der Euro Hockey Tour tragen Schweden, Finnland, Tschechien und die Schweiz jede Saison vier Turniere aus.
Die Schweizer haben diese Saison bei den drei ersten Turnieren alle Partien gegen Finnland, Schweden und Tschechien verloren. Das ist eigentlich nicht entschuldbar. Die National League wird zu Recht als eine der besten oder gar als die beste Liga ausserhalb der NHL bezeichnet. Unsere Nationalmannschaft wird aus Spielern aus einer der besten oder gar der besten Liga ausserhalb der NHL zusammengesetzt. Wie den Schweden, Finnen und Tschechen stehen auch den Schweizern während der Saison die NHL-Stars nicht zur Verfügung.
Mag sein, dass die Tschechen, Schweden und Finnen ein grösseres Spielerreservoir haben. Aber eine gut vorbereitete, straff geführte, schlau gecoachte Nationalmannschaft mit einer hohen Leistungskultur verliert nicht alle Spiele. Wenn die Schweizer bei einer WM nicht nur die Operetten-Gruppenspiele gewinnen wollen, dann können sie sich nicht einfach auf die NHL-Stars verlassen. Dann müssen auch die Spieler aus der eigenen Liga dazu in der Lage sein, eine Rolle und Verantwortung zu übernehmen. Das Nationalteam muss auch ohne die NHL-Stars laufen lernen.
Eishockey ist ein Mannschaftssport. Auch die zweite und dritte Linie müssen bei einer WM konkurrenzfähig sein, und die zweite und dritte Linie werden zu einem schönen Teil aus den Spielern zusammengesetzt, die sich soeben in der Slowakei blamiert haben. Das zur Gewohnheit gewordene blinde Vertrauen, dass es die NHL-Stars schon richten werden, zersetzt die Leistungskultur und ist ein wichtiger Grund, warum es nicht mehr gelingt, über den WM-Viertelfinal hinauszukommen.
Die Gewohnheiten von Siegern werden während der Saison eingeübt. Dafür verantwortlich sind von oben nach unten der Verbandspräsident, der Verbands-Sportdirektor und der Nationaltrainer.
Wenn nun der Verbandspräsident, der Verbands-Sportdirektor und der Nationaltrainer wiederholt erklären, Resultate seien bei Länderspielen mehr oder weniger unerheblich, von Lernprozessen schwadronieren und für alles eine gute Ausrede parat haben, dann zerfällt die Leistungskultur. Bei einer Nationalmannschaft geht es immer um das Resultat. In der Nationalmannschaft wird nicht ausgebildet. Jeder Spieler muss wissen, dass es darum geht, ein Spiel zu gewinnen. Punkt.
In den beiden Operetten-Länderspielen in der Slowakei hat unsere Nationalmannschaft den absoluten Tiefpunkt erreicht. Es fehlte alles: Leidenschaft, Disziplin, Kreativität, Mut, Ordnung, Konzentration, Zusammenhalt. Aus diesen zwei Partien liesse sich ein Lehrfilm zusammenstellen. Um bei Trainerkursen aufzuzeigen, wohin es führt, wenn nicht geführt wird.
Patrick Fischer profitiert inzwischen von einem «Kartell der Ausreden». Dieses Kartell beginnt oben beim Verbandspräsidenten, der unablässig von Konzepten, Strategien, Wegen nach hierhin und dorthin fantasiert – aber nie konkret Leistung fordert. Dabei findet er Unterstützung beim Verbands-Sportdirektor: Wären die Spieler in der Offensive so kreativ wie Lars Weibel beim Erfinden von Ausreden, dann würden wir das Welthockey dominieren wie einst die Sowjets. Dazu kommt eine geradezu grotesk wohlwollende Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, das diese Länderspiele direkt in unsere Stuben überträgt.
Höhepunkt der Länderspiel-Posse in der Slowakei ist das Interview nach der zweiten Niederlage mit einem verdattert in Ausrüstung dastehenden Calvin Thürkauf. Er gilt als einer der besten Schweizer Spieler der Liga und sein Agent arbeitet zur Zeit fleissig daran, ihm für nächste Saison einen NHL-Vertrag zu organisieren. Der freundliche, wohlwollende TV-Reporter, rührend bemüht, Ausreden zu finden, fragt doch tatsächlich, ob es vielleicht auch ein wenig ungewohnt sei, in einem so vollen Stadion zu spielen. Realsatire.
Wir wollen gnädig, freundlich und konstruktiv sein und die Niederlagen in dieser Saison gegen Schweden, Finnland und Tschechien als sportlich erklärbar, entschuldbar und ehrenvoll bezeichnen. Aber die zwei Pleiten in Humenné gegen die Slowakei gehören zum Peinlichsten, was eine Schweizer Nationalmannschaft seit dem Abstieg in die C-WM im Frühjahr 1973 geboten hat.
Nun folgen vier Operetten-Länderspiele: Am 19. und 20. April in Basel gegen Frankreich, am 26. April in Lausanne gegen Lettland und am 27. April in Kloten erneut gegen Lettland. Wenn auf die Schmach von Humenné keine heftige Reaktion erfolgt und die Schweizer nicht dazu in der Lage sind, mindestens drei dieser vier anstehenden Partien zu gewinnen, dann wird es Zeit, über die Ablösung von Verbands-Sportdirektor Lars Weibel und Nationaltrainer Patrick Fischer nachzudenken. Ende der Polemik.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte