Schaltjahre des Ruhmes? So ziemlich alle vier Jahre eine Medaille? 2013 und 2018 stürmten die Schweizer bis in den WM-Final. Ist die nächste Medaille nun diese Woche in Finnland fällig?
Ein Blick zurück auf die beiden Silber-Turniere von 2013 und 2018 ist aufschlussreich. Die WM 2022 unterscheidet sich erheblich von jenen beiden Turnieren und offenbart neue, hoffnungsvolle Qualitäten der Schweizer. Sie sind besser als 2013 und 2018. Was nicht bedeutet, dass sie auch automatisch erfolgreicher sein werden.
2013 ist ein Sturmlauf, der nach neun Siegen in Serie erst im Final von Schweden (1:5) gestoppt wird. 2013 wird sich auf diese Art und Weise nie wiederholen: Dieser Steigerungslauf zur ersten WM-Medaille seit 1953 mit Nationaltrainer Sean Simpson ist ein Wunder. 2012 hatte es ja noch nicht einmal für die Viertelfinals gereicht.
Two shootout goals for @SwissIceHockey get them seventh win in a row.✌️ @nicohischier @NJDevils #GERSUI #IIHFWorlds pic.twitter.com/eOCPCYHm5J
— IIHF (@IIHFHockey) May 24, 2022
2018 taumeln die Schweizer in den Viertelfinal. Ein Punktverlust schon zum Auftakt gegen Österreich (3:2 n.V). Für die Viertelfinals braucht es im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich unbedingt einen Sieg. Nach fünf Partien stösst Roman Josi zum Team. Erst dann folgen die besten Partien im Viertelfinal (3:2 Finnland), im Halbfinal (3:2 Kanada) – und der Final gegen Schweden wird erst nach Penaltys verloren.
Wie schon 2013 kommt der Erfolg auch 2018 unerwartet: Nach dem missglückten olympischen Turnier im Februar wäre Patrick Fischer beinahe gefeuert worden.
In Helsinki haben die Schweizer zum zweiten Mal nach 2013 die Gruppenphase gewonnen und zum ersten Mal sind sie zu diesem Zeitpunkt des Turniers das offensiv beste Team. Denis Malgin kann sogar WM-Topskorer werden.
Im Unterschied zu 2013 ist der Gruppensieg keine Sensation. Das ist der Unterschied zu 2013, aber auch zu 2018: Das Ziel, offiziell verkündet, sind der Halbfinal und eine Medaille. Mit so viel offen gezeigtem Selbstvertrauen wie 2022 sind die Schweizer noch nie zu einer WM geflogen.
Erstaunlich ist in Helsinki die Selbstverständlichkeit des Erfolges, die Art und Weise, wie die Schweizer mit den selbst geschürten hohen Erwartungen umgehen. Wie Nationaltrainer Patrick Fischer zum dritten Mal nacheinander ein Spiel nach einem wilden ersten Drittel gegen Kanada, dann nach missglückten ersten 20 Minuten mit Rückstand gegen Frankreich (0:2) und Deutschland (1:2) wieder in geordnete Bahnen zu lenken vermag. Mit welcher Kaltblütigkeit sie gegen Deutschland das für den Gruppensieg erforderliche Unentschieden nach 60 Minuten erreichen und dann die Partie im Penaltyschiessen entscheiden.
Die Revanche für die Penalty-Niederlage im Viertelfinal der letzten WM ist damit geglückt. Wobei: Ganz so bedeutungsschwer wie der letztjährige Viertelfinal war dieses Spiel nicht. Es ging «nur» um den Gruppensieg.
Ganz offensichtlich haben die Schweizer mit der Favoritenrolle leben gelernt. Es ist eine noch nie gesehene Stabilität auf hohem Niveau mit der Fähigkeit, während eines Spiels zu reagieren.
Das WM-Team von 2022 ist ausgeglichener als die Silber-Mannschaften von 2013 und 2018. Das ist die Erklärung, warum auch ohne Roman Josi, Nino Niederreiter (2013 und 2018 dabei), ohne Kevin Fiala, Grégory Hofmann, Sven Andrighetto und Gaëtan Haas (2018 dabei) und nach der Ausmusterung von Simon Moser (2013 und 2018 im Team) die Schweizer das offensiv beste Team der WM-Gruppenspiele sind.
Mit Denis Malgin, Nico Hischier, Timo Meier und Pius Suter finden wir zum ersten Mal überhaupt vier Schweizer in den Top Ten einer WM-Skorerliste. Nico Hischier hat zu dieser erstaunlichen Entwicklung gesagt, sie zeige, dass im Schweizer Eishockey bei der Ausbildung vieles richtig gemacht werde.
Gelingt 2022 die dritte Medaille nach 2013 und 2018, dann ist es die erste, die offiziell angekündigt worden ist, und die erste WM, bei der die Schweizer die hohen Erwartungen mit der Selbstverständlichkeit der Grossen umgesetzt haben. Es wäre eine noch wertvollere Medaille als 2013 und 2018.
Rang nach der Gruppenphase:
2012: Platz 6.
2013: Platz 1 (20 Punkte/29:10 Tore). Viertelfnal Tschechien 2:1. Halbfinal USA 3:0. Final Schweden 1:5.
2014: Platz 5.
2015: Platz 4. Viertelfinal USA 1:3.
2016: Platz 6.
2017: Platz 2. Viertelfinal Schweden 1:3.
2018: Platz 4. Viertelfinal Finnland 3:2. Halbfinal Kanada 3:2. Final Schweden 2:3 n.P.
2019: Platz 4. Viertelfinal Kanada 2:3 n.V.
2020: WM abgesagt
2021: Platz 2. Viertelfinal Deutschland 2:3 n.P.
2022: Platz 1 (20 Punkte/34:15 Tore). Viertelfinal USA.
Jetzt gilt es sich gut zu Erholen, die Vorrunde abzuhaken und dann die VF in diesem Stil zu absolvieren. Wenn die Schweiz ihr Spiel durchzieht ist gegen jeden Gegner etwas möglich.
Nach dem Spiel ein „grosses“ Interview von Scherwey, das nicht nur für ihn, sondern auch für den Schweizer Staff spricht.
Hopp Schwitz 🇨🇭