Lange war es gewissermassen obsolet. Die letzten Saisons war Max Verstappen in der Motorsport-Königsklasse derart unantastbar, dass der temperamentvolle Niederländer und sein Lager es gar nicht gross nötig hatten, den WM-Kampf auch auf mentaler Ebene zu führen. Doch mit dem Erstarken von McLaren-Pilot Lando Norris ist die Spannung im Formel-1-Zirkus zurück – und damit auch die psychologische Kriegsführung.
So hat McLaren-Geschäftsführer Zak Brown kürzliche Kommentare von Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko über Norris und dessen psychische Verfassung scharf kritisiert.
«Darin rumzustochern, halte ich für ziemlich unangebracht und das wirft uns zehn, zwanzig Jahre zurück», betonte Brown. Marko hatte angedeutet, dass McLaren-Fahrer Norris im Vergleich zu Red Bulls Max Verstappen «mentale Schwächen» habe.
Brown sprach deshalb von einem «Schlag unter die Gürtellinie». Das Gespräch mit Marko will Brown in der Angelegenheit aber nicht suchen. «Es ist sinnlos, mit ihm darüber zu sprechen. Es ist nicht das erste Mal, dass er solche Kommentare von sich gibt, und es wird sicher nicht das letzte Mal bleiben», betonte der McLaren-Geschäftsführer.
Der 81-jährige Österreicher hatte in einem Interview mit dem österreichischen Online-Portal OE24 gesagt, dass Verstappen wieder die WM gewinnen werde, weil der Niederländer mental und fahrerisch der Beste sei. Marko hatte hinzugefügt:
Vor dem letzten Viertel der Formel-1-Saison ist Norris der erste Verfolger von WM-Leader Verstappen.
Er habe die Kommentare gelesen, sagte Brown, «sie sind enttäuschend, aber nicht überraschend». Norris sei so etwas wie ein Botschafter für mentale Gesundheit. Mercedes-Teamchef Toto Wolff habe auch darüber gesprochen. «Ich denke, das ist ein ernsthaftes Thema, über das wir versuchen zu reden und in den Vordergrund zu stellen», erklärte der McLaren-Chef.
«Es macht mir wirklich nichts aus, wenn die Leute sagen, was sie über mich sagen wollen, Gutes oder Schlechtes», reagierte Norris gelassen auf die Kommentare von Marko.
Norris hatte zuletzt offen darüber gesprochen, dass er vor Rennen und Qualifikationen immer noch sehr nervös sei. An Sonntagen könne er beispielsweise kaum etwas essen und trinken wegen der Nerven und des Drucks.
Marko ist für seine kontroversen Kommentare bekannt. Im vergangenen Jahr musste er sich nach umstrittenen Äusserungen über den mexikanischen Red-Bull-Piloten Sergio Perez entschuldigen, nachdem er dessen schwankende Form mit Perez' ethnischer Herkunft in Verbindung gebracht hatte.
Brown äusserte sich auf einer Pressekonferenz am Freitag auch zur Causa um die Höhenverstellbarkeit am Red-Bull-Boliden und warnte vor «massiven Konsequenzen», sollte sich herausstellen, dass das Weltmeisterteam gegen die Formel-1-Regeln verstossen habe. Red Bull hatte die Existenz einer entsprechenden Vorrichtung am Auto zugegeben, aber auch erklärt, dass diese nicht mehr zugänglich sei, sobald die Autos fertig montiert und betriebsbereit seien.
Für Brown sind diesbezüglich noch Fragen offen. «Ich denke, dass es eine sehr gründliche Untersuchung geben muss. Ich bin nicht der Einzige, der besorgt ist über das, was wir gesehen und gehört haben», erklärte der McLaren-Geschäftsführer.
Red-Bull-Chef Christian Horner sagte, er habe «Paranoia» bemerkt und fügte hinzu, dass sein Team vollkommen einverstanden damit war, dass die Rennleitung die Vorrichtung untersucht. «Es steht auf einer Liste von Open-Source-Komponenten, ist also seit drei Jahren öffentlich zugänglich. Die FIA ist damit zufrieden. Ich glaube, es geht nur darum, eine gewisse Paranoia im Fahrerlager zu befriedigen», so Horner. (con/sda/dpa/apa)